Cyberanthropologie

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Cyberanthropologie (englisch cyber als Kurzform für „Kybernetik“, altgriechisch ánthrōpos Mensch und -logie) ist ein neueres Forschungsfeld und Fachgebiet der Sozialanthropologie und untersucht transnational zusammengesetzte Online-Gemeinschaften unter Berücksichtigung kybernetischer Perspektiven, sowie allgemein den menschlichen Umgang mit Computertechnik. Dabei wird der virtuelle Cyberspace („Datenraum“) als soziokultureller Raum menschlicher Interaktionen verstanden (siehe auch Netzkultur, Netnographie, Internetsoziologie).

Im angelsächsischen Raum wird die Cyberanthropologie als Teil der digital anthropology gesehen, zusammen mit techno-anthropology, digital ethnography und virtual anthropology. In Großbritannien gehört sie zur social anthropology, in den USA zur cultural anthropology. Im deutschsprachigen Raum war einer ihrer Vorreiter der österreichische Ethnologe Manfred Kremser (1950–2013), aktuell beschäftigt sich der deutsche Ethnologe Alexander Knorr im Anschluss an den kolumbianisch-amerikanischen Anthropologen Arturo Escobar (* 1952) mit der Erschließung des Cyberspace als Forschungsthema der Ethnologie. Im englischsprachigen Raum wurde der Grundstein mit dem Werk Digital Anthropology gelegt, 2012 herausgegeben von Heather Horst und Daniel Miller. In diesem sind die folgenden sechs Grundprinzipien der neuen Unterdisziplin festgehalten: Erstens das Digitale selbst verstärkt die Dialektik der Kultur; zweitens das Digitale lässt uns das analoge und vordigitale Leben besser verstehen; drittens, wie bei anderen anthropologischen Perspektiven auch, herrscht eine Verpflichtung zur Ganzheitlichkeit, zum Holismus; viertens, ebenfalls ganz wie bei anderen anthropologischen Perspektiven, bestätigt sich die Bedeutung des kulturellen Relativismus; fünftens die Digital Anthropology muss sich mit der essentiellen Mehrdeutigkeit, bedingt durch die Offenheit, des Digitalen auseinandersetzen und schließlich sechstens digitale Welten besitzen eine Materialität, und diese muss anerkannt werden.[1]

Siehe auch

Literatur

  • Philipp Budka, Manfred Kremser: CyberAnthropology – Anthropology of CyberCulture. In: Stefan Khittel, Barbara Plankensteiner, Maria Six-Hohenbalken (Hrsg.): Contemporary Issues in Socio-cultural Anthropology. Perspectives and Research Activities from Austria. Löcker, Wien 2004, S. 213–226 (englisch; PDF-Datei; 715 kB; 15 Seiten auf philbu.net).
  • Arturo Escobar: Welcome to Cyberia. Notes on the Anthropology of Cyberculture. In: Current Anthropology. Band 35, Nr. 3, 1994, S. 211–231 (englisch; Vorschau bei JSTOR).
  • Alexander Knorr: Cyberanthropology. Hammer, Wuppertal 2011, ISBN 978-3-7795-0359-0 (deutsch).
  • Heather A. Horst, Daniel Miller (Hrsg.): Digital Anthropology. Berg, London/New York 2012 (englisch; 2020er E-Book: ISBN 978-1-00-308520-1).
  • Samuel M. Wilson, Leighton C. Peterson: The Anthropology of Online Communities. In: Annual Review of Anthropology. Band 31, Nr. 1, Oktober 2002, doi:10.1146/annurev.anthro.31.040402.085436, S. 449–467 (englisch; Vorschau bei JSTOR).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heather A. Horst, Daniel Miller (Hrsg.): Digital Anthropology. Berg, London/New York 2012, S. ?? (englisch; 2020er E-Book: ISBN 978-1-00-308520-1).