Chambre des comptes

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Pariser Rechnungskammer.

Die Rechnungskammern (auch Rechenkammern; franz. chambres des comptes) waren in Frankreich unter dem Ancien Régime selbständige Finanzkontrollbehörden, die unmittelbar dem König von Frankreich unterstanden. Die Pariser Rechnungskammer, die älteste dieser Finanzgerichtshöfe, ist der Vorläufer des heutigen Rechnungshofes (Cour des comptes)

Die Rechnungskammer von Paris

Um die Einnahmen und Ausgaben des Reiches unter Kontrolle zu halten, bediente der König sich ursprünglich allein der Curia regis, die Versammlung seiner engsten Berater. Mitte des 12. Jahrhunderts vertraute er die Finanzen dann dem Templerorden an, die in Paris ein Bankhaus führten, so dass der Staatsschatz nunmehr wie ein Finanzinstitut organisiert war und Einnahmen und Ausgaben über Konten liefen. Die königlichen Finanzbeamten im Land, die die Einnahmen den Templern sandten, wurden am Königshof geprüft, der wiederum besondere Beauftragte bei den Templern hatte, die Curia in compotis genannt wurden und an den Beratungen der Curia regis teilnahmen, wenn es um finanzielle Fragen ging. Ab 1297 erfolgte die Rechnungsprüfung zweimal im Jahr, jeweils zur Sonnenwende (damals der 24. Juni bzw. 25. Dezember). Das was anfangs einfach eine Schatz-Kasse für den Geldeingang war, entwickelte sich so zu einem Rechnungsprüfungsamte, der sich von der Curia abspaltete und schließlich ein eigener Gerichtshof wurde.

1256 schrieb eine königliche Ordonnanz von Ludwig dem Heiligen vor, dass Bürgermeister und Stadtverordnete vor den gens des comptes in Paris Rechenschaft abzulegen hätten; wenn auch der geistliche Generalsekretariat der Curia spezialisierten sich auf diese Aufgabe, einige weltliche Räte (maîtres lais) wurden ihnen als Vertraute des Königs mit Anhörungs- und Entscheidungsbefugnis zur Seite gestellt.

Um 1303 ließ sich die Pariser Rechnungskammer im Palais de la Cité nieder, wo sie bis zu ihrer Auflösung durch die Französische Revolution bleiben sollte. Ihre Aufgabe bestand in erster Linie darin, die Bewirtschaftung des Kronguts zu beaufsichtigen, in zweiter Linie in der Kontrolle der öffentlichen Ausgaben: Sie überprüfte den königlichen Haushalt, die Aufseher und Beauftragten, Baillis und Seneschalle. Mit der Auflösung des Templerordens im Jahr 1307 verbrachte König Philipp IV. den Staatsschatz in den Louvre. Für die Gruppe der Prüfer, denen ein besonderer Raum im königlichen Palast zugewiesen worden war, kam nun der Begriff der Camera compotorum auf und sie wurden als eigenständiges Amt angesehen, obwohl sie weiterhin nur eine Kommission der Curia regis darstellten.

Die Ordonnanz von Vivier-en-Brie aus Januar 1319, die am 17. April 1320 von Henri IV. de Sully veröffentlicht wurde, legte die Organisationsprinzipien der Rechnungskammer fest: Sie umfasste erst drei, später vier geistliche Räte (maîtres-clercs) als Prüfungsleiter sowie drei weltliche (maîtres-lais familiers du Roi) als beigeordnete Richter, zudem elf Mitarbeiter (petits clercs, später clercs des comptes). Das Amt des Präsidenten der Kammer wurde für die Geistlichen 1381 geschaffen, ein weiteres Präsidentenamt für die Weltlichen im Jahr 1400. Urkundsbeamte wurden eingestellt sowie Revisoren (correcteurs) zur Unterstützung der Räte, der König entsandte zudem weitere Prüfungsbeamten (conseillers).

Niedergang der Rechnungskammer

Ab dem späten 14. Jahrhundert verlor die Rechnungskammer ihre Alleinstellung bezüglich der königlichen Finanzen. Eine eigene Chambre des monnaies wurde für das Münzwesen geschaffen, neue Steuern (aide, taillage, gabelle) wurden eingeführt und von der 1390 geschaffenen Cour des aides verwaltet. Die Bedeutung des Kronguts, die weiterhin die Rechnungskammer belieferte, für die Finanzierung des Hofes ging dadurch zurück. Hinzu kam, dass nunmehr in einigen neuen Provinzen mit ihrer Unterstellung unter die Krone eigene Kammern eingerichtet wurden: Die älteste Landesrechnungskammer war die der Dauphiné, die 1368 gegründet wurde; weitere wurden in der Normandie (1465), in der Provence, in Burgund, in Nantes (für die Bretagne), in Navarra, im Languedoc und Roussillon, in Nancy, Metz und Bar-le-Duc eingerichtet. Andererseits wurde durch eine Ordonnanz vom 26. Februar 1464 die Pariser Oberrechnungskammer als unabhängige letzte Instanz in Finanzfragen festgestellt.[1]

