Konrad Kocher

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Konrad Kocher um 1860, Lithographie von Conrad Schacher

Konrad Kocher (* 16. Dezember 1786 in Ditzingen; † 12. März 1872 in Stuttgart) war ein deutscher Musiker und Komponist, hauptsächlich von Kirchenmusik.

Leben

Ernennung Konrad Kochers zum Ehrenmitglied des Stuttgarter Liederkranzes, 1871 (Stadtarchiv Ditzingen)
Ernennung Kochers zum Ehrenmitglied des Schwäbischen Sängerbunds, 1871

Konrad Kocher wurde 1786 als Sohn des Schuhmachers Georg Jakob Kocher und seiner Frau Anna, geb. Wolfangel, geboren. Das Geburtshaus in der Ditzinger Marktstraße existiert nicht mehr. Lehrer und Ortspfarrer erkannten die früh Begabung des Schülers, so dass der Vierzehnjährige eine Ausbildung zum Volksschullehrer erhielt. Seine Lieblingsbeschäftigung war allerdings das Orgelspielen. Unzufrieden mit seinem Hilfslehrerdasein in Esslingen, reiste Konrad Kocher 1805 zu Fuß und per Schiff nach St. Petersburg, um dort fast sieben Jahre als privater Klavierlehrer sein Geld zu verdienen. In der russischen Hauptstadt begegnete er dem Komponisten und Klavierunternehmer Muzio Clementi, der Kocher ermutigte, sich ganz der Musik zu widmen. Bei Clementis Schülern, den Pianisten Ludwig Berger und August Alexander Klengel, erhielt der Schwabe eine musikalische Ausbildung.

1811 kehrte er nach Württemberg zurück und ließ sich als Klavierlehrer in Stuttgart nieder. Jetzt begann er auch zu komponieren; zunächst einige Klavierstücke und insgesamt vier Opern, wovon zwei (Der Käficht, Der Elfenkönig) am Hoftheater in Stuttgart aufgeführt wurden. Die Vertonung von Goethes Singspiel Jery und Bätely durfte er dank der Vermittlung des Stuttgarter Verlegers Johann Friedrich Cotta dem Dichter in Weimar persönlich überreichen.[1] Kochers erstes Oratorium Der Tod Abels wurde danach in Leipzig uraufgeführt. Kocher war bekannt mit Christian Zais, der aus Cannstatt stammte und als Stadtplaner Wiesbaden durch den Bau des ersten Kurhauses zur Blüte brachte. Dieser stellte 1819 Sulpiz Boisserée "den jungen Compositeur Konrad Kocher vor".[2] Von 1819 bis 1821 war Kocher zu kirchenmusikalischen Studien in Italien, vor allem in Rom, finanziert durch seinen Gönner Cotta. In Rom arbeitete Kocher eng mit dem preußischen Gesandtschaftssekretär Christian Karl Josias Freiherr von Bunsen zusammen. Beide verband die Liebe zur altitalienischen Musik und der Wunsch, in Deutschland zur Verbesserung des Kirchengesangs beizutragen. Im Oktober 1821 besucht er mit dem Klavierbauer Johann Baptist Streicher in Cannstatt den Fabrikanten Wilhelm Zais, der "ein der vorzüglichsten Londoner Pianoforte, ein Broadwoodsch Instrument besaß, sowie eine vorzügliche Harfe.[3][4]

Konrad-Kocher-Schule in Ditzingen

Wieder zurück in Stuttgart veröffentlichte Kocher 1823 sein kleines Werk Die Tonkunst in der Kirche, oder Ideen zu einem allgemeinen vierstimmigen Choral- und Figuralgesange für einen kleinen Chor nebst Ansichten über den Zweck der Kunst im Allgemeinen. Darin forderte er einen Kirchengesang, der sich am Ideal der Einfachheit orientierte und auch den ärmsten Bauern zugänglich sein sollte. Kocher wirkte nun sehr engagiert und öffentlich unterstützt an der Verbesserung der Kirchenmusik Württembergs mit, u. a. durch die Gründung des Stuttgarter Kirchenmusikvereins. Zusammen mit Friedrich Silcher (Tübingen) und Johann Georg Frech (Esslingen) verfasste er 1828 das Vierstimmige Choralbuch für Orgel- und Klavierspieler. Damit sollte auch die Etablierung des vierstimmigen Gemeindegesangs vorangebracht werden,- im Rahmen der Kirchenmusikreform war dies Kochers Lieblingsprojekt, das er allerdings in den 1840er Jahren als gescheitert betrachten musste.

Konrad-Kocher-Straße in Ditzingen

Bei der Gründung des Stuttgarter Liederkranzes 1824 war Kocher, ein Anhänger von Hans Georg Nägeli und überzeugter Vertreter des Gesangs als Volksbildung, mit dabei und auch einige Jahre lang ein sehr produktiver Komponist mehrstimmiger Chorlieder für die überall in Württemberg entstehenden Liederkränze. Seit den 1830er Jahren konzentrierte er seine Kompositionstätigkeit mehr auf den kirchenmusikalischen Bereich. Kocher war 1827 zum Organisten der Stuttgarter Stiftskirche, der evangelischen Hauptkirche des Königreichs Württemberg, ernannt worden und avancierte zum anerkanntesten Kirchenmusiker Württembergs in der ersten Jahrhunderthälfte. In Anerkennung seiner Verdienste verlieh ihm die Universität Tübingen 1852 die Ehrendoktorwürde. Auch nach seinem Ruhestand 1865 und noch fast bis zu seinem Tod 1872 war Kocher unermüdlich tätig: im Sammeln und Komponieren von Liedern, Chorälen und Orgelstücken.

