Charniodiscus

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Charniodiscus
Abguss des Typfossils Charniadiscus concentricus vom Charnwood Forest in England

Abguss des Typfossils Charniadiscus concentricus vom Charnwood Forest in England

Zeitliches Auftreten
Ediacarium
565 bis 555 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Vielzellige Tiere (Metazoa)
Rangeomorpha
incertae sedis
Charniodiscus
Wissenschaftlicher Name
Charniodiscus
Ford, 1958
Arten
  • Charniodiscus arboreus
  • Charniodiscus concentricus
  • Charniodiscus longus
  • Charniodiscus oppositus
  • Charniodiscus procerus
  • Charniodiscus spinosus

Charniodiscus ist ein Fossil aus dem Ediacarium, das zu den Rangeomorpha gerechnet wird.

Etymologie

Das zusammengesetzte Wort Charniodiscus leitet sich ab von Charn – der ersten Silbe von Charnwood – und dem altgriechischen

δίσκος

(diskos) mit der Bedeutung „Platte“, „Scheibe“ oder „Wurfscheibe“.

Entdeckung und Typlokalität

Charniodiscus wurde in der Charnian Supergroup im Charnwood Forest bei Leicester entdeckt. Die wissenschaftliche Erstbeschreibung des Fossils erfolgte 1958 durch Trevor D. Ford. Ford benannte das Typfossil Charniodiscus concentricus, wobei er auf die Haftscheibe Bezug nahm, die von zwei konzentrischen Kreisen gekennzeichnet wird. Ein später entdeckter „Wedel“ (frond) gehörte zum eng verwandten Taxon Charnia masoni, das sich im Verzweigungsmuster der Wedel unterscheidet.

Verbreitung

Neben der Typlokalität im Charnwood Forest[1] wurde Charniodiscus bisher an folgenden Fundstellen angetroffen:

Beschreibung

Das zur Ediacara-Biota (575 bis 543 Millionen Jahre BP) gehörende Fossil Charniodiscus war wahrscheinlich ein auf dem Meeresboden festsitzender Filtrierer.[5] Der Organismus bestand aus einer Verankerungsscheibe, einem aufrechten Stängel und einem verzweigten, blattförmigen Abschnitt, der, bei dieser und den verwandten Formen, wegen der Ähnlichkeit zu Farnwedeln (engl.: frond) als „frond“, übersetzt als „Wedel“, bezeichnet wird. Die Verankerungsscheibe war nach oben gewölbt und der Stängel biegsam. Der spitz zulaufende Wedel setzte sich aus einzelnen Segmenten zusammen. Zwei Wachstumsformen lassen sich unterscheiden: eine kurzstängelige mit flachem Wedel und eine langstängelige mit einem kleineren Wedel, der erst 50 Zentimeter oberhalb der Verankerungsscheibe ansetzte.

Biologische Affinität

Charniodiscus ähnelt zwar oberflächlich Seefedern (Pennatulacea, Cnidaria), ist aber sehr wahrscheinlich kein Kronengruppentier, wie der unterschiedliche Anwachsmodus neuer Wedelelemente nahelegt (Bei Pennatulacea erfolgt das Anwachsen von unten, wohingegen bei Charniodiscus das Anwachsen an der Wedelspitze stattfand).[6] Morphologische Ähnlichkeiten bestehen ebenfalls mit Thaumnaptilon walcotti aus der Burgess-Fauna aus dem mittleren Kambrium, bei dem aber Zooiden erhalten sein dürften.[7] Als alternative Affinitäten werden prokaryotische Koloniebildner,[8] angewachsene Vorfahren der Rippenquallen (Ctenophora),[9] wie beispielsweise Stromatoveris aus der Chengjiang-Faunengemeinschaft in China,[10] Fruchtkörper mariner Pilze[11] oder Vendobionta sensu Seilacher ins Feld geführt.[12] Trotz der Unsicherheiten in der stammesgeschichtlichen Zuordnung kann anhand der Strukturierung der Ökozönosen der Biota von Mistaken Point davon ausgegangen werden, dass Charniodiscus ein Suspensionsfiltrierer war, der mit seinem über den Meeresboden herausragenden Wedel Nahrung der umgebenden Wassersäule entzog.[5]

