Clemens Fuest

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Clemens Fuest (2012)

Clemens Fuest [fu:st] (* 23. August 1968 in Münster) ist ein deutscher Ökonom. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Präsident des ifo Instituts, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen und Lobbyist[1][2][3].

Leben

Nach dem Abitur am Gymnasium Antonianum Geseke studierte Fuest als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes[4] Volkswirtschaftslehre an der Universität Bochum und der Universität Mannheim und schloss dort 1991 mit dem Diplom ab. 1994 wurde er an der Universität zu Köln promoviert, 2000 habilitierte er sich an der Universität München. Von 2001 bis 2008 hatte er eine Professur für Wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Universität zu Köln inne. Danach[2] war er Professor für Unternehmensbesteuerung an der Universität Oxford[5], Forschungsdirektor des dortigen Centre for Business Taxation[6] und geschäftsführender Direktor des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln ('FiFo').[7] Von 2013 bis April 2016 war er Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und Professor an der Universität Mannheim.[8]

Forschungsschwerpunkte Fuests sind Wirtschafts- und Finanzpolitik, internationale Besteuerung, Steuerpolitik und Unternehmensfinanzierung, Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik und Kommunalfinanzen. Das Handelsblatt zählte Fuest 2006 in einem Ranking der forschungsstärksten jüngeren Ökonomen im deutschsprachigen Raum zu den Top 10.[9]

Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen und war dessen Vorsitzender von 2007 bis 2010, Research Fellow des CESifo und des IZA (Institut zur Zukunft der Arbeit). Außerdem war er von 2004 bis Oktober 2008 und ist erneut seit 2013 Mitglied des Kronberger Kreises.[10]

Fuest wurde am 11. Juni 2015 zum Präsidenten des ifo-Instituts ausgewählt und trat dieses Amt am 1. April 2016 an als Nachfolger von Hans-Werner Sinn.[11] Er übernahm zum April 2016 zudem den Lehrstuhl für Nationalökonomie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und ist dort Direktor des Center for Economic Studies.[12] 2016 wird er in der Rangliste der einflussreichsten Ökonomen in Deutschland in den TOP 10 geführt.[13] 2019 belegte er dort den zweiten Platz.[14]

Das Karlsruher Institut für Technologie hat Fuest 2017 die Ehrendoktorwürde für seine Verdienste im Fach Finanzwissenschaft verliehen.[15]

Positionen

Fuest steht nach eigenen Angaben für ordoliberale Positionen. Er sah 2010 in Steuererhöhungen kein Mittel zur Sanierung des Staatshaushaltes,[2] lediglich eine Umsatzsteuererhöhung als ultima ratio unterstützt Fuest, da sie alle belaste.[2] Der Staat habe eher ein Ausgaben- als ein Einnahmeproblem. Eine Finanztransaktionssteuer lehnte er ab, Studiengebühren befürwortete er,[2] weil überproportional Kinder aus Oberschicht- und bürgerlichen Familien die Hochschulen bevölkern. Dänemark sei ein Beispiel für einen aktivierenden Sozialstaat. In Deutschland müssten für Eltern aus sozial benachteiligten Familien vermehrt Krippen- und Kindergartenplätze geschaffen werden, da Grundlagen für höhere Bildung schon sehr früh gelegt würden. An den Universitäten könnten in erheblichem Umfang Effizienzreserven gehoben werden.

Fuest äußerte im Februar 2016 die Befürchtung, die Flüchtlingskrise in Deutschland könne zu einer Zwei-Klassen-Bildung führen („Wir müssen aufpassen, dass wir unsere bewährten Ausbildungssysteme nicht mit einer Ausbildung Light unterminieren“). Deutschland brauche Zuwanderung: „Jeder, der qualifiziert ist, jeder, der einen Ausbildungsplatz annimmt und behält, jeder, der in der Schule Fortschritte macht, sollte das Angebot erhalten, hier zu bleiben, selbst wenn er kein Asylrecht bekommt.“ Fuest sprach sich dafür aus, die Einwanderung stärker zu begrenzen. „Auf Dauer kann man entweder einen Sozialstaat haben oder ungesteuerte Zuwanderung, mit Sicherheit aber nicht beides“.[16]

Angesichts der COVID-19-Pandemie in Deutschland schlug Fuest im Oktober 2020 vor, stärker die steuerliche Verlustverrechnung als Rettungsinstrument für Unternehmen nutzen. Dies sei zielgenau und kostengünstig. Durch eine vorgezogene Verrechnung prognostizierter Verluste aus dem Jahr 2020 mit Gewinnen aus dem Jahr 2019 könnte und würde die Erstattung früher erfolgen. Die Möglichkeiten der steuerlichen Verlustverrechnung wurden bereits mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz Ende Juni erweitert; unter anderem wurde der steuerliche Verlustrücktrag für die Jahre 2020 und 2021 auf fünf Millionen Euro (zehn Millionen Euro bei Zusammenveranlagung) angehoben. Zudem wurde ein Mechanismus eingeführt, um bereits mit der Steuererklärung 2019 den Verlustrücktrag für 2020 unmittelbar finanzwirksam zu nutzen. Fuest schlug eine deutliche Anhebung der Obergrenze vor. Das würde gezielt auch größere Unternehmen entlasten, die vor der Krise ihre Gewinne in Deutschland versteuert haben. Wer vor der Krise Verluste machte oder Gewinne im Ausland versteuerte, könnte den Rücktrag nicht nutzen.[17]

Fuest stellte im Januar 2021 zusammen mit zwölf Wissenschaftlern aus verschiedenen Fachbereichen ein „No Covid“-Strategiepapier vor. Die „No Covid“-Initiative fordert keine grundsätzlichen Betriebsschließungen, sondern u. a. eine FFP2-Maskenpflicht, mehr Tests, verbesserte Infektionsschutzmaßnahmen sowie mehr Homeoffice.[18][19] In einem Interview mit der taz[20] wehrte sich Fuest gegen das Missverständnis, er sei bereit, Maßnahmen zuzustimmen, denen zufolge für eine kurze Zeit die gesamte Wirtschaft auf „Null“ heruntergefahren werden solle. Es sei nicht vertretbar, über eine Maximierung der Zahl der Home-Office-Plätze und eine Schließung derjenigen Betriebe hinauszugehen, denen bereits im Winter 2021 allenfalls unter strengen Auflagen eine Öffnung erlaubt sei.

