Der Himmel über Berlin

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Film
Originaltitel Der Himmel über Berlin
Produktionsland Bundesrepublik Deutschland,
Frankreich
Originalsprache Deutsch, Englisch, Französisch
Erscheinungsjahr 1987
Länge 127 Minuten
Altersfreigabe FSK 6[1]
Stab
Regie Wim Wenders
Drehbuch Peter Handke
Richard Reitinger
Wim Wenders
Produktion Anatole Dauman
Wim Wenders
Musik Jürgen Knieper
Kamera Henri Alekan
Schnitt Peter Przygodda
Besetzung

sowie in kleineren Rollen: Hans-Martin Stier (sterbender Mann), Annelinde Gerstl (auf der Autobahn), Beatrice Manowski (Strichmädchen), Didier Flamand (Engel), Jürgen Heinrich (in einer Altbauwohnung)

Der Himmel über Berlin ist ein Fantasy-Drama von Wim Wenders aus dem Jahr 1987.

Handlung

Die Engel Damiel und Cassiel treten als Beobachter der Welt auf, insbesondere in Berlin. Sie können nicht in das Leben der Menschen eingreifen und sich ihnen nicht zu erkennen geben. Sie können ihnen jedoch neuen Lebensmut einflößen. Das Leben der Engel ist rein geistig, sinnliche Empfindungen sind ihnen unzugänglich. Der Wunsch, am Leben der Sterblichen und deren Empfindungswelt teilzuhaben, wird bei Damiel so groß, dass er dafür bereit ist, auf seine Unsterblichkeit zu verzichten. Mit seinem Harnisch als Startkapital wird er in die Welt hineingeworfen. In einer Trapezkünstlerin, die sich scheinbar von der Erdschwere löst, findet er seinen Gegenpart.

Gebäude Der Engel des Architekten Jean Nouvel. Mit einem Engel aus dem Film, der die Einwohner in Prag-Smíchov beobachtet.

Hintergrund

Zu den Orten des Films gehören der Engel auf der Berliner Siegessäule (wobei es sich hier um einen Studionachbau handelt), der Potsdamer Platz (vor der Neubebauung), der Lesesaal der dortigen Staatsbibliothek zu Berlin, der Anhalter Bahnhof und die Langenscheidtbrücke in Berlin-Schöneberg. Die Außenaufnahmen für den Zirkus spielen auf dem Gelände des heutigen Theodor-Wolff-Parks (Kreuzberg), im Hintergrund sieht man das Tommy-Weisbecker-Haus. Für die Bunkerszenen wurde der Hochbunker Pallasstraße zum Drehort. Die Konzertszenen und die abschließende Akrobatikszene spielen in den Relikten des Hotel Esplanade (Berlin), das mittlerweile versetzt und in das Sony-Center integriert wurde. Dort treffen Damiel und die Trapezkünstlerin bei einem Konzert von Nick Cave & the Bad Seeds das erste Mal aufeinander.

Das Lied vom Kindsein von Peter Handke zieht sich als Leitmotiv durch den gesamten Film, die einzelnen Strophen wurden jeweils gesondert eingespielt.[2] Weitere Texte, auf die sich der Film bezieht, sind Prolog für eine Liebe, Anrufung der Welt (1987) und Das Gewicht der Welt (1977) von Peter Handke, Über den Begriff der Geschichte (1940) von Walter Benjamin, die Duineser Elegien (1923) von Rainer Maria Rilke, die Odyssee (ca. 8. Jahrhundert v. Chr.) von Homer und die Anfangsworte des Buches Genesis.[3]

Als Hommage an den französischen Kameramann Henri Alekan (1909–2001), der sich im Grunde bereits im Ruhestand befand und Wenders den Gefallen tat, für seinen Film Der Himmel über Berlin doch noch mal hinter dem Sucher Platz zu nehmen, trägt der darin vorkommende Zirkus den Namen Circus Alekan.