Habitat

Sedimentologische Studien in der Mistaken-Point-Formation in Neufundland zeigen, dass Charniodiscus im Tiefwasserbereich unterhalb der Sturmwellenbasis angesiedelt war.[13]

Taxonomie

Die Unterscheidung in einzelne Taxa erfolgt anhand der Anzahl der Einzelsegmente, ob ein distaler Stängel (Stachel) vorhanden ist oder nicht, und der morphometrischen Größen-Breiten-Relation (Englisch shape ratio). Von Charniodiscus bestehen folgende Taxa:

Mit mehr als 20 Primärästen:

  • Charniodiscus arboreus (Australien)
  • Charniodiscus concentricus
  • Charniodiscus longus
  • Charniodiscus oppositus

Mit weniger als 15 Primärästen:

  • Charniodiscus procerus (Neufundland)
  • Charniodiscus spinosus (Neufundland)

Alter

Charniodiscus tritt in Formationen mit einem Alter zwischen 565 und 555 Millionen Jahren BP auf.

Literatur

  • Laflamme, M., Narbonne, G. M. und Anderson, M. M.: Morphometric analysis of the Ediacaran frond Charniodiscus from the Mistaken Point Formation, Newfoundland. In: Journal of Paleontology. Band 78(5), 2004, S. 827–837.

Einzelnachweise

  1. Boynton, H. E. und Ford, T. D.: Ediacaran Fossils from the Precambrian (Charnian Supergroup) of Charnwood Forest, Leceistershire, England. In: Mercian-Geologist. Band 13, 1995, S. 165–182.
  2. Jenkins, R. J. F.: Aspects of the geological setting and palaeobiology of the Ediacara assemblage. Hrsg.: Davies, M. u. a., Natural History of the Flinders Ranges. Band 7. Royal Society of South Australia, Richmond, South Australia 1996.
  3. Fedonkin, M. A.: Skeleton-free fauna of the Vendian: morphological analysis. Hrsg.: Sokolov, B. S. E. und Ivanovskiy, A. B. Nauka, Moscow 1985.
  4. Narbonne, G. M. und Hofmann, H. J.: Ediacaran biota of the Wernecke Mountains, Yukon, Canada. In: Palaeontology. Band 30, S. 647–676.
  5. a b Clapham, M. E. u. a.: Paleo-ecology of the oldest-known animal communities: Ediacaran assemblages at Mistaken Point, Newfoundland. In: Paleobiology. Band 29, 2003, S. 527–544.
  6. Antcliffe, J. B. und Brasier, M. D.: Charnia and sea pens are poles apart. In: Journal of the Geological Society, London. Band 164, 2007, S. 49–51.
  7. Conway Morris, S.: Ediacaran-like fossils in Cambrian Burgess Shale-type faunas of North America. In: Palaeontology. Band 36, 1993, S. 593–635.
  8. Steiner, M. und Reitner, J.: Evidence of organic structures in Ediacara-type fossils and associated microbial mats. In: Geology. Band 29, 2001, S. 1119–1122.
  9. Dzik, J.: Possible ctenophoran affinities of the Precambrian seapen Rangea. In: Journal of Morphology. Band 252, 2002, S. 315–334.
  10. Shu, D.-G. u. a.: Lower Cambrian vendobionts from China and early diploblast evolution. In: Science. Band 312, 2006, S. 731–734.
  11. Peterson, K. J. B. u. a.: A fungal analog for Newfoundland Ediacaran fossils? In: Integrated and Comparative Biology. Band 43, 2003, S. 127–136.
  12. Buss, L. W. und Seilacher, A.: The Phylum Vendobionta: a sister group of the Eumetazoa? In: Paleobiology. Band 20, 1994, S. 1–4.
  13. Wood, D. A. u. a.: Paleoenvironmental analysis of the late Neoproterozoic Mistaken Point and Trepassey formations, southeastern Newfoundland. In: Canadian Journal of Earth Sciences. Band 40, 2003, S. 1375–1391.