Collegium Carolinum (Zürich)

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Das Collegium Carolinum in Zürich war eine 1525 gegründete philosophisch-theologische Hochschule und Vorläuferin der Universität Zürich sowie der Theologischen Fakultät der Universität Zürich.

Geschichte

Eine der Neuerungen der Reformation war der Eingriff in das Kirchengut, das seinen ursprünglichen Zwecken, dem Unterricht und der Armenfürsorge, zugeführt werden sollte. Die bisherigen Aufgaben der Kirche wurden nun Staatsaufgaben. Huldrych Zwingli plante für Zürich eine Bildungsreform, die angehende Pfarrer neben Latein in Hebräisch und Griechisch schulen sollte, weil das Wort Gottes nur durch Einbezug der urchristlichen Schriften rein verstanden werden könne. Als Vorbild diente ihm, das 1517 von Erasmus von Rotterdam in Löwen gegründete Collegium Trilingue.

Das humanistisch-reformatorische Programm in Zürich wurde institutionell durch die Reform des Chorherrenstifts am Grossmünster verwirklicht. Am 29. September 1523 wurden mit einem Ratsmandat die Stiftspfründen in theologisch-philologische Professuren umgewandelt. Die werktäglichen Vorlesungen (Lezgen, Lectiones) durch wohlgelehrte Männer sollten für Interessierte aus Stadt und Land unentgeltlich sein. Am 19. Juni 1525 nahm das neuartige Bildungsinstitut seine Tätigkeit als Lektorium für Theologie (Bibelschule) mit wissenschaftlichen Ansprüchen auf. Weil Zwingli das Auslegen der Bibel im Anschluss an 1 Kor 14 EU «Prophezeien» nannte, wurde die Zürcher Schule auch als «Prophezei» bekannt.

Ab 1559 wurde die Prophezei als Hohe Schule für Theologie eingestuft und trug fortan den Namen Schola Tigurina (Zürcher Schule). 1601 wurde die Schola Tigurina Teil des Collegiums Carolinum, das aus einer theologischen, philologischen und philosophischen Abteilung bestand. Der Name Carolinum bezog sich auf Karl den Grossen, den Stifter des Grossmünsters, das auch heute noch das Siegel der Universität Zürich ziert. Am Collegium wirkten unter anderem Johann Jakob Bodmer und der Philologe Johann Jakob Breitinger. Zu ihren Studenten zählte der Pfarrer und Philosoph Johann Caspar Lavater, der von 1756 bis 1762 Theologie, Philosophie und Philologie studierte, sowie Johann Heinrich Pestalozzi der Theologie und Jurisprudenz studierte.

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Siegel Uni Zürich mit Grossmünster

Das Zürcher Schulsystem, das mit dem theologischen Examen abschloss, bestand im 17. Jahrhundert aus folgenden Stufen:[1]

  • Deutsche Schule
  • Lateinschule am Grossmünster oder Fraumünster
  • Collegium humanitatis (Mittelstudium als zweiklassige Schule)
  • Collegium Carolinum (drei Klassen und fünf Jahreskurse; vor 1601 Lektorium)

Mit der Gründung der Universität Zürich wurde 1833 aus dem Collegium Carolinum die Theologische Fakultät. Die Schulakten des Collegium Carolinum befinden sich im Staatsarchiv des Kantons Zürich (E I 16.1.).

Bedeutung

Unter Zwinglis Nachfolger, Heinrich Bullinger, wurde aus der biblisch-exegetischen Arbeitsgemeinschaft 1559 unter dem Namen Schola Tigurina eine Hohe Schule, ein Prototyp für alle späteren reformierten Akademien der Eidgenossenschaft und sogar Europas.

Diese Reputation verdankte sie insbesondere ihren Leistungen auf den Gebieten der Bibelexegese und -Übersetzung sowie der Orientalistik und Sprachwissenschaft. Zwei Beispiele sind die erste evangelische Übersetzung der ganzen Bibel in deutscher Sprache von 1531 (Zürcher Bibel) sowie eine Reihe von über weite Teile Europas verbreiteten biblischen Kommentaren, die bereits das Anliegen moderner Bibelwissenschaft vorwegnahmen.

Bedeutende Hochschullehrer waren unter anderem Jakob Wiesendanger, dessen griechische Grammatik bis ins 18. Jahrhundert verwendet wurde; Konrad Pelikan, der die erste hebräische Grammatik als nichtjüdischer Christ schuf; Heinrich Bullinger, dessen Gesamtdarstellung des christlichen Glaubens (Dekaden) in dreissig Gesamtausgaben in mehreren Sprachen erschienen; Theodor Bibliander, der die erste kritische lateinische Ausgabe des Korans verfasste; Conrad Gessner, der eine monumentale Bibliotheca universalis anfertigte; Peter Martyr Vermigli, der Textbücher für Generationen von Theologen diesseits und jenseits des Atlantiks verfasste; Josias Simler, Autor eines über Jahrhunderte geltenden Standardwerks zur Schweizer Geschichte; Johann Wilhelm Stucki (1542–1607), Autor mehrerer Gelehrtenviten und eines Werks über die Kulturgeschichte der Antike, Kaspar Waser, Verfasser von Grammatiken des Hebräischen, des Chaldäischen und des Syrischen sowie Fortsetzer der Chronik von Johannes Stumpf sowie der Orientalist Johann Heinrich Hottinger. Eine Besonderheit stellen die nach dem Tod der Lehrstuhlinhaber lückenlos publizierten Biografien dar, die bis ins 18. Jahrhundert den Ruf der Zürcher Hohen Schule weiter bestärkten.