Rezeption

Kritiken

Der Himmel über Berlin erreichte international große Anerkennung, bei dem US-Filmkritikerportal Rotten Tomatoes besitzt er – basierend auf 49 Kritiken – eine positive Bewertung von 98 %.[4]

„Eine poesievolle Liebeserklärung an das Leben, an die Sinnlichkeit und an die Begrenztheit des irdischen Daseins.“

„Wim Wenders’ meditatives Meisterwerk ist Filmpoesie zum Träumen. In berauschenden Schwarz-Weiß-Bildern und monochromen Farben verzaubern die Theater-Veteranen Otto Sander und Bruno Ganz mit intensivem Spiel. Schwebende Kamerafahrten und sinnliche Toncollagen geben diesem preisgekrönten Film eine Strahlkraft von geradezu hypnotischer Wirkung.“

Premiere Filmredaktion

„Kamera: Henri Alekan. Das ist schon fast alles, was man Wenders’ reichlich naivem und überlangem Film (Drehbuch: Peter Handke) zugute halten mag. Ein geschwätziges, von Kunstgewerbe angekränkeltes, synthetisches Stück Kino.“

Falter[6]

Himmel über Berlin erzeugt Spannung gerade nicht dadurch, dass er seinen Plot herunterfilmt. Er erschafft vielmehr eine Stimmung der Traurigkeit und der Isolation, der Sehnsucht und der Vergänglichkeit alles Irdischen. Falls der Mensch tatsächlich das einzige Tier ist, das weiß, dass es in der Zeit existiert, handelt dieser Film von genau diesem Wissen. Ein wunderschöner Film.“

Auszeichnungen

Der Himmel über Berlin gewann zahlreiche Preise. Er erhielt 1988 den Deutschen Filmpreis in Gold, den Bayerischen Filmpreis und den Europäischen Filmpreis. Auf dem Filmfestival Cannes 1987 gewann Wim Wenders den Preis für die beste Regie. Auf dem Filmfestival in São Paulo 1988 erhielt der Film den Publikumspreis. Er war außerdem für einen César als Bester ausländischer Film nominiert und gewann den Preis des Syndicat Français de la Critique de Cinéma als bester ausländischer Film.

Einfluss

Der Himmel über Berlin war am Tag des terrestrischen Sendebeginns des Fernsehsenders arte, dem 28. September 1992, der erste ausgestrahlte Spielfilm.[8]

1993 drehte Wim Wenders unter dem Titel In weiter Ferne, so nah! eine Fortsetzung mit Otto Sander, Bruno Ganz und Solveig Dommartin in den Hauptrollen. Der Film konnte jedoch nicht an die Beliebtheit seines Vorgängers anknüpfen.

Im Musikvideo zu Stay der Band U2 wurden im selben Jahr Sequenzen sowohl aus Der Himmel über Berlin als auch aus In weiter Ferne, so nah! übernommen, Bandmitglieder stellen darin die unsichtbaren Engel dar.

1998 wurde das Thema des Films unter dem Titel Stadt der Engel (mit Meg Ryan und Nicolas Cage) adaptiert. Im gleichen Jahr erschien die Single Hartreim Saga von Moses Pelham, die mit Homers vorletzten Worten („Nennt mir die Männer und Frauen und Kinder, die mich suchen werden, mich, ihren Erzähler, Vorsänger und Tonangeber, weil sie mich brauchen, wie sonst nichts auf der Welt.“) beginnt.

Zum 20-jährigen Jubiläum kam der Film 2007 mit neuen Kopien – auch digitalen – noch einmal ins Kino; ebenso 2018 in einer nun aus den Originalnegativen restaurierten Version.[9]

In einem Interview berichtete Wim Wenders im Jahr 2009, dass er eine seiner ungewöhnlichsten Erfahrungen mit seinem Film in Tokio gehabt habe. Dort sahen sich in einem stets vollbesetzten Kino ausschließlich Frauen den Film an. Niemand habe sich das dort erklären können. Eine Vermutung dafür sei, dass in dem Film die Männer, also die Engel, zuhören.[10]

Die Popmusikerin Alanis Morissette drehte 2012 in der deutschen Hauptstadt zu ihrem Song Guardian einen Videoclip in Anlehnung an Der Himmel über Berlin. Auf bild.de erzählte die Sängerin im Juli 2012: „Mit dem Video ziehe ich den Hut vor Wim Wenders' Film. Er feiert sein 25-jähriges Jubiläum.“[11]

Zum 70. Geburtstag von Wim Wenders ist 2015 auf der Grundlage des Drehbuchs von Wim Wenders, Peter Handke und Richard Reitinger eine Graphic Novel von Sebastiano Toma im Verlagshaus Jacoby & Stuart erschienen.

