David Van Reybrouck

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David Van Reybrouck (2010)

David Grégoire Van Reybrouck (geboren 11. September 1971 in Brügge) ist ein flämisch sprechender belgischer Autor, Historiker und Archäologe.

Leben

David Van Reybrouck ist ein Sohn des Ingenieurs Dirk Van Reybrouck und der Lehrerin Bernadette De Bouvere. Sein Vater arbeitete nach der Unabhängigkeit der vormaligen belgischen Kolonie Kongo dort vier Jahre als Eisenbahningenieur. Van Reybrouck studierte Archäologie und Philosophie an der Katholieke Universiteit Leuven und an der Universität Cambridge und wurde an der niederländischen Universität Leiden promoviert.

Van Reybroucks erstes Buch im Jahre 2002 war De Plaag (Die Pest). Es spielt in Südafrika nach dem Ende der Apartheid und wurde in den Niederlanden und in Belgien mit mehreren Preisen ausgezeichnet. 2007 war er Mitautor an einem Situationsbericht über sein Heimatland, dem 2008 ein provozierendes Buch mit dem Titel Pleidooi voor populisme. Pamflet (Plädoyer für den Populismus) folgte. Sein bekanntestes Buch ist aus dem Jahre 2010 Congo. Een geschiedenis, das 2012 in deutscher Sprache erschien. Es schildert die Geschichte des Kongo von der Kolonialzeit bis in die jüngste Vergangenheit.

Heute organisiert Van Reybrouck in der Demokratischen Republik Kongo Workshops für kongolesische Literaten sowohl in Kinshasa als auch im Osten des Landes in Goma.

2011 wurde Van Reybrouck zum Vorsitzenden des PEN Vlaanderen gewählt.

Birepräsentatives System

2016, in Gegen Wahlen: Warum Abstimmen nicht demokratisch ist, plädiert Van Reybrouck in einer Übergangsphase zunächst für ein „birepräsentatives System“ der Volksvertretung mit zwei Kammern – eine gewählt und eine gelost:

„Wahlen waren jedoch nie als demokratisches Instrument gedacht gewesen, sondern als Verfahren, um eine neue, nicht-erbliche Aristokratie an die Macht zu bringen.“[1]
„Ich glaube, dass der dramatischen Systemkrise der Demokratie abgeholfen werden kann, in dem man dem Losverfahren eine neue Chance gibt.“[2]
„Ausgeloste Bürger haben vielleicht nicht die Expertise von Berufspolitikern, aber sie haben etwas anderes: Freiheit. Sie brauchen ... nicht wiedergewählt zu werden.“[2]
„Es wird ein Stück Ruhe wiederherstellen. Gewählte Bürger (unsere Politiker) werden dann nicht nur von kommerziellen und sozialen Medien gehetzt, sondern wissen sich durch ein zweites Gremium flankiert, für das Wahlfieber und Einschaltquoten vollkommen irrelevant sind.“[2]
„Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass die Gründe, die man heute gegen ausgeloste Bürger anführt, häufig mit den Gründen identisch sind, die man seinerzeit gegen die Verleihung des Wahlrechtes an Bauern, Arbeiter oder Frauen anführte.“[2]

Er führt auch eine Reihe „birepräsentativer“ Vorschläge auf (S. 137 ff.), die eine ausgeloste Kammer betreffen, welche neben ein gewähltes Parlament tritt, es also nicht ersetzt; die gewählte und die geloste Kammer sollen sich gegenseitig ergänzen. Alle Vorschläge sehen eine gute Bezahlung und eine gute Ausstattung mit Mitarbeitern vor, damit das Mandat für möglichst viele attraktiv wird. In ähnliche Richtung haben argumentiert u. a.:

  • Ernest Callenbach, Michael Phillips (USA): Umwandlung des House of Representatives in den USA in ein Representative House. Dazu sollten die 435 Volksvertreter nicht mehr gewählt, sondern ausgelost werden. Der Senat bleibt als gewähltes Gremium. Sie hoffen damit, den zu starken Einfluss des „großen Geldes“ zu verringern. Es wird jedes Jahr ein Drittel der Abgeordneten für jeweils drei Jahre gewählt.
  • Anthony Barnett, Peter Carty (UK): Das House of Lords in Großbritannien (die Sitze sind heute noch überwiegend erblich) soll durch eine ausgeloste Kammer ersetzt werden. Sie soll kein Initiativrecht, wohl aber ein Kontrollrecht bekommen.
  • Keith Sutherland (UK): Umwandlung des House of Commons in eine ausgeloste Kammer. Es sollen an die Teilnehmer der Auslosung Mindestanforderungen an Kompetenz, Ausbildung und Alter (mindestens vierzig Jahre) gestellt werden.
  • Ives Sintomer (F): Einführung einer dritten gelosten Kammer in Frankreich neben der Assemblée und dem Senat. Schwerpunkt der Arbeit der Kammer sollten langfristige Themen wie Ökologie, soziale Fragen, Wahlrecht und Verfassung sein.
  • Hubertus Buchstein (EU): Einrichtung einer zweiten Kammer neben dem Europäischen Parlament mit ausgelosten Bürgern: House of Lots. Zweihundert Abgeordnete mit Teilnahmepflicht – proportional nach Mitgliedsstaaten. Mit Initiativrecht für Gesetze und Vetorecht.
  • Terrill Bouricius (USA): teilt die geloste Kammer in sechs, denen er (feste) Aufgabenbereiche zuweist: Agenda Council (AC): Wählt Themen für die Gesetzgebung. 150–400 Personen, Vollzeit mit guter Bezahlung, ausgelost unter Freiwilligen, jedes Jahr ein Drittel für drei Jahre. An den AC können auch Petitionen eingereicht werden. Interest Panels: Sollen Gesetzesvorschläge erarbeiten. Je 12 Personen, Anzahl der Panels unbegrenzt, freiwillige Mitarbeit ohne Bezahlung. Review Panels: Machen aus den Vorschlägen Gesetzesvorlagen. Die Arbeit ist ähnlich wie in parlamentarischen Ausschüssen. Besteht aus 150 Personen, unterteilt in mehrere Panels, Vollzeit mit guter Bezahlung, ausgelost unter Freiwilligen, jedes Jahr ein Drittel für drei Jahre. Policy Jury: Wird jeweils für ein Gesetz berufen, über das sie nach öffentlicher Präsentation berät und beschließt. 400 Personen, jeweils neu ausgelost aus allen erwachsenen Bürgern, Teilnahmepflicht, tagt jeweils mehrere Tage, Tagegeld und Reisekosten. Rules Council: Entscheidet über die Regeln (also quasi die Verfassung) und kann sie ständig ändern, aber darf sich selbst nicht mehr Kompetenz verleihen. Damit wird das Parlament ein selbstlernendes System. Besteht aus 50 Personen, ausgelost unter Freiwilligen, jeweils ein Drittel für drei Jahre, Vollzeit mit guter Bezahlung. Oversight Council: Kontrolliert den Gesetzgebungsprozess, behandelt Beschwerden, ca. 20 Personen, ausgelost unter Freiwilligen, Vollzeit, gute Bezahlung, jeweils ein Drittel für drei Jahre.

Preise und Auszeichnungen

Für sein Buch Congo: Een geschiedenis erhielt Van Reybrouck eine Anzahl Preise, darunter:

  • 2016 wurde er beauftragt, das Boekenweekessay für die Stiftung CPNB zum Thema Deutschland zu schreiben.

Schriften

  • From primitives to primates. A history of ethnographic and primatological analogies in the study of prehistory. Diss. (Universiteit Leiden), 2000. Veröffentlicht 2012: Leiden, Sidestone Press. ISBN 978-90-8890-095-2
  • Pleidooi voor populisme. Querido, Amsterdam 2008, ISBN 978-90-214-3468-1.
    • deutsch: Für einen anderen Populismus: Ein Plädoyer, übersetzt von Arne Braun. Wallstein, Göttingen 2017, ISBN 978-3-8353-3157-0.
  • mit Peter Vermeersch: De Europese grondwet in verzen. Vrijdag, 2009.
  • Congo: Een geschiedenis. De Bezige Bij, Amsterdam 2010, ISBN 978-90-234-5663-6.
  • Tegen verkiezingen. De Bezige Bij, Amsterdam 2013, ISBN 978-90-234-7459-3.
    • deutsch: Gegen Wahlen: Warum Abstimmen nicht demokratisch ist. Wallstein, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8353-1871-7.
  • Zink. CPNB, Amsterdam 2016, ISBN 978-90-5965-358-0.
    • deutsch: Zink. Suhrkamp, Berlin 2017, ISBN 978-3-518-75176-3.
  • Odes. De Bezige Bij, Amsterdam 2018, ISBN 978-94-031-3990-6.
    • deutsch: Oden. Übersetzt aus dem Niederländischen von Waltraud Hüsmert. Insel, Berlin 2019, ISBN 978-3-458-17825-5.
  • Revolusi - Indonesië en het ontstaan van de moderne wereld. De Bezige Bij, Amsterdam 2020, ISBN 978-94-031-8340-4.
    • deutsch: Revolusi - Indonesien und die Entstehung der modernen Welt. Übersetzt aus dem Niederländischen von Andreas Ecke. Suhrkamp, Berlin 2022, ISBN 978-3-518-43092-7.


als Herausgeber:

  • Vincent Viaene, David Van Reybrouck, Bambi Ceuppens (alle Herausgeber): Congo in België. Koloniale cultuur in de metropool. Universitätspresse, Löwen 2009, ISBN 978-90-5867-771-6.

Weblinks

Commons: David Van Reybrouck – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. David Van Reybrouck: Gegen Wahlen. 1. Auflage. Wallstein, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8353-1871-7, S. 109.
  2. a b c d David Van Reybrouck: Gegen Wahlen – Warum Abstimmen nicht demokratisch ist. 1. Auflage. Wallstein, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8353-1871-7, S. 156–158 (198 S., niederländisch: Tegen verkiezingen. Amsterdam 2013. Übersetzt von Arne Braun).