Chronophilie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Chronophilie (gr. χρόνος chrónos „Zeit“, φίλος philos „Freund“) ist eine ausschließliche oder überwiegende sexuelle Vorliebe für Liebespartner einer bestimmten Altersgruppe.[1] Die Chronophilie ist ein Sammelbegriff für verschiedene, teilweise streng verbotene, teilweise gesellschaftlich jedoch weitgehend tolerierte sexuelle Präferenzen und Devianzen.

Präferenzen für Kinder

Als Pädophilie wird die sexuelle Präferenz für vorpubertäre Kinder bezeichnet. Für die sehr selten anzutreffende[2] Vorliebe für Säuglinge oder Kleinkinder bis zum Alter von etwa drei Jahren[3] werden gelegentlich auch die Bezeichnungen Nepiophilie oder Infantophilie verwendet.

Präferenzen für Jugendliche

Für Sexualpräferenzen für Jugendliche wurden im Verlauf des 20. Jahrhunderts mehrere Begriffe geprägt,[4] im nordamerikanischen Raum hat sich in den letzten Jahren eine Unterteilung in Hebephilie als Präferenz für pubertäre Jungen und Mädchen sowie Ephebophilie als Neigung zu älteren Jugendlichen durchgesetzt.[5][6] Die angegebenen Altersspannen für die beiden Begriffe variieren teilweise jedoch erheblich. Im deutschsprachigen Raum wird der Begriff Ephebophilie nicht für beide Geschlechter verwendet, sondern beschreibt speziell ein Interesse an männlichen Jugendlichen. Die entsprechende Präferenz für Mädchen wird als Parthenophilie bezeichnet.[7]

Präferenzen für Erwachsene

Als Teleiophilie (gr. τέλειος téleios „erwachsen“[8] φίλος philos „Freund“) wird die sexuelle Präferenz für erwachsene Menschen bezeichnet. Es wird angenommen, dass der Begriff vom kanadischen Sexualforscher Ray Blanchard geprägt wurde,[9][10] der ihn in einer Veröffentlichung im Jahr 2000 verwendet hat.[11] Bei der Teleiophilie handelt es sich um die am weitesten verbreitete Chronophilie.[12][2]

Der Begriff beschreibt die überwiegende oder ausschließliche sexuelle Ansprechbarkeit auf Menschen, deren körperliche Entwicklung abgeschlossen ist.[12] Die begehrten Sexualpartner haben demnach das Tanner-Stadium V erreicht,[7] einige Autoren geben für die Definition ein Mindestalter von 17,[13] 18, 19 oder 20 Jahren an.[14][5] Die Neigung lässt sich von der Gerontophilie abgrenzen,[15] gelegentlich wird in diesem Zusammenhang eine obere Altersgrenze von 45 Jahren gesetzt.[13] Werden erwachsene Frauen begehrt, so wird auch von Gynäphilie gesprochen,[16] die Präferenz für erwachsene Männer kann auch als Androphilie bezeichnet werden.[12]

Speziell auf die Erforschung einer teleiophilen Neigung ausgerichtete Studien werden kaum durchgeführt,[15] der Begriff wird in sexualwissenschaftlichen Publikationen nahezu ausschließlich zur Unterscheidung von anderen Sexualpräferenzen verwendet. Weiterhin wird er benutzt, um ein sexuelles Interesse pubertierender Jugendlicher an Erwachsenen zu beschreiben, in diesem Zusammenhang prägte der niederländische Anthropologe Diederik Janssen den Ausdruck peripubertäre Teleiophilie.[17][18]

Darüber hinaus wird die sexuelle Präferenz für ältere Menschen als Gerontophilie bezeichnet. Magnus Hirschfeld verwendete den Begriff Gerontophilie zur Bezeichnung eines sexuellen Interesses speziell an älteren Männern, wohingegen er die Präferenz für Greisinnen als Graophilie bezeichnete.[19] Anfang des 20. Jahrhunderts wurde für eine Neigung zu älteren Personen auch der Begriff Presbyophilie benutzt.[15]

