Comunione e Liberazione

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Plakat von Comunione e Liberazione am Petersplatz

Comunione e Liberazione (CL) (italienisch für Gemeinschaft und Befreiung) ist eine Bewegung in der römisch-katholischen Kirche.

Zurzeit ist Gemeinschaft und Befreiung in ungefähr 90 Ländern auf allen Kontinenten präsent. Es ist keine Mitgliedschaft vorgesehen, sondern nur die freiwillige Teilnahme.[1] Deshalb ist es unmöglich, die genaue Mitgliederzahl anzugeben; man schätzt aber, dass es weltweit rund 100.000 Mitglieder gibt. Gemeinschaft und Befreiung entstand 1954 durch den Mailänder Priester Luigi Giussani und wird seit dessen Tod 2005 durch den spanischen Priester Julián Carrón geleitet.

Geschichte

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CL-Führer Julián Carrón

Im Jahr 1954 gab der Mailänder Priester Luigi Giussani seine Dozentenstelle am Seminario Maggiore Ambrosiano auf, um Religion am Mailänder Berchet-Gymnasium zu unterrichten. Unter dem Namen Gioventù Studentesca („Schülerjugend“) entstand um ihn eine Gefolgschaft innerhalb der Katholischen Aktion. Ende der 1960er Jahre wurde für diese Gruppierung dann die Bezeichnung Comunione e Liberazione vorherrschend.[2]

Die zunehmend wachsende Bewegung wurde 1980 durch Martino Matronola OSB und 1982 durch Papst Johannes Paul II. offiziell anerkannt.[3] Nach dem Tod Giussanis am 22. Februar 2005 übernahm der spanische Priester Julián Carrón die Leitung der Gemeinschaft.

In Italien ist die Bewegung mit rund 25.000 Mitgliedern am weitesten verbreitet, wobei das dort von CL veranstaltete Rimini Meeting jährlich rund 800.000 Teilnehmer zählt.

Zu den bekanntesten Mitgliedern der Bewegung in der italienischen Politik gehören der ehemalige Präsident der Region Lombardei (1995–2013), Roberto Formigoni, und der ehemalige Vizepräsident des Europäischen Parlaments (2004–09) und Verteidigungsminister (2013–14) Mario Mauro.

Struktur

Die Struktur von CL kann durch die proklamierte Verbindung aller Gruppen zur Diakonie als hierarchisch bezeichnet werden, wobei die Zusammensetzung des Präsidiums um Julián Carrón und der Versammlung der Verantwortlichen nicht öffentlich bekannt ist.[4]

Comunione e Liberazione richtet sich weiterhin mit entsprechenden Abteilungen an verschiedene spezielle Zielgruppen:[5][4]

  • Comunione e Liberazione Educatori (CLE) für berufstätige Lehrer und Erzieher
  • Comunione e Liberazione Universitari (CLU) für studierende Mitglieder
  • Giovani Lavoratori (CLL) für junge Berufstätige
  • Gioventù Studentesca (GS) für Schüler ab der 8. Jahrgangsstufe
  • Kinder oder Graal für Schüler von der 4. bis zur 7. Jahrgangsstufe

Bewegung in Deutschland

In das Erzbistum Freiburg und damit erstmals nach Deutschland kam Gemeinschaft und Befreiung 1979 auf Einladung des damaligen Erzbischofs Oskar Saier. Mittlerweile ist CL in mehreren deutschen Städten vertreten.

Die geistliche Leitung in Deutschland hat der Kölner Subsidiar und Religionslehrer Dr. Gianluca Carlin[6] inne, als Nachfolger des Kölner Pfarrers Romano Christen, Direktor des Theologenkonvikts Collegium Albertinum in Bonn.

Comunione e Liberazione versucht in Köln mit dem Rhein-Meeting ein deutsches Gegenstück zum Rimini Meeting in Italien einzurichten.[7] Jedes Jahr steht das Rhein-Meeting unter einem anderen Thema, zu dem verschiedene Referenten aus dem CL-Umfeld eingeladen werden, beispielsweise der irische Kolumnist John Waters in den Jahren 2014 und 2015.[8]

In Deutschland gibt es mehrere eingetragene Vereine, die von CL gegründet oder mittelbar geführt werden, unter anderem:

  • Kulturinitiative Spuren e. V. als Herausgeber der deutschsprachigen Ausgabe der Internationalen Zeitschrift von CL[9]
  • Rhein-Meeting e.V. als Träger des Rhein-Meetings in Köln
  • Kulturinitiative e.V. Bruchsal zur "Förderung und Ausbreitung einer christlichen Kultur"
  • Support International e.V. mit Verbindungen zu AVSI und der Luigi Giussani High School in Kampala
  • International Musical Friendship Deutschland e.V.[10]

