Conditio humana

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Als Conditio humana (aus dem Mittellateinischen condicio humana) bezeichnet man allgemein die Bedingungen oder Umstände des Menschseins beziehungsweise die Natur des Menschen. Die Conditio humana ist Gegenstand der Philosophie, insbesondere der Philosophischen Anthropologie, sowie verschiedener Wissenschaften wie der Sozialwissenschaften oder der Sozialpsychologie.

Sigmund Freud beispielsweise betonte im Zusammenhang mit der Frage nach der Conditio humana das Unbewusste, und Erich Fromm machte sie zum Mittelpunkt seines Erkenntnisinteresses.

Das politische Handeln als Grundbedingung menschlichen Lebens

Hannah Arendt fragt 1958 in ihrem Buch Vita activa (englisch: The Human Condition) nach den Grundparametern menschlicher Existenz auf dieser Erde. Anlass ist die erste Sputnikmission ins Weltall 1957 und die scheinbar bevorstehende Möglichkeit einer extraterrestrischen Existenz des Menschen. Das Buch stellt eine Auseinandersetzung mit der These der Selbstentfremdung des Menschen von seiner Natur durch kapitalistische Arbeit und Produktionsprozesse dar (vgl. Karl Marx, Pariser Manuskripte 1844). Arendt antwortet auf Marx’ Kritik der modernen Gesellschaft, indem sie nicht die Tätigkeiten der Arbeit und des Herstellens, sondern die Tätigkeit des Handelns ins Zentrum ihrer Analysen stellt. Handeln definiert sie als eine Tätigkeit, die sich ausschließlich unter Menschen vollzieht und die nicht auf den Dinggebrauch und die Verdinglichung angewiesen ist. Das Handeln sieht sie als die einzige Tätigkeit, durch die der Mensch im eigentlichen Sinne zu dem werden kann, was er ist. Arendt benennt das Handeln deshalb nicht nur als Conditio sine qua non (notwendige Bedingung), sondern als Conditio per quam (hinreichende Bedingung) des menschlichen Seins.[1] Sie schließt hier an das aristotelische Verständnis des Menschen als Zoon politikon an.

Als weitere Rahmenbedingungen der menschlichen Existenz nennt Arendt das Leben selbst, die Erde sowie Natalität (Gebürtlichkeit) und Mortalität (Sterblichkeit), Weltlichkeit und Pluralität.[2] Besonders ihre Entdeckung der Natalität als einer Grundbedingung des menschlichen Selbstverständnisses hat auch in neuere bioethische Debatten Eingang gefunden.[3]

Kritik am Begriff der Conditio humana

Einige postmoderne Philosophen lehnen den Begriff der Conditio humana im Sinne der Annahme einer Vorgabe menschlicher Natur als essentialistisch überhaupt ab. So spricht Roland Barthes von der Conditio humana als einem Mythos, mit dem durch Naturalisierung die Welt festgeschrieben werde:

„Der Mythos von der Conditio humana stützt sich auf eine sehr alte Mystifikation, die seit jeher darin besteht, auf den Grund der Geschichte die Natur zu setzen.“[4]

Beispielhaft erläutert er dies in seinem Essay Die große Familie der Menschen über die Ausstellung The Family of Man, dessen Titel bereits eine ursprünglich „zoologische“ Klassifizierung „sentimentalisiert“ und „moralisiert“.[5]

Literatur

Fußnoten

  1. Hannah Arendt: The Human Condition. Chicago/London 1958, Seite 7, oder Vita activa, S. 17
  2. Hannah Arendt: The Human Condition. Chicago/London 1958, Seite 11
  3. Jürgen Habermas: Die Zukunft der menschlichen Natur. Frankfurt/M. 2001, S. 101–104
  4. Roland Barthes: Die große Familie der Menschen. In: Roland Barthes: Mythen des Alltags. Suhrkamp, Frankfurt/ M. 1964, Seite 17
  5. Roland Barthes: Die große Familie der Menschen. In: Roland Barthes: Mythen des Alltags. Suhrkamp, Frankfurt/ M. 1964, Seite 16