Chitan

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Chitan (arabisch ختان, DMG

ḫitān

) oder Chatna (ختنة, DMG

ḫatna

) ist die arabische Bezeichnung für die religiöse und traditionelle Beschneidung im Islam. Der Islam ist die weltweit größte religiöse Gruppe, die die Zirkumzision durchführt, jedoch wird diese auch von anderen Religionen und Kulturen wie dem Judentum praktiziert. Vergleichbar, jedoch nicht identisch, ist die von den Juden praktizierte Brit Mila. Die Beschneidung wird im Koran nicht explizit erwähnt, gilt jedoch als eine sogenannte Sunna und wird in den Hadithen (gewohnte Handlungsweise, Brauch, überlieferte Norm) erwähnt und ist somit eine „nachzuahmende Tradition“ der abrahamitischen Propheten, welche es zu befolgen gilt. Grund dafür ist die Tatsache, dass diese Propheten allesamt, mit Ausnahme des Propheten Mohammed, Juden waren und nach jüdischem Brauch der Brit Mila unterzogen wurden. Laut Überlieferung kam der Prophet Mohammed ohne oder mit einer sehr kurzen Vorhaut zur Welt, oder wurde von seinem Großvater ʿAbd al-Muttalib ibn Hāschim, nach alter arabischer Tradition beschnitten, wie es bereits im vorislamischen Arabien üblich war.

Eine in Zentralasien (möglicherweise in Turkestan) durchgeführte Beschneidung (zirka 1865–1872)

Rechtslage im Islam

Die islamischen Rechtsschulen (Madhhab) und ihre diesbezügliche Auffassung:

Die Hanafiten und Malikiten sehen die Entfernung der Vorhaut des Mannes als einen über das Pflichtmaß hinausgehenden Akt der Gottesverehrung an, mit der Begründung, dass es eine Sunna ist.

Die Schāfiʿiten und Hanbaliten sehen in der Beschneidung eine absolute religiöse Pflicht (Fard).

Im schiitischen Islam:

Die Schiiten betrachten die Beschneidung ebenfalls als eine religiöse Pflicht (wāǧib; farḍ), die Dawudi Bohras allerdings auch die "Chatna" (vgl. Chitan; zu: chatana, schneiden) aller (sieben Jahre alten) Mädchen.

  • Des Weiteren wird dieser Brauch bei folgenden religiösen Minderheiten durchgeführt: Aleviten, Jesiden und Drusen.

Dementsprechend müssen männliche Konvertiten zum Islam diesem Brauch folgen. Ist man allerdings bereits beschnitten, muss man sich – anders als im orthodoxen Judentum, nicht einer symbolischen zweiten Beschneidung („Tippat Dam“, „Hatafat Dam“) unterziehen. Im Gegensatz zur jüdischen Tradition, wo die Beschneidung ein Bund zwischen Gott und den Menschen ist, wird sie im Islam als ein Teil der Sunna des Propheten Mohammed verstanden, der symbolisch die Zugehörigkeit zum Islam ausdrückt.

Geschichte

Laut islamischer Tradition war der Stammvater Ibrāhīm (Abraham) der erste, der den Beschneidungsauftrag von Gott vernahm und diesen im hohen Alter von 80 Jahren vollzog. Es folgte eine Reihe weiterer Propheten, die dieser Anordnung folgten, unter anderem:

Zur Zeit des Propheten Mohammed wurden Beschneidungen von den meisten arabischen Stämmen praktiziert, einschließlich heidnischer Araber. Nach der Tradition wurde der Prophet Mohammed gefragt, ob ein unbeschnittener Mann die Wallfahrt nach Mekka (Haddsch) antreten könne. Die Antwort darauf lautete: „Nicht so lange er nicht beschnitten ist“. Bekräftigt wird dies von Ibn Qudāma al-Maqdisī in al-Mughni (1/115), wo überliefert wurde, dass es keine Haddsch und kein gültiges Gebet für unbeschnittene Männer gäbe. ʿAlī ibn Abī Tālib wird mit den Worten zitiert: „Wenn ein Mann Muslim wird, muss er sich der Beschneidung unterziehen, sogar wenn er 80 Jahre alt ist“. Während früher Beschneider ohne medizinische Ausbildung oder Barbiere diese Tätigkeit übernahmen, werden in der heutigen Zeit Beschneidungen in Form von Operationen immer häufiger von Ärzten mit örtlicher Betäubung durchgeführt.

