Deklaration von Balamand
Die Deklaration von Balamand (auch Dokument von Balamand) ist eine gemeinsame ökumenische Deklaration der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen, die unter dem Titel Uniatismus, der frühere Weg zur Einheit, und das heutige Suchen nach Wegen zur Einheit am 23. Juni 1993 von der „Gemeinsamen Internationalen Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche“ angenommen wurde. Die Deklaration ging aus ihrer siebten Plenarversammlung hervor, die vom 17. bis zum 24. Juni 1993 im libanesischen Kloster Balamand tagte.
Die Gemeinsame Kommission und Vorgeschichte
In die Gemeinsame Kommission sind hochrangige Amtsträger und Theologen entsandt, welche die katholische bzw. orthodoxe Kirche vertreten. Gebildet wurde die Kommission kraft einer gemeinsamen Erklärung Papst Johannes Pauls II. und des Patriarchen von Konstantinopel Demetrios I., die am 30. November 1979 in Istanbul gefasst wurde. 1980 begann sie ihre Arbeit in Form eines Treffens auf Patmos und Rhodos. Seitdem wurden neun solcher Versammlungen abgehalten, die 1982 in München, 1984 auf Kreta, 1986 und 1987 in Bari, 1988 in Valamo, 1990 in Freising, 1993 in Balamand, 2000 in Baltimore und 2007 in Ravenna stattfanden.
Seit Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde auf Bitten der orthodoxen Teilnehmer nicht mehr über streng theologische Themen diskutiert, sondern nach Möglichkeiten gesucht, eine katholisch-orthodoxe Einheit zu erreichen. Frucht dieser Bestrebungen ist die Deklaration von Balamand. Begünstigt wurde sie von der Erklärung des Treffens in Freising, bei der der Uniatismus als Weg zur Einheit der Kirche verworfen wurde. Die Deklaration von Balamand wurde danach, bei den Beratungen in Ariccia im Juni 1991, von einem gemeinsamen Ausschuss vorbereitet und anschließend in Balamand diskutiert und schließlich verabschiedet.
Inhalt der Deklaration
Die Deklaration von Balamand gliedert sich in drei Teile: Einleitung, Dogmatische Grundlagen und Praktische Grundsätze. In Anlehnung an frühere Vereinbarungen erklärt der Text, nach der Einheit der allgemeinen Kirche zu streben, beide Kirchen als Schwesterkirchen anzuerkennen und von der Position abzurücken, dass nur eine von beiden die einzig wahre Kirche sei.
Die Dogmatischen Grundlagen beinhalten eine Reihe von Thesen, die sich auf die Geschichte der Beziehungen zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche beziehen. Man beschreibt darüber hinaus Möglichkeiten, eine Einheit zu erreichen, und vereinbart, von Uniatismus und Proselytismus Abstand zu nehmen. Es wird versichert, dass die Unierten Kirchen weiter bestehen sollten, da ihnen im Dialog der beiden großen Kirchen eine Vermittlerrolle zugedacht ist.
Die Praktischen Grundsätze umfassen Ratschläge für Geistliche beider Konfessionen, an denen sie sich bei ihrer pastoralen Tätigkeit orientieren sollen. Die Grundsätze beziehen sich auf die Umsetzung der Vereinbarungen, von gegenseitiger Feindschaft abzurücken und in Zusammenarbeit gegenseitige Loyalität zu zeigen. Damit soll das gegenseitige Misstrauen und Vorurteile abgebaut werden. Die Deklaration ruft zudem insbesondere Bischöfe beider Kirchen auf, wohltätige und seelsorgerische Tätigkeiten, wie Unterstützung bei der Liturgie, gemeinsam abzustimmen, sich jedoch nicht in die Angelegenheiten der Gläubigen der jeweiligen Kirche einzumischen und sich in Streitfragen auf gütlichem Wege zu einigen.
- Text in deutscher Übersetzung: Die Eucharistie der einen Kirche. Dokumente des katholisch-orthodoxen Dialogs auf deutscher und auf internationaler Ebene, 3., erw. Auflage, Sekretariat der Dt. Bischofskonferenz, Bonn 1995, 59–67 (Erklärung von Balamand).
Die Bedeutung der Deklaration
Der Inhalt der Deklaration stellte einen enormen Schritt beider Seiten im Dialog der katholischen und der orthodoxen Kirchen dar. Die Katholische Kirche machte Zugeständnisse, indem sie vom Uniatismus abrückte, der für die Orthodoxie unannehmbar war. Von großer Bedeutung war außerdem das beiderseitige Ablassen vom Exklusivismus und das Anerkennen beider Konfessionen als Träger des Heils. Eine Einigung der Kirche wird demnach nur durch das gegenseitige „Treffen in Wahrheit und Liebe“ und nicht durch einen Anschluss oder eine Vereinigung zu erreichen sein.
Mit den in die Deklaration aufgenommenen Grundsätzen näherte man sich deutlich einer Einheit an. Trotzdem oder gerade deswegen weckte die Deklaration auch Kontroversen. Auch wenn Papst und der Patriarch, die Hauptakteure des alten, nunmehr beigelegten Konflikts, zustimmten, so gab es in beiden Konfessionen doch Gegenstimmen. Vor allem die den Exklusivismus betreffende Einigung wurde von konservativen Kreisen abgelehnt. Die Rumänisch-Orthodoxe sowie die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche fühlten sich benachteiligt, da sie, anders als die übrigen Orthodoxen Kirchen, nicht als Schwesterkirchen anerkannt wurden.
Auf orthodoxer Seite waren die Meinungen zur Deklaration von Balamand geteilt. Im Jahre 1995 sagte das Patriarchat der Rumänisch-Orthodoxen Kirche volle Unterstützung für die Deklaration zu. Doch die konservative Mönchsgemeinschaft vom Berg Athos und mit ihr die Griechisch-orthodoxe Kirche lehnten sie ab. Die Synode der Russisch-Orthodoxen Kirche nahm die Deklaration zwar im Juli 1997 zur Kenntnis, bezieht jedoch nach internen Diskussionen keinen eindeutigen Standpunkt.
Die Veröffentlichung der Deklaration hemmte den ökumenischen Dialog zwischen den orthodoxen Kirchen und der katholischen Kirche. Dies zeigte sich insbesondere bei der Gemeinsamen Kommission, die sich erst sieben Jahre später wieder traf. Das Treffen in Baltimore im Jahre 2000 verlief nach heftigen Debatten ergebnislos.
Literatur
- Wacław Hryniewicz: Uniatismus – einst und jetzt. Reflexionen zum Dokument von Balamand (1993). In: Ostkirchliche Studien 43 (1994). ISSN 0030-6487. S. 328–339.
- Hervé Legrand: Hat die Ekklesiologie von Schwesterkirchen, die das Dokument von Balamand unterstützt, "Bürgerrecht" in der katholischen Kirche gefunden? Einige wünschenswerte Klärungen innerhalb der katholischen Kirche und speziell für unsere orthodoxen Partner. In: Ostkirchliche Studien 52 (2003). ISSN 0030-6487. S. 281–315.