Dönme
Die Dönme (osmanisch دونمه ‚Konvertit‘) sind die Mitglieder einer kryptojüdischen kabbalistischen Religionsgemeinschaft in der Türkei, die ein Zweig des Sabbatianismus sind. Ihre Zahl wird auf 30.000 bis 40.000 Mitglieder geschätzt. Nach außen hin praktizieren sie den Islam. Die Gemeinschaft geht auf Schabbtai Zvi (1626–1676) zurück, dessen Tradition einige hundert Familien nach seinem Tod weiterführten. 1683 kam es in Saloniki zu einer Massenkonversion, wodurch die Stadt zum Zentrum des Kults wurde.[1]
Die Dönme sahen in Schabbtai Zvi den Messias. Seinen Übertritt zum Islam erklärten sie damit, dass die Seele des Messias bis zum Grunde der Sünde hinabsteigen müsse, um die Funken göttlichen Lichts zu erlösen, die dort gefangen seien. 1690 kam es zu einer Spaltung der Dönme, wonach eine Gruppe Baruchia Russo (islamischer Name Osman Baba, 1676–1720/26) zu ihrem Messias erklärte.[2] Nachdem Jakob Joseph Frank (1726–1791) die Dönme kennengelernt hatte, begann er zu behaupten, er sei der Messias.
Innerhalb der Dönme gibt es drei Gruppen bzw. Strömungen:
- die Karakaşlar (türkisch) oder Konyosos (Ladino)
- die İzmirim (İzmirlis)[3] und
- die Yakubiler (Jacobiten)
Im Zuge des Bevölkerungsaustausches zwischen Griechenland und der Türkei wurden die Dönme wegen ihres muslimischen Glaubens zu den Türken gerechnet und mussten Saloniki verlassen.
Einer der Anführer des Mordkomplotts gegen Präsident Mustafa Kemal Pascha (Atatürk) in Izmir nach der Gründung der Türkischen Republik war Mehmed Cavid Bey,[4] Gründungsmitglied des Komitees für Einheit und Fortschritt und ehemaliger Finanzminister des Osmanischen Reiches, ein führender Dönme.[5][6][7] Nach einer umfassenden Untersuchung durch die Regierung wurde Cavid Bey verurteilt und später hingerichtet, indem er am 26. August 1926 in Ankara erhängt wurde.[8]
Ihre Zugehörigkeit zur säkularisierten Schicht lässt immer wieder Gerüchte aufkommen, Atatürk sei ein Dönme gewesen und bei den Kemalisten handele es sich um eine Verschwörung, die sich aus einem Motiv der Rache speise, weil Sultan Abdülhamid II. Theodor Herzl Palästina verweigert habe. Die Denunziation von Personen oder Familien als Dönme ist aber fester Bestandteil der Agitation türkischer Antisemiten.[9] Vielfach sind die Dönme Gegenstand von Verschwörungstheorien. Der islamistisch geprägte Autor Mehmet Şevket Eygi glaubt beispielsweise, dass die Dönme die Schaltstellen des Staates unterwandert haben.[10]
Siehe auch
Literatur
- Marc Baer: The Double Bind of Race and Religion: The Conversion of the Dönme to Turkish Secular Nationalism. (PDF; 124 kB) In: Comparative Studies in Society and History 46, 2004, S. 682–708.
- Marc Baer: The Dönme. Jewish converts, Muslim revolutionaries, and secular Turks. Stanford University Press, Stanford 2010, ISBN 978-0-8047-6868-9.
- Rıfat N. Bali: A scapegoat for all seasons. The Dönmes or Crypto-Jews of Turkey. Isis Press, Istanbul 2008, ISBN 978-975-428-363-1.
- Hadar Feldman: Dönme. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 2: Co–Ha. Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02502-9, S. 146–150.
- Gershom Scholem: Die krypto-jüdische Sekte der Donme (Sabbatianer) in der Turkei. In: Numen, 7, 1960, S. 93–122, ISSN 0169-8834.
- Cengiz Sisman: The Burden of Silence. Sabbatai Sevi and the Evolution of the Ottoman-Turkish Dönmes. Oxford University Press, New York 2015.
- Adolf Struck: Die verborgene jüdische Sekte der Dönme in Salonik. In: Globus, 81, 1902, 219–224.
Weblinks
- Rifat N. Bali: Mehr als nur Totschweigen. Hagalil
Einzelnachweise
- ↑ Jacob M. Landau: The Dönmes: Crypto-Jews under Turkish Rule. In: Jewish Political Studies Review, 19:1-2, Frühjahr 2007
- ↑ Klaus S. Davidowicz: Die Kabbala: Eine Einführung in die Welt der jüdischen Mystik und Magie. Böhlau, Wien 2009, S. 125.
- ↑ Von İzmir (lateinisch/griechisch: Smyrna).
- ↑ Andrew Mango, Atatürk, John Murray, 1999, Seiten 448–453
- ↑ Ilgaz Zorlu, Evet, Ben Selânikliyim: Türkiye Sabetaycılığı, Belge Yayınları, 1999, S. 223.
- ↑ Yusuf Besalel, Osmanlı ve Türk Yahudileri, Gözlem Kitabevi, 1999, S. 210.
- ↑ Rıfat N. Bali, Musa'nın Evlatları, Cumhuriyet'in Yurttaşları, İletişim Yayınları, 2001, S. 54.
- ↑ Mehmet Cavit Bey. Jewish Virtual Library, 15. Dezember 2008, abgerufen am 14. Juli 2009 (englisch).
- ↑ Dönme. In: Klaus Kreiser: Kleines Türkei-Lexikon. München 1992.
- ↑ Eygi: Sabatayciseverlerİn Tedİrgİnlİğİ (Memento des Originals vom 4. Oktober 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.