Literatur

  • Ray Blanchard, Michael E. Kuban u. a.: Sexual Attraction to Others: A Comparison of Two Models of Alloerotic Responding in Men. In: Archives of Sexual Behavior. 41, 2012, S. 13, doi:10.1007/s10508-010-9675-3
  • D. F. Janssen: Chronophilia: Entries of Erotic Age Preference into Descriptive Psychopathology. In: Medical history. Band 59, Nummer 4, Oktober 2015, S. 575–598, PMID 26352305, PMC 4595948 (freier Volltext)
  • Michael C. Seto: The Puzzle of Male Chronophilias. In: Archives of Sexual Behavior., doi:10.1007/s10508-016-0799-y

Einzelnachweise

  1. Helen Gavin: Criminological and Forensic Psychology. SAGE, 2013, ISBN 978-1-4462-9353-9 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. a b Michael C. Seto: Pedophilia and Sexual Offending Against Children. American Psychological Association, 2008, ISBN 978-1-4338-0114-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Adrian Powell: Paedophiles, Child Abuse and the Internet. Radcliffe Publishing, 2007, ISBN 978-1-85775-774-3, S. 7 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. K. Franklin: Hebephilia: quintessence of diagnostic pretextuality. In: Behavioral sciences & the law. Band 28, Nummer 6, 2010 Nov-Dec, S. 751–768, doi:10.1002/bsl.934.
  5. a b Ray Blanchard, Amy D. Lykins, Diane Wherrett, Michael E. Kuban, James M. Cantor, Thomas Blak, Robert Dickey, Philip E. Klassen: Pedophilia, Hebephilia, and the DSM-V. In: Archives of Sexual Behavior. 38, 2009, S. 335, doi:10.1007/s10508-008-9399-9.
  6. Patrick Singy: Hebephilia: A Postmortem Dissection. In: Archives of Sexual Behavior. , doi:10.1007/s10508-015-0542-0.
  7. a b K. M. Beier, T. Amelung u. a.: Hebephilie als sexuelle Störung (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kein-taeter-werden.de. (PDF; 314 kB) In: Fortschritte der Neurologie-Psychiatrie. Band 81, Nummer 3, März 2013, S. 128–137, doi:10.1055/s-0032-1330539.
  8. Der Gebrauch von teleios und verwandten Wörtern im Neuen Testament
  9. Michael C. Seto: Is Pedophilia a Sexual Orientation?. In: Archives of Sexual Behavior. 41, 2012, S. 231, doi:10.1007/s10508-011-9882-6.
  10. Anil Aggrawal: Forensic and Medico-legal Aspects of Sexual Crimes and Unusual Sexual Practices. CRC Press, 22. Dezember 2008, ISBN 978-1-4200-4309-9, S. 45.
  11. Ray Blanchard, Howard E. Barbaree, Anthony F. Bogaert, Robert Dickey, Philip Klassen, Michael E. Kuban, Kenneth J. Zucker: Fraternal Birth Order and Sexual Orientation in Pedophiles In: Archives of Sexual Behavior. 29, S. 463, doi:10.1023/A:1001943719964.
  12. a b c Christoph J. Ahlers: Paraphilie und Persönlichkeit. Dissertation, Medizinische Fakultät, Universitätsklinikum Charité Berlin
  13. a b Paul H. Blaney, Theodore Millon: Oxford Textbook of Psychopathology. Oxford University Press, 21. Oktober 2008, ISBN 978-0-19-970582-5, S. 1617.
  14. B. Rind, R. Yuill: Hebephilia as Mental Disorder? A Historical, Cross-Cultural, Sociological, Cross-Species, Non-Clinical Empirical, and Evolutionary Review. In: Archives of Sexual Behavior. 41, 2012, S. 797–829, doi:10.1007/s10508-012-9982-y.
  15. a b c D.F. Janssen: “Gerontophilia”: A Forensic Archaism. In: Sexual Offender Treatment. 9, Nr. 1, 2014, ISSN 1862-2941.
  16. A. D. Lykins, J. M. Cantor u. a.: Sexual Arousal to Female Children in Gynephilic Men. In: Sexual Abuse: A Journal of Research and Treatment. 22, 2010, S. 279, doi:10.1177/1079063210372141.
  17. D. F. Janssen: Growing Up Sexually, Band II: The Sexual Curriculum: The Manufacture and Performance of Pre-Adult Sexualities. Interim Report. Amsterdam 2002.
  18. List of Terms That Might Cause Ambiguous or Inconclusive Reading
  19. Magnus Hirschfeld: Die Homosexualität des Mannes und des Weibes. Verlag Louis Marcus, Berlin 1914.

Siehe auch