Charles Bonnet

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Charles Bonnet

Charles Bonnet (* 13. März 1720 in Genf; † 20. Mai 1793 ebenda, heimatberechtigt in Genf) war ein Genfer Naturwissenschaftler, Philosoph und Anwalt[1] in der Zeit der Aufklärung. Auf ihn geht die Entdeckung der Parthenogenese zurück.

Leben und Wirken

Biologische Forschungen

Bonnet studierte Rechtswissenschaften und beschäftigte sich daneben mit naturwissenschaftlichen Studien. Bereits mit 20 Jahren verfasste er seine Studie über die Fortpflanzung der Blattläuse ohne Befruchtung und beschrieb damit zum ersten Mal die Parthenogenese. Er arbeitete dann mit Trembley über die Polypen und machte Beobachtungen über die Atmung der Raupen und Schmetterlinge und den Bau des Bandwurms.

Bonnet vermutete, dass Kleinstlebewesen nicht – wie von John Turberville Needham (1713–1781) und Leclerc behauptet – durch Urzeugung (Abiogenese) in verschlossenen Gefäßen mit Fleischbrühe entstanden, sondern durch „unsichtbare Öffnungen“ in die verwendeten Gefäße gelangen konnten. Als sehr früher Vertreter der Evolutionstheorie nahm er an, dass die Natur stets neue Entwürfe hervorbringt, von denen der Affe z. B. der letzte Versuch vor dem Menschen war.

Charles Bonnet ist Erstbeschreiber des nach ihm benannten medizinischen Syndroms, des Charles-Bonnet-Syndromes: Nachdem sein Grossvater Charles Lullin im Alter von 77 Jahren an einer Linsentrübung (Grauer Star) operiert worden war, an der er schließlich erblindete, bekam er Jahre später lebhafte Halluzinationen von Männern und Frauen, Kutschen und Häusern. Er wusste, dass er halluzinierte und diese Dinge nicht real existierten. Bonnet erkannte, dass das Gehirn seines Grossvaters die Halluzinationen hervorbrachte, da diesem der Reiz der Aussenwelt fehlte. In seinem späteren Leben erkrankte Charles Bonnet schliesslich selbst an dem von ihm beschriebenen Syndrom.

Die „Palingénésie philosophique“ von 1769

Als ihm ein Augenleiden weitere mikroskopische Beobachtungen unmöglich machte, begann er mit spekulativen Forschungen und befasste sich insbesondere mit dem Christentum. Er schrieb eine Abhandlung über das Weiterleben nach dem Tode (Idées sur l'état futur des êtres vivants, ou Palingénésie philosophique, Genf 1769), die von Johann Kaspar Lavater unter dem Titel Philosophische Untersuchung der Beweise für das Christentum (Zürich 1771) teilweise ins Deutsche übersetzt wurde. Lavater widmete die Abhandlung Moses Mendelssohn, um ihn zur Widerlegung oder zum Übertritt ins Christentum zu bewegen. Die gereizte Antwort Mendelssohns veranlasste den Aufklärer Bonnet, sich öffentlich von Lavater zu distanzieren.

Nachdem Bonnet von 1752 bis 1768 Mitglied des Grossen Rats von Genf gewesen war, zog er sich auf das Landgut seiner Schwiegereltern in Genthod am Genfersee zurück. Er war dort ab 1766 als Privatgelehrter tätig.

Philosophischer Empirismus

Bonnets Philosophie war ein Empirismus. Mit John Locke und Étienne Bonnot de Condillac leitete er alle Vorstellungen von Sinnesempfindungen ab, welche in der Seele durch Oszillation der Gehirnfibern entstehen, wie umgekehrt alle von ihr ausgehenden Bewegungen durch solche veranlasst werden. Der Vorgang selbst, wie das Gehirn auf die Seele oder diese auf jenes wirke, bleibt ein Geheimnis. Da nun die Seele, obgleich selbst immateriell, ohne Verbindung mit einer organischen Substanz (einem wenn auch noch so feinen Leib) nicht zu denken vermöge, folgert er, dass sie entweder nicht oder nur in Verbindung mit einem neuen Leib fortdauern werde, man sich von der Weise dieser Fortdauer aber keine Vorstellung machen könne.

Mitgliedschaften / Auszeichnungen

1757 wurde Bonnet zum Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften,[2] 1763 zum auswärtigen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften[3] und 1764 zum Mitglied der Gelehrtenakademie Leopoldina gewählt. 1786 wurde er auswärtiges Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.[4] Seit 1764 war er Ehrenmitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.[5] Er war Mitglied der Académie des sciences in Paris.[6]

Weitere Werke

Literatur

  • Gisela Luginbühl-Weber: Bonnet, Charles. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Johannes Peter Müller: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Jacob Hölscher, Koblenz 1826.
  • Klaus Reichert: Okkulte Neurologie? In: Christian Hoffstadt, Franz Peschke, Andreas Schulz-Buchta (Hrsg.): Wir, die Mechaniker von Leib und Seele. Gesammelte Schriften Klaus Reicherts. In: Aspekte der Medizinphilosophie. Band 4. Projektverlag, Bochum/ Freiburg 2006, ISBN 3-89733-156-X, S. 51ff.
  • Friedrich Wilhelm BautzBonnet, Charles de. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 695.
  • Philipp Matthäus Hahn – Jakob Friedrich Klemm: Etwas zum Verstand des Königreichs Gottes und Christi („Fingerzeig“) * samt einem Auszug aus dem „Theologischen Notizbuch“ von Philipp Matthäus Hahn mit neun ausgewählten Abhandlungen aus dem zeitlichen Umfeld der Epheserbriefauslegung von 1774. (= Kleine Schriften des Vereins für württembergische Kirchengeschichte. Nr. 20). Hrsg. von Walter Stäbler. Verein für württembergische Kirchengeschichte c/o Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Stuttgart 2016. Lektorat: Reinhard Breymayer. ISBN 978-3-944051-11-6.
    • [Die darin enthaltene Abhandlung von Jakob Friedrich Klemm fußt elementar auf Charles Bonnet. Klemm nahm die Verfasserschaft nicht für sich in Anspruch, sondern trat als Vermittler auf, der innerhalb seines pietistischen Umfeldes den Namen Charles Bonnet verschweigen musste, um die Rezeption speziell der Bonnetschen Gedanken über die Stufenleiter der Wesen zu gewährleisten. Diese Rezeption wurde anscheinend auch für Friedrich Schiller und Friedrich Hölderlin wichtig, wie Reinhard Breymayer betont; vgl. dazu S. 27–29.]
  • Charles Bonnet (Lexikoneintrag). In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Bibliographisches Institut, Leipzig/ Wien 1905–1909. 1909, abgerufen am 29. Mai 2018.

Weblinks

Commons: Charles Bonnet – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Charles Bonnet – Quellen und Volltexte (französisch)

Einzelnachweise

  1. Personendaten. DNB, abgerufen am 9. Mai 2014.
  2. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 44.
  3. Mitgliedseintrag von Charles Bonnet bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 27. Dezember 2016.
  4. Mitglieder der Vorgängerakademien. Charles Bonnet. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 25. Februar 2015.
  5. Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724. Charles Bonnet. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 3. August 2015 (englisch).
  6. Verzeichnis der Mitglieder seit 1666: Buchstabe B. Académie des sciences, abgerufen am 23. September 2019 (französisch).