D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt

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D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e. V.
Geschäftsstelle Gipsstraße 3, 10119 Berlin
Vorsitz Henning Tillmann, Marina Weisband
Personen Alicia Sophia Hinon, Anne Schwarz, Dejan Mihajlovic, Erik Tuchtfeld

D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e. V. ist ein digitalpolitischer Verein mit Sitz in Berlin, dessen Ziel es ist, die öffentliche Debatte um die gesellschaftliche Veränderung durch das Internet, insbesondere im Hinblick auf die politische Entwicklung in Deutschland, mitzugestalten.[1] Der Verein wurde im Dezember 2011 gegründet[2][3] und steht der SPD nahe.

Ziel

Der 2011 gegründete Verein versteht sich selbst als Think Tank und will die gesellschaftliche Entwicklung einer Digitalen Transformation mitgestalten. Zielsetzung ist laut der Charta, die zehn Punkte umfasst[4], durch „eigene Impulse die politisch Handelnden zu einer besseren Netzpolitik [zu] bewegen“. Als Kompass für die inhaltliche Ausrichtung fungieren dabei die Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, die es vor dem Hintergrund der Digitalisierung zu aktualisieren gilt.[1]

Der Verein setzt sich unter anderem für die Forderung nach „freiem Internetzugang für alle“, „grundrechtsorientiertem Datenschutz“, der „konsequenten Digitalisierung von Arbeit und Wissenschaft“ sowie nach einem Erhalt des „grenzenlosen Internets“ ein.[4]

Aktivitäten

D64 engagierte und engagiert sich in vielerlei Debatten und Kampagnen zu Netzpolitik. Kampagnenthemen des Vereins waren die Verhinderung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger, die Verhinderung einer Vorratsdatenspeicherung, die Förderungen von Creative Commons-Lizenzen, digitaler Lehrmittelfreiheit und die Verhinderung der Uploadfilter in der umstrittenen europäischen Richtlinie zum Urheberrecht.

Neben den Kampagnen veröffentlicht der Verein regelmäßig Blogbeiträge und Policy-Papiere zu verschiedenen Themen im Bereich der Digitalpolitik, so z. B. ein Grundwertepapier über Künstliche Intelligenz.

Große Aufmerksamkeit erhielt der Verein vor allem in den Diskussionen um die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. So stellte der Verein unter anderem Musteranträge für SPD-Gliederungen zur Verfügung, um einen Beschluss zur Nicht-Einführung einer Vorratsdatenspeicherung auf dem SPD-Parteikonvent 2015 durchzusetzen.[5] Ebenso unterstützte der Verein das Mitgliederbegehren der SPD-Basis zur Absage einer Vorratsdatenspeicherung. Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wurde letztendlich 2015 von der Großen Koalition verabschiedet, im Frühjahr 2016 kündigte D64 eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht an, diese ist weiterhin dort anhängig.[5][6]

In der Kampagne zur umstrittenen europäischen Richtlinie zum Urheberrecht war D64 auf verschiedenen Ebenen mit aktiv. Besonders als Mitaufruferin der europaweiten Demos gegen Artikel 13 der Richtlinie[7] und mit der Kampagne zu Botbriefen, mit der ein Musterbrief generiert wurde, der an Europaabgeordnete versendet werden konnte[8], trat der Verein hierbei in Erscheinung[9][10][11].

Im Februar 2021 launchte der Verein den D64 Covidbot, einen Chatbot, der auf verschiedenen Messengerdiensten und sozialen Netzwerken tägliche Updates mit aktuellen COVID 19-Zahlen wie Infektions- und Todeszahlen für abonnierte Orte versendet.[12][13] Im Juni desselben Jahres wurde das Konzept einer „Login-Falle“, welches in Reaktion auf die Forderung nach Identifizierungspflichten in sozialen Netzwerken entwickelt wurde, veröffentlicht.[14] Hierbei wird eine vorherige Speicherung personenbezogener Daten vermieden und stattdessen durch standardisierte Schnittstellen die De-Anonymisierung von Tatverdächtigen ermöglicht. Das Konzept wurde wenige Tage später von der Innenministerkonferenz als mögliches Werkzeug zur Bekämpfung von Hasskriminalität aufgenommen.[15] Der ehemalige Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar nannte die „Login-Falle“ als Beispiel für „kreative Lösungen zugunsten der Meinungsfreiheit und der informationellen Integrität“, die bestehendes Überwachungsdenken aufbrechen und überwinden könnten.[16] Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition wurde die „Login-Falle“ im November 2021 als Instrument aufgenommen, um die Identifizierung von Täterinnen und Täter zu erreichen.[17]