Jean-Baptiste Colbert, der von 1665 bis 1683 Finanzminister war, entzog schließlich der Rechnungskammer die Bewirtschaftung der Gewässer und Wälder.[2] Ein Edikt aus Februar 1704 schuf dann als neue Behörde die Chambres souveraines des Eaux et Forest.[3]

Auflösung der Rechnungskammern

Im 18. Jahrhundert[4] war die Pariser Oberrechnungskammer noch verantwortlich für das Krongut, die Finanzkontrolle, die Überprüfung aller königlichen Beamten und die Anmeldung von Privilegien. Ihre Gerichtsbarkeit hatte sie über das ganze Königreich erweitert, musste dabei aber die Existenz der nachgeordneten Kammern in einem Dutzend Provinzen berücksichtigen, deren Befugnisse unterschiedlich geregelt waren.

Die Pariser Oberrechnungskammer hatte an seiner Spitze am Ende einen Chefpräsidenten sowie zwölf Vizepräsidenten, die jeweils ein halbes Jahr im Amt waren; hinzu kamen 68 Räten (maîtres) usw., so dass im Jahr 1789 der Oberrechnungskammer 289 Amtsträger angehörten.[5]

In dieser Zeit wurde die Rechnungskammer als archaische Institution ohne wirkliche Macht oder irgendwelche Nutzen für geordnete Finanzen angesehen. Sie arbeitete so langsam, dass im Durchschnitt bei der Rechnungsprüfung zehn Jahre vergingen. Seine Entscheidungen wurden selten umgesetzt, als rein formal betrachtet. In der Tat war die Rechnungskammer aufgrund der Tatsache, dass sie Beschlüsse des Parlement im Finanzbereich mehrfach nicht dokumentierte, zu einem Ärgernis geworden. Am 17. September 1791 wurde die Pariser Rechnungskammer schließlich aufgelöst und durch eine Commission de comptabilité ersetzt; gleiches geschah mit den Kammern in den Provinzen am 29. September.

Liste von Präsidenten

Weblink

Anmerkungen

  1. Auf Französisch: »Cour souveraine, principale, première et singulière du dernier ressort en tout le fait du compte des finances«.
  2. »Il est expressément défendu aux officiers des chambres des comptes de vérifier aucunes Lettres-Patentes sur le fait des Eaux & Forêts du Roi & autres, dans lesquels sa majesté a intérêt, ou ceux des ecclésiastiques & communautés, qu'ils n'en aient avant ordonné la communication au grand maître du Département, & vu les avis, si ce n'est que lesdites lettres eussent été expédiées sur ses procès verbaux et avis attachés sous le contre-scel. (Art. 15 du tit. premier). Il leur est également défendu de recevoir, vérifier, enregistrer & ensaisiner aucuns aveux, dénombremens, contrats d'acquisitions & déclarations d'héritages tenus en centsive dans l'enclos, & à cent perches des Forêts du Roi, qu'ils n'aient été communiqués aux procureurs du Roi des Maîtrises, &c. ils ne peuvent alinérer ou inféoder aucun bois appartenant au Roi sous quelque prétexte que ce soit, si ce n'est en vertu d'Arrêts du Conseil, &c.(...)« (M. Chailland: Dictionnaire raisonné des eaux et forêts, Band 1, S. 112).
  3. Chailland, S. 112
  4. vgl. Marion, Bruel, Mérilhou und Coustant d’Yanville
  5. 1771 war das Amt des Chefpräsident 500.000 Livre wert, das der Vizepräsidents 300.000 Livre; hinzu kamen zahlreiche Privilegien für die Amtsträger wie die Zugehörigkeit zum Hochadel, die Freiheit von öffentlichen Pflichten und Abgaben usw.
  6. Raymond Cazelles: La Société politique et la crise de la royauté sous Philippe de Valois (1958), S. 94–95

Literatur

  • Jean Raynaud: La Cour des comptes. Presses Universitaires de France, Paris 1988.
  • Dominique Le Page (Hrsg.): Contrôler les finances sous l'Ancien Régime. Regards d'aujourd'hui sur les Chambres des comptes, Colloque des 28, 29 et 30 novembre 2007. Comité pour l'histoire économique et financière de la France, Paris 2010.
  • Marcel Marion: Dictionnaire des institutions de la France aux XVIIe et XVIIIe siècles. Picard, Paris 1923.
  • François Mérilhou: Étude sur la chambre des comptes de Paris. In: Revue de législation et de jurisprudence, September 1851 (S. 1–27) und Oktober 1851 (S. 1–32). Paris BNF : LF27-10.
  • Alexandre Bruel: La Chambre des comptes de Paris, notice et état sommaire de 3363 registres de comptabilité des XVIIe et XVIIIe siècles versés aux Archives nationales en 1889. In: Bibliothèque de l'École des chartes 55 (1894).
  • H. Coustant d'Yanville. Chambre des Comptes de Paris. Essais historiques et chronologiques, privilèges et attributions nobiliaires et armorial par le Cte H. Coustant d'Yanville. Dumoulin, Paris 1866-1875. Paris BNF : LF27-55.