Überlieferungen

„Abraham war in der Tat ein Vorbild an Tugend, gehorsam gegen Allah, aufrecht und er gehörte nicht zu den Götzendienern“ (Koran, 16:120)[1]

„Abraham wurde im Alter von 80 Jahren beschnitten.“ (Sahīh al-Buchārī, Band 4, Buch 55, Nummer 575)[2]

„Abū Huraira, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtete: Der Prophet, Allahs Segen und Heil auf ihm, sagte: Zur Fitra (natürlichen Veranlagung) gehören fünf Dinge: Die Beschneidung (der Männer/Jungen), das Abrasieren der Schamhaare, das Schneiden der (Finger- und Fuß-) Nägel, das Auszupfen (bzw. Rasieren) der Achselhaare und das Kurzschneiden des Schnurrbarts.“ (Sahīh Muslim, Buch 2, Nummer 495, 496)[3]

Laut Überlieferung bekräftigt Ibn Qudāma al-Maqdisī in al-Mughni, dass es keine Haddsch und kein gültiges Gebet für unbeschnitte Männer gibt. (Ibn Qudāma al-Maqdisī in al-Mughni (1/115))

Brauchtum und Praxis

Es gibt keine Vorschrift, ob der durchzuführende Operateur selbst ein Muslim sein muss oder nicht, genauso darf eine Zirkumzision auch von Frauen durchgeführt werden (dies ist in Ländern wie in Malaysia und Indonesien keine Seltenheit). Der Zeitpunkt, wann beschnitten wird, ist abhängig von Region und Kultur und variiert stark. Während in der Türkei oft im Kindesalter (4–12 Jahre) beschnitten wird, werden Jungen in arabischen Staaten oft kurz nach der Geburt beschnitten. Allgemein gilt, dass der Junge ab dem siebten Lebenstag bis spätestens zum Eintritt in die Pubertät beschnitten sein muss. In welchem Stil beschnitten wird, ist ebenfalls nicht vorgeschrieben, zumeist werden die Stile „high and tight“ und „low and tight“ angewendet.

Orient

Kinder mit türkischem Beschneidungskostüm bei einer Beschneidungsfeier in Skopje, Nordmazedonien

In der Türkei wird zu diesem Anlass meist groß gefeiert, dies wird auch häufig als „Hochzeitsfeier“ betitelt. Aufwändig hergestellte Beschneidungskostüme (Sünnet Kıyafetleri) werden meist mit Hemden, Stoffhosen und bestickten Westen getragen. Zudem können je nach Wunsch noch Kopfbedeckungen, Krawatten und lange Umhänge hinzukommen. Ein Zepter oder ein Dolch symbolisiert, dass der Junge an diesem Tag als Prinz gefeiert wird. Ähnlich können solche Feiern im Maghreb zelebriert werden.

Ostasien

Eine traditionelle Beschneidungsfeier (Sunat) eines Knaben. Niederländisch-Indien (heute Indonesien, zirka 1915–1918).

In einigen Ländern Südostasiens wie zum Beispiel in Indonesien, Malaysia und auf den Philippinen ist es durchaus üblich, die Beschneidungszeremonie als Massenereignis zu begehen. Es ist keine Seltenheit, dass mehrere Jungen zur selben Zeit in einer großen Halle beschnitten werden. Die Philippinen gehören mit Südkorea zu Staaten in Südostasien bzw. Ostasien mit geringem Anteil an Muslimen, die jedoch eine Beschneidungsrate von über 80 – 90 % aufweisen. Auf den Philippinen wird dies als Pagtutuli oder Tuli bezeichnet. Obwohl die überwiegende Mehrheit der Philippiner römisch-katholische Christen sind, werden grundsätzlich alle Jungen (egal welcher Religionszugehörigkeit) beschnitten. Meist erfolgt dies im Schulalter (während der Sommerferien) zwischen 6 und 10 Jahren. Historiker nehmen an, dass die Praxis der Beschneidung auf den Philippinen auf den Islam zurückzuführen ist. Der Islam erreichte die südlichen Regionen der Philippinen ab Ende des 14. Jahrhunderts und breitete sich bis zum 16. Jahrhundert auf den ganzen Archipel aus.

Techniken und Methoden

Es herrscht eine Vielzahl an verschiedenen Methoden vor, mit der man diese Operation durchführen kann. Beispiele hierfür sind die Freihandtechnik, die Verwendung von Klemmen wie der Mogan-Klemme oder Gomco-Klemme wie auch die Zangentechnik, weiters die Plastibell-Methode (eine Art Glocke aus Plastik wird über die Eichel geschoben, die darüber liegende Vorhaut wird mit einem Faden abgetrennt). Ebenfalls kann die Vorhaut mit Laser entfernt werden.

Andere Bezeichnungen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Biene (An-Nahl). Koran auf Deutsch online. Abgerufen am 8. Februar 2019.
  2. SAHIH BUKHARI (englisch) SAHIH BUKHARI. Abgerufen am 8. Februar 2019.
  3. Beschneidung. theology.de – CFS Consulting For Success GmbH. Abgerufen am 8. Februar 2019.