Die Schola Tigurina verlor gegen Ende des 16. Jahrhunderts ihre führende Stellung in Europa an Genf. Die Zürcher Theologen hatten jedoch zur Konsolidierung des reformierten Bekenntnisstandes mit der historisch-kritischen Bibelauslegung und der Bundestheologie massgeblich beigetragen. Die beiden Hochschulen standen auch im 17. Jahrhundert in engem Kontakt, unter anderem, indem begabte Knaben aus Zürich für ihr weiteres Studium zunächst an die Genfer Akademie geschickt wurden.[2]

Alle grossen Denker aus Zürich, welche im 17. und im 18. Jahrhundert in der europäischen Gelehrtenwelt berühmt wurden, waren Zöglinge des 1601 errichteten Collegium humanitatis sowie des Collegium Carolinum, also der Ausweitung der Schola Tigurina. Dazu gehörte auch der Gründervater der Zürcher Universität Johann Caspar von Orelli, der am Collegium Carolinum seit 1819 als Professor für Rhetorik und Hermeneutik tätig war.[3]

Bedeutende Professoren

Literatur

  • Johann Jacob Wirz: Historische Darstellung der urkundlichen Verordnungen: welche die Geschichte des Kirchen- und Schulwesens in Zürich wie auch die moralische und einiger Maßen die physische Wolfart unsers Volks betreffen. Zürich 1793, S. 217.
  • Barbara Schmid: Die Lebensbeschreibungen der Zürcher Geistlichen und Gelehrten. Transformationen der Biographie am Übergang zur Enzyklopädie, in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte 111, 2017, S. 87–108.
  • Anja-Silvia Goeing: Storing, archiving, organizing: the changing dynamics of scholarly information management in post-Reformation Zurich. Leiden 2016.
  • Barbara Schmid: Eine neue konfessionelle Elite? Wie Johann Heinrich Waser (1600–1669) zum politischen Hoffnungsträger der Zürcher Orthodoxie wurde, in: Im Auge des Hurrikans. Eidgenössische Machteliten und der Dreissigjährige Krieg. Hrsg. von André Holenstein, Georg von Erlach und Sarah Rindlisbacher. Baden, Hier und Jetzt Verlag für Kultur und Geschichte, 2015, ISBN 978-3-03919-366-0, S. 106–120.
  • Hanspeter Marti und Karin Marti-Weissenbach [Hrsg.]: Reformierte Orthodoxie und Aufklärung: die Zürcher Hohe Schule im 17. und 18. Jahrhundert. Eine Publikation der Arbeitsstelle für kulturwissenschaftliche Forschungen, Engi GL. Verlag Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2012, ISBN 978-3-412-20929-2
  • Anett Lütteken, Barbara Mahlmann-Bauer, Jesko Reiling (Hrsg.): Der traditionelle Unterricht am Collegium Carolinum. In: Bodmer und Breitinger im Netzwerk der europäischen Aufklärung. Ausstellung an der Zentralbibliothek Zürich, Zürich 2006, Wallstein Verlag, Göttingen 2009, ISBN 978-3-8353-0560-1.
  • Hanspeter Marti: Die Zürcher Hohe Schule im Spiegel von Lehrplänen und Unterrichtspensen (1650–1740). In: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 2008, Neue Folge 128 (2008).
  • Regula Weber-Steiner: Glükwünschende Ruhm- und Ehrengetichte: Casualcarmina zu Zürcher Bürgermeisterwahlen des 17. Jahrhunderts. Deutsche Literatur von den Anfängen bis 1700. Verlag Peter Lang, Bern 2006, ISBN 3039103881.
  • Ernst Gagliardi, Hans Nabholz und Jean Stohl: Die Universität Zürich 1833–1933 und ihre Vorläufer: Festschrift zur Jahrhundertfeier. Zürich 1938.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Regula Weber-Steiner: Glükwünschende Ruhm- und Ehrengetichte: Casualcarmina zu Zürcher Bürgermeisterwahlen des 17. Jahrhunderts.
  2. Karin Maag: Zurich and the Genevan Academy. In: Karin Maag: Seminary or University. The Genevan Academy and Reformed Higher Education, 1560-1620. Aldershot 1995, ISBN 1-85928-166-4, S. 129–153.
  3. Emidio Campi: 175 Jahre Universität Zürich und ihre Vorgeschichte, 2008.

Koordinaten: 47° 22′ 12″ N, 8° 32′ 39″ O; CH1903: 683501 / 247161