Rezeption

D64 versteht sich selbst auch durch die Satzung gestützt als parteiunabhängiger Verein, auch wenn „[er] inhaltlich der sozialdemokratischen Idee nahe steht und einige der Gründungsmitglieder auch Mitglieder in der SPD sind.“[18][19]

Der Verein wird vielerorts dennoch über seine Nähe zur SPD identifiziert,[20][21] vergleichbar mit ähnlich organisierten Vereinen der deutschen Parteienlandschaft, wie beispielsweise cnetz – Verein für Netzpolitik e. V. Medien interpretierten die Gründung von D64 (und ähnlichen Vereinen und Verbänden) vor allem mit dem zeitweisen Aufstieg der Piratenpartei und der Nichtbesetzung netzpolitischer Themen durch bestehende Parteien.[21][22]

In den Medien wird der Verein im Spannungsfeld der Netzpolitik häufig deutlich über seine Kampagnen wahrgenommen, vor allem wenn sich der Verein gegen Positionen der Großen Koalition im Allgemeinen und der SPD-Führung bzw. den SPD-geführten Ministerien im Besonderen wendet.[23][24][25][26]

Mitglieder

Der eingetragene Verein hat seinen Sitz in Berlin und ist als gemeinnützig anerkannt.[27] Im Dezember 2020 hatte er 600 Mitglieder.[28] Er wird von zwei gleichberechtigten Vorsitzenden geleitet, dies sind seit der letzten Vorstandswahl 2020 Henning Tillmann und Marina Weisband. Zum ehrenamtlichen Vorstand gehören außerdem die Beisitzer Alicia Hinon, Philipp Marten, Dejan Mihajlović, Anne Schwarz, Lena Stork und Erik Tuchtfeld sowie der Schatzmeister Ralf Jäger.[28] Ein ehrenamtlicher Beirat unterstützt den Vorstand. Seine Mitglieder sind Laura Sophie Dornheim, Malu Dreyer, Aya Jaff, Kathrin Passig, Felix Reda und Judith Simon.[29]

Weitere bekannte Mitglieder sind Björn Böhning, Leonhard Dobusch, Saskia Esken, Verena Hubertz, Bijan Kaffenberger, Valentina Kerst, Lars Klingbeil, Sven Krumbeck, Nico Lumma, Stephan Noller, Gerold Reichenbach, Martin Rosemann, René Schneider, Tiemo Wölken, Jens Zimmermann und Brigitte Zypries. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Teresa Bücker, Mercedes Bunz und Mario Sixtus.[30]