Mitgliedschaften

Ehrungen

Veröffentlichungen

  • Clemens Fuest: Wie wir unsere Wirtschaft retten. Der Weg aus der Corona-Krise. Aufbau, Berlin 2020, ISBN 978-3-351-03866-3.

Weblinks

Fußnoten

  1. Prof. Dr. Clemens Fuest, Autor bei INSM - ÖkonomenBlog, Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). In: INSM - ÖkonomenBlog, Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Abgerufen am 20. Juni 2021 (deutsch).
  2. a b c d e inforadio, 2010: Zocker und Schuldenstaaten, Interview von Ingo Kahle (im Internet Archive). Der Inhalt ist wegen Depublizierung nicht mehr auf der Originalseite verfügbar; die Zusammenfassung und Bewertung der Inhalte basiert auf der Darstellung von Benutzer:Kreuzkölln
  3. Ernst & Young GmbH: Transparenzbericht Geschäftsjahr 2021. Abgerufen am 21. Februar 2022.
  4. Studienstiftung des deutschen Volkes: Jahresbericht 2017, S. 79.
  5. Brain Drain in der VWL: Clemens Fuest wechselt nach Oxford Handelsblatt, am 3. April 2008 (ohne JavaScript nicht lesbar)
  6. Homepage des Centre (Memento vom 11. Juli 2014 im Internet Archive)
  7. wiso.uni-koeln.de: Das FiFo
  8. Pressemitteilung des ZEW vom 27. Januar 2012
  9. Clemens Fuest: Forscher mit dem Mut zu klaren Worten. 15. Dezember 2006, abgerufen am 3. März 2013: „Dem 39-Jährigen kommt die Floskel "aus ordnungspolitischen Gründen abzulehnen" zum Beispiel nicht über die Lippen. "Wenn es eine wirtschaftspolitische Idee gibt, die gegen ordnungspolitische Grundsätze verstößt, aber positive Wirkungen hat, bin ich der Letzte, der sich dagegen ausspricht", sagt Fuest. "Schließlich wären auch 99 Prozent der Bevölkerung ordnungspolitische Bedenken in solch einem Fall ziemlich egal."“
  10. www.stiftung-marktwirtschaft.de: Pressemitteilung vom 19. Februar 2013 (PDF; 245 kB)
  11. Pressemitteilung von Focus Online, 2015
  12. Profil - Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft (Prof. Fuest) - LMU München. Abgerufen am 13. Januar 2019.
  13. F.A.Z.-Ökonomenranking - Deutschlands einflussreichste Ökonomen, abgerufen am 4. September 2016
  14. FAZ: Deutschlands einflussreichste Ökonomen. 2019, abgerufen am 16. September 2020.
  15. ifo-Präsident Clemens Fuest zum Ehrendoktor ernannt. In: marktforschung.de. 12. Januar 2017, abgerufen am 13. Januar 2019.
  16. Ökonom Clemens Fuest warnt vor "Ausbildung light" wegen Flüchtlingskrise, FOCUS, 22. Feb.2016
  17. zeit.de 25. Oktober 2020: (Meldung von 15:40 Uhr)
  18. Jakob Simmank, Corinna Schöps, Sven Stockrahm: Ohne das Virus leben ist das Ziel. In: zeit.de. 20. Januar 2021, abgerufen am 25. Januar 2021.
  19. Niklas Keller: Mithilfe von grünen Zonen aus der Corona-Krise: „Wir wollen, dass ein Ruck durch die Gesellschaft geht“. Universität Hamburg, 20. Januar 2021, abgerufen am 25. Januar 2021.
  20. Felix Lee: Interview mit Ifo-Chef Clemens Fuest: „Wir können uns das noch leisten“. taz.de, 25. Januar 2021, abgerufen am 31. Januar 2021.
  21. CESifo-Gruppe München - Ausbildung und Tätigkeiten. Abgerufen am 13. Januar 2019.
  22. Transparenzbericht Geschäftsjahr 2017. Ernst & Young, abgerufen am 29. November 2017.
  23. Von Arabistik bis Neurologie: Bayerische Akademie der Wissenschaften wählt 20 neue Mitglieder. Bayerische Akademie der Wissenschaften, 22. März 2017, abgerufen am 11. April 2017.
  24. Pressemitteilung der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, 2011 (mit Lebenslauf)
  25. Das INSM-Wachstumsmanifest ist auf der Website der INSM abrufbar
  26. Wissenschaftlicher Beirat | Stiftung Familienunternehmen. Abgerufen am 23. Januar 2019.
  27. Gustav-Stolper-Preis, abgerufen am 11. September 2017.
  28. Verleihung der Hanns Martin Schleyer-Preise 2018 und 2019 am 6. Mai 2019, abgerufen am 4. Juni 2019.