Chronischer refraktärer Husten

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Klassifikation nach ICD-10
J44 Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit
R5 Husten
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Chronischer refraktärer Husten, auch CRC (für chronic refractory cough) wird derjenige unbeeinflussbare Husten genannt, an dem Patienten weiterhin leiden – trotz einer sorgfältigen Diagnostik und konsequenten Behandlung möglicher Ursachen. Ein ungeklärter Husten besteht, wenn definitiv keine Ursache für einen Husten gefunden wird. Als refraktär wird ein Husten bezeichnet, wenn die Behandlung einer Hustenursache keine Besserung gebracht hat.

Anhaltender Husten beeinträchtigt die Lebensqualität enorm. Patienten stehen unter großem Leidensdruck, denn er kann Konzert- und Theaterbesuche verhindern, Stressinkontinenz oder auch Kopfschmerzen verursachen. Er stört Konferenzen oder Besprechungen und häufig auch den Schlaf. Früher wurde bei einem refraktären Husten häufig eine psychische Ursache diskutiert. Heute wird eher ein Hypersensitivitätssyndrom mit einer peripheren und zentralen Sensibilisierung analog zu einem chronischen Schmerzsyndrom angenommen.[1][2]

Begriffsklärungen

Von einem chronischen Husten spricht man, wenn der Husten über mehr als acht Wochen anhält.[3] Man unterscheidet nach Abklärung der zugrunde liegenden Ursache in zwei unterschiedliche Typen:

  • chronisch refraktärer Husten, wenn der Husten trotz adäquater Therapie der Grunderkrankung fortbesteht.
  • chronisch idiopathischer Husten, wenn ein diagnostischer Ausschluss möglicher Ursachen erfolgte (Ausschluss-Diagnose).

Abklärung des chronischen Hustens

Die symptombezogene Anamnese und körperliche Untersuchung sind sehr bedeutsam für die Abklärung eines ungeklärten Hustens. Bei den meisten Patienten ermöglichen sie eine erste diagnostische Einordnung.

Mögliche Grunderkrankungen beim chronisch refraktären Husten sind: Rhinosinusitis (Upper Airway Cough Syndrom), Gastroösophageale Refluxerkrankung (GERD), Asthma, Allergie und/oder COPD.

Als Diagnostik zur Abklärung möglicher Grunderkrankungen kommen in Betracht: Lungenfunktionsprüfung, Thorax-Röntgen, HNO-Untersuchung, Elektrokardiogramm, Neurologie, Medikamente als Ursache (z. B. ACE-Hemmer; eine häufige unerwünschte Nebenwirkung), Diagnostik auf gastroösophageale Refluxerkrankung, ggf. Thorax CT und/oder Bronchoskopie.

Da zu den gängigen Abklärungsuntersuchungen probatorische, d. h. versuchsweise Therapien, gehören, ist eine klare Trennung oftmals schwierig.

Probatorische Therapien

Bronchiale Hyperreagibilität

Die bronchiale Hyperreagibilität ist durch einen – oft auf einen Atemwegsinfekt folgenden – trockenen und quälenden Dauerhusten gekennzeichnet; im Gegensatz zu einem Asthma bestehen jedoch keine Atemnotsanfälle, und es findet sich eine normale Lungenfunktion. Ein inhalatives Kortikosteroid kann schon in der ersten Woche zu einer Besserung führen und ist halbwegs nebenwirkungsarm. Wenn sich der Husten aber nach vier bis sechs Wochen unter dieser probatorischen Therapie nicht verbessert, ist eine bronchiale Hyperreagibilität eher unwahrscheinlich, und es muss eine weitere Abklärung erfolgen.

Refluxösophagitis

Eine Refluxösophagitis (gastroösophagealer Reflux) kann mit einer Gastroskopie oder einer 24-Stunden-pH-Wert-Messung nachgewiesen werden. Der Nachweis, dass der gastroösophageale Reflux auch die Ursache des Hustens ist, kann aber mit keiner technischen Untersuchung erbracht werden. Daher wird bei bekanntem Reflux und Husten eine probatorische Therapie mit einem Protonenpumpenhemmer durchgeführt. Hier kann die doppelte Standarddosierung – über zwei bis drei Monate – erforderlich sein.