Im Film Den Sternen so nah aus dem Jahr 2017 ist Der Himmel über Berlin einer der Lieblingsfilme des Protagonisten und wird in kurzen Ausschnitten auch gezeigt.

Literatur

  • Wim Wenders, Peter Handke: Der Himmel über Berlin. Ein Filmbuch. 1. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-02406-X.
  • Michael Braun: Der Engel der Erzählung. Wim Wenders „Der Himmel über Berlin“. In: Medienobservationen. 4. Februar 2019, ISSN 1612-7315, urn:nbn:de:101:1-2019020412395951594784.
  • Werner Köster: Wim Wenders und Peter Handke. „Kongenialität“ – intermediale Ästhetik – Kommentarbedürftigkeit (= Volker Wehdeking, Gunter E. Grimm, Rolf Parr [Hrsg.]: Literatur und Medien. Band 7). Tectum Verlag, Marburg 2015, ISBN 978-3-8288-6307-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Simone Malaguti: Intermediale Beziehungen im Film Der Himmel über Berlin. In: Revista Contingentia. Band 5, Nr. 1, 2010, ISSN 1980-7589, S. 20–40, urn:nbn:de:hebis:30:3-257943.
  • Matthias Ganter: Wim Wenders und Jacques Derrida. Zur Vereinbarkeit des Filmschaffens von Wim Wenders mit Jacques Derridas dekonstruktiver Literaturtheorie. Tectum, Marburg 2003, ISBN 3-8288-8486-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Richard Raskin (Hrsg.): Wim Wenders’ Wings of Desire (= Richard Raskin [Hrsg.]: P.O.V – A Danish Journal of Film Studies. Nr. 8). Aarhus 1999, OCLC 643973524, S. 101–115 (englisch, Online bei der Aarhus University [PDF; 5,0 MB]).
  • Christian Rogowski: Wings of Desire (= Camden House German Film Classics. Band 2). Boydell & Brewer, Rochester / New York 2019, ISBN 978-1-64014-037-0 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Thomas Kroll: Der Himmel über Berlin – säkulare Mystagogie? Wim Wenders’ Spielfilm als Herausforderung für die Praktische Theologie (= Klaas Huizing, Michael Meyer-Blanck, Hermann Timm [Hrsg.]: Symbol – Mythos – Medien. Band 11). Lit Verlag, Berlin / Münster 2008, ISBN 978-3-8258-7322-6.
  • Patrick Com Hogan: Metaphor in Cinematic Simulation, or Why Wim Wender’s Angels Live in a Colorless World. In: Kathrin Fahlenbrach (Hrsg.): Embodied Metaphors in Film, Television, and Video Games. Cognitive Approaches (= Routledge research in cultural and media studies. Band 76). Routledge, New York 2016, ISBN 978-1-138-85083-5, S. 51–67 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Weblinks

Commons: Der Himmel über Berlin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Freigabebescheinigung für Der Himmel über Berlin. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF).Vorlage:FSK/Wartung/typ nicht gesetzt und Par. 1 länger als 4 Zeichen
  2. Lied vom Kindsein. In: Handkeonline – Österreichische Nationalbibliothek. Abgerufen am 15. August 2019.
  3. Simone Malaguti: Intermediale Beziehungen im Film Der Himmel über Berlin. In: Revista Contingentia. Band 5, Nr. 1, 2010, ISSN 1980-7589, S. 20–40, urn:nbn:de:hebis:30:3-257943.
  4. Wings of Desire. In: Rotten Tomatoes. Fandango, abgerufen am 28. Juli 2018 (englisch).Vorlage:Rotten Tomatoes/Wartung/Artikel nicht mit Wikidata verknüpft
  5. Der Himmel über Berlin. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 10. Oktober 2016.
  6. Conrad Menzel: Die ganze Stadt, Der Freitag-Artikel vom 23. September, 2012. Abgerufen am 19. März 2015
  7. Wings of Desire, Rezension von Roger Ebert vom 12. April 1998
  8. 10 Jahre ARTE: 1992–2001, S. 10 (PDF; 3,6 MB) abgerufen am 24. Mai 2017
  9. Ein Klassiker völlig neu gesehen auf morgenpost.de
  10. youtube.com
  11. Alanis Morissettes Liebeserklärung an Berlin auf www.bild.de, 27. Juli 2012