Chulʿ
) bezeichnet in der islamischen Rechtswissenschaft den Selbstloskauf der Frau aus der Ehe durch Rückerstattung der Brautgabe oder eines Teils davon. Der Chulʿ wird von seinen rechtlichen Folgen her der unwiderruflichen Scheidung und Verstoßung gleichgestellt.
Als Rechtsinstitut stützt sich der Chulʿ auf den Koran (Sure 2 al-Baqara Vers 229), der festlegt, dass die Ehefrau eine Möglichkeit haben soll, sich loszukaufen, falls die Übertretung eines göttlichen Gebots zu befürchten ist. Nach der Prophetenüberlieferung wurde damit der erste Teil des Verses, der Männern verbietet, bei Verstoßung ihrer Ehefrau etwas von ihrem Vermögen einzubehalten, um eine Ausnahme ergänzt. Anlass dafür soll der Fall der Ehefrau des Prophetengefährten Thābit ibn Qais gewesen sein. Sie kam zum Propheten Mohammed mit den Worten: „Bei Gott, ich habe nichts an Thābit hinsichtlich Religion (dīn) oder Charakter (ḫuluq) auszusetzen, aber ich halte ihn nicht aus vor Hass (lā uṭīqu-hū buġḍan).“ Der Prophet fragte sie, ob sie bereit sei, die vom Ehemann erhaltenen Dattelgaben zurückzugeben. Sie bejahte dies, woraufhin Mohammed Thābit aufforderte, den Garten zurückzunehmen, nicht aber mehr zu verlangen.[1]
Der Chulʿ spielt eine wichtige Rolle in den modernen Gesetzen zur Reform des islamischen Eherechts. In Ägypten wurde im Jahr 2000 Ehefrauen durch eine Familienrechtsreform ermöglicht, im Rahmen des Chulʿ selbständig und gegen den Willen des Ehemannes die Scheidung zu betreiben, ohne dass dafür Gründe, die ausschließlich in der Sphäre des Ehemannes liegen, nachweisbar sind.[2]
Literatur
- Mathias Rohe: Das islamische Recht. Geschichte und Gegenwart. 2. Auflage. München 2009, S. 222–226.
- Corinne Fortier: Le droit au divorce des femmes (khul') en islam: Pratiques différentielle en Mauritanie et en Egypte. In Droit et Cultures. Band 56, Nr. 1, 2010, S. 59–86 (französisch).
Einzelnachweise
- ↑ Ibn al-Dschauzī: Zād al-masīr fī ʿilm at-tafsīr. (Korankommentar zu Vers 2:229).
- ↑ Mathias Rohe: Das islamische Recht. Geschichte und Gegenwart. 2. Auflage. München 2009, S. 222.