Kocher war seit 1828 mit der Ulmer Pfarrerstochter Wilhelmine Neuffer verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Er starb 1872 in Stuttgart und fand seine letzte Ruhestätte auf dem dortigen Fangelsbachfriedhof[5] (Grabstätte nicht mehr vorhanden).

Von Kochers Kompositionen werden heute nur noch wenige aufgeführt, darunter seine anspruchsvollen Orgelstücke sowie einige seiner Motetten. Das Evangelische Gesangbuch Württembergs enthält drei Lieder Konrad Kochers (Nr. 561, 631, 678).

Ehrungen

Kocher war seit 1871 Ehrenmitglied des Stuttgarter Liederkranzes und des Schwäbischen Sängerbundes. In seiner Heimatstadt Ditzingen wurden eine Straße, die Konrad-Kocher-Schule und eine Halle nach ihm benannt.[6]

Hörbeispiel

Veröffentlichungen

  • Die Macht des Gesanges von Schiller für 4 Männerstimmen gesetzt. Stuttgart, 1826
  • Vierstimmiges Choralbuch für Orgel- und Clavierspieler. Mit Friedrich Silcher und G. G. Frech. Stuttgart: J. B. Metzler, 1828 (Digitalisat)
  • Vierstimmige Figural-Gesänge für die evangelische Kirche. Auf alle Sonn- und Festtage des Jahres. Stuttgart: Zumsteeg, [um 1830]
  • Bardenhain. Eine Sammlung auserlesener Lieder der Dichter deutscher Zunge.... Stuttgart: Karl Erhard, 1833 (als Herausgeber)
  • Der Christ an den Gräbern seiner Vollendeten. Eine Sammlung von Leichengesängen zum Gebrauche für Chöre jeder Art. Gedichtet von Ludwig Neuffer. In Musik gesetzt von Konrad Kocher. Stuttgart: Hallberger'sche Verlagshandlung, 1837
  • Stimmen aus dem Reiche Gottes. Eine auserlesene Sammlung alter und neuer evangelischer Kernlieder mit beigefügten vierstimmig gesetzten, für Gesang, Clavier- und Orgelspiel eingerichteten Choralmelodien vom Ursprung des Chorals bis auf die heutige Zeit. Stuttgart: Hallberger'sche Verlagshandlung, 1838 (Digitalisat)
  • König Wilhelm. 3 Lieder zum Jubiläum Höchst seiner 25-jährigen glorreichen Regierung : für gem. und Männerchöre gesetzt. Stuttgart: Beck und Fränkel, [1841]
  • Christliche Haus-Musik. Eine Sammlung ein- und mehrstimmiger, alter und neuer Lieder, Arien, Chöre etc mit Begleitung des Pianoforte. Stuttgart: Wagner, 1846
  • Orgelspielbuch : eine Sammlung von kirchlich-classischen Orgelstücken alter und neuer Meister mit Finger- und Fußsatz, nebst einleitender Orgelschule; zum Gebrauch in Kirchen und zum Studium in Seminarien. Stuttgart: Metzler, 1851
  • Zionsharfe. Ein Choralschatz aus allen Jahrhunderten und von allen Confessionen der christlichen Kirche zur Erbauung in der Familie wie in der Gemeinde gesammelt und für Singchöre, Orgel- und Klavierspiel vierstimmig bearbeitet von Conrad Kocher . 4 Bände, Stuttgart: Metzler, 1855
  • Harmonik. Die Kunst des Tonsatzes aus den Grundelementen theoretisch entwickelt und praktisch dargestellt. Stuttgart: Nitzschke, 1859
  • Clavierspielbuch. Eine aus den ersten Elementen theoretisch und praktisch sich entwickelnde u. durch mehrere Hunderte von Vorübungen u. Tonstücken methodisch fortschreitende Einleitung in des Spiel u. Verständniss der Classiker. Stuttgart: Nitzschke, [1859]

Literatur

  • Wilhelm Füßl: KOCHER, Konrad. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 4, Bautz, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-038-7, Sp. 224–226.
  • Wolfgang Kocher, Inge Nunnenmacher: Ein Leben für die Tonkunst. Der schwäbische Musiker Konrad Kocher. FischerLautnerVerlag, Ditzingen 2011, ISBN 978-3-9814106-3-1.
  • Kurt Haering: Konrad Kocher. In: Hermann Haering, Otto Hohenstatt (Hrsg.): Schwäbische Lebensbilder. Band 2. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1941, S. 295–302.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. www.goethezeitportal.de
  2. Sulpiz Boisserée Tagebücher, Band 1; Eduard Roether Verlag Darmstadt, 1978
  3. HISPERUS, Nr. 73, Montag, 27. März 1826
  4. Uta Goebl-Streicher, Das Reisetagebuch des Klavierbauers Johann Baptist Streicher 1821–1822, Hans Schneider Verlag
  5. Hermann Ziegler: Fangelsbach-Friedhof (= Friedhöfe in Stuttgart, Band 5), Stuttgart 1994, S. 111.
  6. Konrad Kocher als Namensgeber (Memento des Originals vom 9. Juni 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.google.de