Rhinitis und/oder Sinusitis

Bei Symptomen einer Rhinitis oder Sinusitis besteht möglicherweise ein Upper Airway Cough Syndrome (UACS). Das UACS umfasst alle Erkrankungen der oberen Atemwege, die Husten verursachen: die chronische Sinusitis, die chronische (allergische) Rhinitis und nasale Polypen. Sekrete und Entzündungsreize aus dem Nasenrachenraum sind dann die Trigger eines chronischen Hustens. Bei differenzialdiagnostischer Unsicherheit ist eine CT- bzw. MRT-Untersuchung der Nasennebenhöhlen der Goldstandard. Eine probatorische Therapie mit oralen Antihistaminika ist möglich, abschwellende Nasentropfen oder -sprays können alternativ zum Einsatz kommen. Da diese aber nicht länger als sieben Tage eingesetzt werden sollen, sind sie therapeutisch nur begrenzt hilfreich. Bei Verdacht auf eine chronische Sinusitis sollte ein kortikosteroidhaltiges Nasenspray verordnet werden.

Nichtmedikamentöse Behandlungen

Als nichtmedikamentöse Therapieansätze wurden physiotherapeutische und logopädische Behandlungskonzepte untersucht, die den vermehrten Hustenreiz reduzieren sollen.

Medikamentöse Behandlungen

Diverse Substanzen, wie z. B. Gabapentin[4], Pregabalin[5], Morphin[6] und Amitriptylin[7], wurden in randomisierten Studien untersucht. Zu Baclofen[8] und Ipratropiumbromid[9] existieren Fallberichte. Doch eine Zulassung in dieser Indikation existiert für keines der Präparate. Für die Anwendung bedeutet dies Off-Label-Use (Verordnung ohne Zulassung).

Adenosintriphosphat kann zu einer Hypersensibilität der Atemwege und dadurch zu einem chronischen Husten führen. Ein Subtyp des ATP-Rezeptors könnte ein Angriffspunkt sein, um den Hustenreflex zu blockieren: P2X-Rezeptor. Ein erster Arzneistoff, Gefapixant (MK-7264), von Merck Sharp & Dohme Corp. (MSD) wirkt als P2X3-Rezeptor-Antagonist und wird derzeit im Rahmen von klinischen Studien (Phase III) zur Behandlung von chronischem refraktären Husten untersucht.[10] Das Medikament ist noch nicht zugelassen. Ein zweiter Wirkstoff aus dieser Klasse, Eliapixant von Bayer verringerte signifikant die Hustenhäufigkeit in einer klinischen Studie (Phase-IIb-Studie) bei Patienten mit refraktärem chronischem Husten.[11]

Leitlinien

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Chung KF et al.: Chronic 'cough hypersensitivity syndrome': a more precise label for chronic cough. In: Pulm Pharmacol Ther. Band 24, Nr. 3, Juni 2011, S. 267–271., doi:10.1016/j.pupt.2011.01.012.
  2. Peter G Gibson et al.: Management of chronic refractory cough. In: BMJ. 351:h5590, 14. Dezember 2015, doi:10.1136/bmj.h5590.
  3. Leitlinie - Chronischer Husten, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), abgerufen am 18. April 2019
  4. Ryan NM, Birring SS, Gibson PG: Gabapentin for refractory chronic cough: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2012; 380: 1583-1589.
  5. Vertigan AE, Kapela SL, Ryan NM et al.: Pregabalin and speech pathology combination therapy for refractory chronic cough: a randomized controlled trial. Chest 2016; 149: 639-648.
  6. Morice AH, Menon MS, Mulrennan SA et al.: Opiate therapy in chronic cough. Am J Respir Crit Care Med 2007; 175: 312-315.
  7. Jeyakumar A, Brickman TM, Haben M: Effectiveness of amitriptyline versus cough suppressants in the treatment of chronic cough resulting from postviral vagal neuropathy. Laryngoscope 2006; 116: 2108-2112.
  8. Dicpinigaitis PV, Rauf K: Treatment of chronic, refractory cough with baclofen. Respiration 1998; 65: 86-88.
  9. Holmes PW, Barter CE, Pierce RJ: Chronic persistent cough: use of ipratropium bromide in undiagnosed cases following upper respiratory tract infection. Respir Med 1992; 86: 425-429.
  10. ClinicalTrials.gov: Phase 3 Study of Gefapixant (MK-7264) in Adult Participants With Chronic Cough (MK-7264-027), abgerufen 18. April 2019.
  11. Eliapixant von Bayer verringerte signifikant die Hustenhäufigkeit in Phase-IIb-Studie bei Patienten mit refraktärem chronischem Husten, PM Bayer vom 6. September 2021, abgerufen am 10. September 2021
  12. P. Kardos, Q. T. Dinh, K.-H. Fuchs, A. Gillissen, L. Klimek, M. Koehler, H. Sitter, H. Worth: Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten In: Pneumologie Band 73, Nummer 3, 2019, S. 143-180, doi:10.1055/a-0808-7409, abgerufen am 4. April 2019