Comunione e Liberazione ist in Deutschland Mitglied des Gesprächskreises Geistlicher Gemeinschaften, Bewegungen und Initiativen (GGG).[11]

Finanzierung

Comunione e Liberazione finanziert sich nach eigenen Aussagen durch einen frei wählbaren regelmäßigen Beitrag der Mitglieder für die Gemeinschaftskasse[12]. CL selbst sagt dazu:

„Unsere Bewegung ist eine auf die Bestimmung hin geleitete Freundschaft. So ist auch der Beitrag zur gemeinsamen Kasse ein Instrument, mit dem wir in konkreter Weise unsere Freundschaft in ihren Dimensionen der Kultur, der Caritas und der Mission unterstützen. Es handelt sich um einen sehr einfachen Gestus der Wertschätzung und der Liebe zu unserem Ziel, denn das Maß dieses Einsatzes wird von jeder Person in vollkommener Freiheit selbst bestimmt.“[13]

Ausrichtung

Publikationen von CL betonen vorrangig das theologische Wirken des Gründers: so habe Giussanis besonderes Augenmerk stets der Vernünftigkeit des Glaubens gegolten. Papst Johannes Paul II. schrieb in seiner Botschaft anlässlich des Todes von Don Giussani am 22. Februar 2005, Giussanis „gesamtes apostolisches Wirken könnte man in der offenen und entschiedenen Einladung zu einer persönlichen Begegnung mit Christus zusammenfassen.“[14] Die Begräbnisfeier für Don Giussani nahm der damalige Kardinal Joseph Ratzinger vor und deutete in seiner Homilie den Namen der Bewegung wie folgt: „Indem Don Giussani die Freiheit als eine dem Glauben eigene Gabe hervorgehoben hat, hat er uns auch gesagt, dass die Freiheit der Gemeinschaft bedarf, um eine wahre menschliche Freiheit, eine Freiheit in Wahrheit zu sein.“[15]

Comunione e Liberazione selbst stellt sich als Bewegung dar, die ihre Mitglieder im Rahmen einer wöchentlichen Katechese, dem Seminar der Gemeinschaft, zur christlichen Reife erziehen möchte. Dies erfordere der Bewegung zufolge den Willen zum Lesen vorgegebener Texte, die zuhause meditiert und im Seminar vertieft werden.[16]

Einfluss

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Roberto Formigoni, Präsident der Region Lombardei (1995–2013)

Comunione e Liberazione gilt in Italien als einflussreiche Organisation, nicht nur in Bezug auf die katholische Kirche.[17] Papst Benedikt XVI. pflegte Kontakte zu ihr[18], seine vier Haushälterinnen waren ebenfalls Mitglieder der Bewegung.[19] Die von Comunione e Liberazione 1986 gegründete Wirtschaftsvereinigung Compagnia delle Opere stellt das Bindeglied zur italienischen Wirtschaft besonders in der Lombardei und allgemein in Norditalien dar.[20]

Comunione e Liberazione verfügte mit Rete Italia („Netzwerk Italien“), geführt von Roberto Formigoni und Maurizio Lupi, über einen „Flügel“ innerhalb der Mitte-rechts-Partei Popolo della Libertà (PdL) des Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.[21] Formigoni war von 1995 bis 2013 Präsident der Region Lombardei. Lupi war 2006–08 Vizepräsident der Abgeordnetenkammer und 2013–15 Infrastruktur- und Verkehrsminister in den Regierungen Letta und Renzi. Nach der Spaltung der PdL Ende 2013 schlossen sie sich der Partei Nuovo Centrodestra (NCD) an.

Im Rahmen der Vatileaks-Affäre wurde 2012 eine Beteiligung der Comunione e Liberazione an verschleierten Vorgängen vermutet, so z. B. bei Schmiergeldzahlungen.[22]

Der am 13. März 2013 gewählte Papst Franziskus steht laut Medienberichten Comunione e Liberazione nahe.[23]

Kritik

Die im Jahr 2013 veröffentlichten Wikileaks-Dokumente Kissinger Cables berichten von einer geheimen Absprache zwischen Luigi Giussani und US-Außenminister Henry Kissinger im Jahr 1975, nach der CL als politisches Instrument gegen die in Italien zunehmend populäre Partito Comunista Italiano agieren sollte und im Gegenzug finanziell durch die USA, vor allem für PR-Maßnahmen, gefördert wurde.[24]