Vorsitzende

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Mission Statement D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt. In: d-64.org. Abgerufen am 2. April 2019.
  2. Kai Biermann: Die SPD bekommt netzpolitische Nachhilfe. In: Zeit Online. 3. Dezember 2011, abgerufen am 5. Februar 2016.
  3. „D64“: Deutsche Web-Prominenz gründet Internetverein. In: Spiegel Online. 3. Dezember 2011, abgerufen am 2. Mai 2016.
  4. a b Charta. (PDF, 125 kB) D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e. V., 2012, abgerufen am 2. Mai 2016.
  5. a b Ulf Buermeyer: D64 organisiert SPD-internen Widerstand gegen Vorratsdatenspeicherung. In: netzpolitik.org. 14. April 2015, abgerufen am 2. Mai 2016.
  6. Martin Holland: Noch eine Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung. In: heise online. 19. Januar 2016, abgerufen am 2. Mai 2016.
  7. Rette dein Internet – D64 ruft mit Bündnis zu europaweitem Demo-Tag am 23. März auf! Abgerufen am 2. April 2019.
  8. #BotBrief: Dein Brief an die Europaabegordneten mit dem Nein zum Uploadfilter! Abgerufen am 2. April 2019.
  9. heise online: "Voss muss weg" – Mehr als 10.000 demonstrieren in Köln. Abgerufen am 2. April 2019.
  10. Jannis Brühl: Kompromiss mit sich selbst. In: sueddeutsche.de. 2019, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 2. April 2019]).
  11. n-tv NACHRICHTEN: Diese Reform produziert fast nur Verlierer. Abgerufen am 2. April 2019.
  12. Joerg Geiger: Jeden Tag die frischen Corona-Zahlen aufs Handy: Intelligenter Covid-19-Bot pusht Infos per Messenger. Abgerufen am 19. Oktober 2021.
  13. Der D64 Covidbot – Corona-Infos direkt aufs Smartphone | D64. Abgerufen am 19. Oktober 2021.
  14. Die Login-Falle: Strafverfolgung im Internet ohne Massenüberwachung | D64. Abgerufen am 19. Oktober 2021.
  15. Christian Rath: Alternative zur Vorratsdatenspeicherung: Login-Fallen gegen Hetze. In: Die Tageszeitung: taz. 18. Juni 2021, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 19. Oktober 2021]).
  16. Johannes Caspar: Login-Falle oder locked in Überwachung? In: Zeitschrift für Rechtspolitik. 2021, S. 193.
  17. SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP: Koalitionsvertrag 2021-2025: Mehr Fortschritt wagen. 24. November 2021, S. 109, abgerufen am 25. November 2021.
  18. FAQ. In: d-64.org. Abgerufen am 2. Mai 2016.
  19. D64: Info-Tweet für d. Medien: Wir sind ein digitalpolitischer Verein, der NUR durch Mitgliedsbeiträge finanziert wird. Durch keine Partei. D64 zeichnet durch Heterogenität und kritische Mitglieder aus, darunter auch Mitglieder der SPD, anderer Parteien und viele Parteilose. In: @D64eV. 2019, abgerufen am 2. April 2019.
  20. Christian Tretbar: Wie die große Koalition das Neuland aufteilen will. In: Tagesspiegel.de. 12. Februar 2014, abgerufen am 3. Mai 2016.
  21. a b Michael König, Johannes Kuhn: Was CNetz, D64 und Digiges wollen. In: Süddeutsche Zeitung Online. 5. April 2012, abgerufen am 2. Mai 2016.
  22. Martin Emmer: KommPol 2014 – Medienpolitische Herausforderungen in Deutschland. In: Carta.info. 4. Februar 2014, abgerufen am 2. Mai 2016.
  23. Stefan Krempl: SPD-Vordenker: Geplantes Digitalprogramm der Sozialdemokraten ist kein großer Wurf. In: heise online. 8. Dezember 2015, abgerufen am 2. Mai 2016.
  24. Max Biederbeck: Bundesregierung startet neuen Anlauf zur Vorratsdatenspeicherung. In: WIRED Germany. 15. April 2015, abgerufen am 2. Mai 2016.
  25. Friedhelm Greis: NSA-Spähprogramme: D64 fordert No-Spy-Siegel für Netzwerktechnik. In: golem.de. 14. April 2015, abgerufen am 2. Mai 2016.
  26. Lars Haferkamp: SPD will künftig 60 Milliarden Euro pro Jahr investieren. In: vorwärts. 3. März 2016, abgerufen am 2. Mai 2016.
  27. Valentina Kerst, Nico Lumma: Themen, Thesen und täglich ein Ticker: der D64 Jahresbericht 2015. In: d-64.org. 1. Februar 2016, abgerufen am 2. Mai 2016.
  28. a b Das war die D64-Superklausur 2020. In: d-64.org. 7. Dezember 2020, abgerufen am 7. Dezember 2020.
  29. D64 ernennt neuen Beirat: die Zukunft zur Utopie machen. In: d-64.org. 10. Februar 2020, abgerufen am 10. Februar 2020.
  30. Mitglieder. In: d-64.org. Abgerufen am 2. Mai 2016.