De fato

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

De fato ist eine Erörterung des Marcus Tullius Cicero. Sie ist nach De natura deorum und De divinatione der dritte und letzte Teil seines theologischen Werkes. Unter fatum versteht Cicero wohl, wie er seinem Bruder Quintus in De divinatione I, 125/126 in den Mund legt: 'Mit "Schicksal" (=fatum) aber meine ich das, was die Griechen mit dem Begriff heimarméne erfassen, d. h. die Reihung und Verkettung der Ursachen, da eine Ursache, mit der anderen verknüpft, je eine Wirkung aus sich hervorgehen lässt. ... das ewige ursächliche Gesetz aller Dinge.[1]

Entstehung und Aufbau

Die Schrift wurde in der zweiten Maihälfte 44 v. Chr. fertiggestellt[2].

Cicero schildert als äußeren Rahmen seiner Ausführungen einen Besuch des Aulus Hirtius auf seinem Landgut in Puteoli. Nach der Diskussion der schwierigen Lage des Staates wünscht sich Hirtius einen belehrenden Vortrag von Cicero. Zu Beginn der Vortrags klafft eine erhebliche Textlücke, auch das Ende fehlt.

Quellen und behandelte Theorien

Man hält es für möglich, dass Cicero eine Einzelquelle, etwa eine Schrift des Karneades oder des Antiochos von Askalon benutzt hat. Dies lässt sich aber nicht belegen. Er nennt folgende bedeutenden Philosophen und setzt sich mit den Lehrmeinungen ihrer Schule auseinander: den Megariker Diodoros Kronos, Chrysippos von Soloi, einen Vertreter der Alten Stoa, Epikur und damit den Epikureismus und Atomismus, sowie Karneades aus Kyrene, der die Neue Platonische Akademie vertritt.[3]

Inhalt

Die dargelegten Gedankengänge sind außerordentlich schwierig und facettenreich. Durch die Lücken im Text wird die Rezeption zusätzlich erschwert.

Der Gegensatz von fatum (Vorherbestimmung) und voluntas (freier Wille) wird von Cicero in den Mittelpunkt seiner Erörterungen gestellt. In §§ 7–17 diskutiert er die Schwächen der Lehre des Chrysippos, der die Festlegung der Zukunft durch das fatum vertritt. Aber auch die Ablehnung des fatums durch die Epikureer weist er in § 18 zurück. Ab § 23 führt er einen neuen Gedanken des Karneades ein: motus voluntarius animi (= willentliche Seelenbewegung). Obwohl alles aufgrund vorausgegangener Ursachen (also fatum) erfolge, erfolge es doch durch die menschliche Seelenbewegung (also voluntas).

In §§ 39–45 beleuchtet Cicero das Thema von einer anderen Seite. Er geht jetzt von 2 Lehrmeinungen aus: einerseits alte Philosophen (z. B. Aristoteles), die das fatum postulieren, andererseits 'andere', die die Seelenregungen vom Zwang des fatums frei wissen wollen. Chrysippos sei als Mittler zwischen den Parteien aufgetreten (Widerspruch zu §§ 7–17). Für diesen Kompromiss wird der Begriff adsensio = Zustimmung der Seele (§ 40) eingeführt und der Begriff causae = Ursachen aufgefächert und abgeschwächt in zwangsläufige oder unterstützende.

Die Gedankengänge sind zum Teil nicht völlig schlüssig. Von einigen Herausgebern wurden daher auch Überlieferungsfehler angenommen.[4] Magnus Schallenberg ist in seinem Buch Freiheit und Determinismus den vorgestellten Thesen samt ihrer Herkunft bei verschiedenen Philosophenschulen nachgegangen.

Überlieferung und Weiterwirken

Das Werk wird von Aulus Gellius und auch noch von Augustinus zitiert.[5] Wie De natura deorum und De divinatione ist es in den Handschriften Vossianus Lat. Fol. 84 und 86 (Leiden), 9. Jh. und Vindobonensis Lat. 189 (Wien) 9. Jh. überliefert.[6]

Textausgaben und Übersetzungen

  • Wilhelm Ax (Hrsg.): M. Tvlli Ciceronis scripta qvae manservnt omnia, Fasc. 46: De divinatione. De fato. Timaevs, (Bibliotheca Scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana) Leipzig: Teubner 1938. Mehrere Nachdrucke; abgelöst oder ersetzt von:
  • Remo Giomini (ed.): … [wie oben]: De divinatione. De fato. Timaeus. (BT, s. o.) Leipzig: Teubner 1975.
  • Marcus Tullius Cicero: De fato. Über das Fatum, Lateinisch-deutsch, hrsg. von Karl Bayer (Sammlung Tusculum) München: Heimeran-Verlag 1963 u.ö. (4., überarb. Aufl. Düsseldorf; Zürich: Artemis und Winkler 2000B).
  • Marcus Tullius Cicero: De fato. Über das Schicksal. Lateinisch/deutsch, übers. und hrsg. von Paola Calanchini (RECLAM Universal-Bibliothek 19351), Stuttgart: Reclam 2015.
  • Marcus Tullius Cicero: Über das Schicksal. De fato, Lateinisch-deutsch, hrsg., übers. und erl. von Hermann Weidemann, Sammlung Tusculum, Berlin/Boston: de Gruyter 2019.

Literatur

  • Karl Bayer: Marcus Tullius Cicero: De fato. Über das Fatum, Anhang, München 1963.
  • Elisabeth Begemann: Schicksal als Argument. Ciceros Rede vom "fatum" in der späten Republik, Stuttgart 2012.
  • Klaus Bringmann: Untersuchungen zum späten Cicero, Göttingen 1971.
  • Magnus Schallenberg: Freiheit und Determinismus. Ein philosophischer Kommentar zu Ciceros Schrift De fato, Berlin/New York 2008.
  • Josip Talanga: Zukunftsurteile und Fatum. Eine Untersuchung über Aristoteles' De interpretatione 9 und Ciceros De fato. Mit einem Überblick über die spätantiken Heimarmene-Lehren, Bonn 1986.

Einzelnachweise

  1. Übersetzung Christoph Schäublin
  2. Klaus Bringmann: Physik und Theologie im philosophischen Werk Ciceros
  3. Karl Bayer, Erläuterungen
  4. Karl Bayer, Kommentar zu § 43
  5. Karl Bayer, Fragmente
  6. Karl Bayer, Textüberlieferung