Otto Kalischeuer charakterisierte Comunione e Liberazione 1992 in einem Zeit-Artikel als „junge Radikale“ im Rahmen der „neuen Evangelisierung“ Europas.[25] Gordon Urquhart stellte sie in seinem Buch Im Namen des Papstes von 1995 – ebenso wie das Neokatechumenat und die Fokolarbewegung – als sektenartige Laienbewegung dar, die den Zusammenhalt der Kirche gefährde.[26] Die Religionswissenschaftlerin Nina Clara Tiesler beschrieb „Gemeinschaft und Befreiung“ 2007 in einem Aufsatz für die Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte als „extremistische Bewegung“ und stellte sie in eine Reihe mit der protestantischen Religiösen Rechten in den USA und der Islamischen Heilsfront in Algerien.[27] Der auf Kirchenthemen spezialisierte Journalist Hanspeter Oschwald zählte CL in seinem 2010 erschienenen Buch Im Namen des Heiligen Vaters zusammen mit Opus Dei, Legionären Christi, Neokatechumenat, Fokolarbewegung und der Gemeinschaft Sant’Egidio zu einem reaktionären und fundamentalistischen Netzwerk, das seiner Einschätzung nach während des Pontifikats Benedikts XVI. den Vatikan steuerte.[28]

Literatur

  • Anke M. Dadder: Comunione e liberazione. Phänomenologie einer neuen geistlichen Bewegung. UVK, Konstanz 2002, ISBN 3-89669-770-6
  • Davide Rondoni (Hrsg.): Comunione e liberazione. Eine Bewegung in der Kirche. Cooperativa Ed. Nuovo Mondo, Milano 1999
  • Luigi Giussani: Was ist und was will Comunione e Liberazione - Interview mit Robi Ronza. Johannes-Verlag, Einsiedeln, 1977.

Einzelnachweise

  1. Die Bewegung Comunione e Liberazione (Gemeinschaft und Befreiung) – Was ist CL. Website von Comunione e Liberazione Deutschland, abgerufen 26. September 2018.
  2. L. Giussani: Was ist und was will CL. S. 13, S. 23
  3. Päpstlicher Rat für die Laien: Associazioni internazionali di fedeli – Repertorio. Stand 2004, Eintrag Fraternità di Comunione e Liberazione.
  4. a b http://de.clonline.org/default.asp?id=533
  5. CL Eröffnungstag München 2013, ausgegebener Flyer.
  6. http://www.k-k-n.de/neu0308/seelsorge/seelsorgeteam.html
  7. http://www.rhein-meeting.org/
  8. Archivlink (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive)
  9. http://www.cl-deutschland.de/spuren/index.php
  10. http://www.imf-deutschland.de/
  11. Katholische Bewegungen - Gesprächskreis GGG. Abgerufen am 27. Oktober 2021.
  12. http://gemeinschaftundbefreiung.at/diebewegung/grundlegendegesten.htm#fondocomune
  13. CL Eröffnungstag München 2013, ausgegebener Flyer.
  14. http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/letters/2005/documents/hf_jp-ii_let_20050222_don-giussani_ge.html
  15. http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20050224_homily-giussani_ge.html
  16. http://de.clonline.org/default.asp?id=533&id_n=14043
  17. Stefan Berg, Christoph Schult, Alexander Smoltczyk, Michael Sontheimer und Peter Wensierski: Titel: „So bitter, so traurig“. In: Der Spiegel. Nr. 6, 2009 (online).
  18. Mailänder Kardinal rügt den Präsidenten von Comunione e Liberazione. In: kath.net, 13 Juni 2012.
  19. Papsthaushalt wieder komplett (Memento vom 27. April 2016 im Internet Archive), Südwest Presse vom 21. April 2011
  20. Henning Klüver: Gebrauchsanweisung für Mailand. Mit Lombardei. Piper, München 2014.
  21. Andrea Ceron: Leaders, Factions and the Game of Intra-Party Politics. Routledge, Abingdon (Oxon)/New York 2019, Kapitel, Kapitel The determinants of factionalism, Fn. 15.
  22. Luisa Brandl: Die brisante Beichte des Vatikanbankers. In: Stern, 12. Juni 2012.
  23. Barbara Hans: Der Überraschungs-Papst. In: Spiegel Online, 13. März 2013.
  24. WikiLeaks: l'accordo segreto tra Usa e don Giussani per fermare il Pci, sostegno al Movimento Popolare di Roberto Formigoni. In: Huffington Post, 8. April 2013.
  25. Otto Kalischeuer: Der neue Radikalismus der Weltreligionen – Gilles Kepels fulminante Studie zur Rache Gottes an der Moderne. In: Die Zeit. Nr. 06/1992 (online).
  26. Gordon Urquhart: Im Namen des Papstes. Die verschwiegenen Truppen des Vatikans. München 1995. Zitiert nach Hanspeter Oschwald: Katholische Kirche – Die II. Reformation. In: Focus Magazin, Nr. 1/1996.
  27. Nina Clara Tiesler: Europäisierung des Islam und Islamisierung der Debatten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 26–27/2007.
  28. Hanspeter Oschwald: Im Namen des Heiligen Vaters. Wie fundamentalistische Mächte den Vatikan steuern. Heyne, 2010, ISBN 978-3453167247

Weblinks