Der Stern des Wallenstein
Operndaten | |
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Titel: | Der Stern des Wallenstein |
Szenenbild | |
Form: | Kammeroper |
Originalsprache: | Deutsch |
Musik: | Akos Banlaky |
Libretto: | Kristine Tornquist |
Literarische Vorlage: | Leo Perutz: Nachts unter der steinernen Brücke |
Uraufführung: | 3. Juli 2009 |
Ort der Uraufführung: | Wien, sirene Operntheater in der Ankerbrotfabrik |
Spieldauer: | ca. 1 Stunde |
Ort und Zeit der Handlung: | Prag 1606 |
Personen | |
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Der Stern des Wallenstein[1] ist die vierte Kammeroper des österreichischen Komponisten Akos Banlaky aus dem Jahr 2009. Es stellt die dritte Zusammenarbeit Banlakys mit Kristine Tornquist (Libretto) und dem sirene Operntheater Wien dar. Die Geschichte des Wallenstein ist dem Roman Nachts unter der steinernen Brücke von Leo Perutz entnommen. Es ist darin die achte von insgesamt vierzehn Erzählungen und trägt auch im Roman den Titel Der Stern des Wallenstein.
Handlung
Am Hof des Kaisers Rudolf II. wird gespart und vielen Bediensteten das Salär nicht ausbezahlt, so auch dem Astronomen Johannes Kepler. Im Gespräch mit dem Geheimsekretär Hanniwald beschwert sich Kepler, dass er als seriöser Astronom nicht die astrologischen Voraussagen treffen wolle, die der Kaiser wünsche. Zum Abschluss des Gesprächs fragt Kepler noch nach dem jungen Adeligen Waldstein, denn der will sich von ihm ebenso eine astrologische Berechnung machen lassen. Er ist neugierig, denn Kepler liest aus der Handschrift des Waldstein einen schwierigen, aber großen Charakter.
Nun kommt der junge verarmte Waldstein zu Kepler. Das Quaken der Frösche im Teich hinter Keplers Haus stört ihn übermäßig, er erzählt, dass ihn alle Tierlaute rasend machten, wie auch all die Tiere, die er rund um seine Wohnung schreien, bellen und meckern hört. Waldstein will sich für die kommende Nacht die Planetenkonstellation berechnen lassen. Denn er hat vor, sich einer Diebesbande anzuschließen, um an Geld für seine politischen Unternehmungen zu kommen. Dafür hofft er auf den guten Einfluss des Mars. Doch Kepler berechnet für ihn die Venus. Waldstein verspricht Kepler den Lohn für die Berechnung nach der betreffenden Nacht.
Waldstein hat verabredet, dass er abends von einer Kutsche abgeholt wird, die ihn unter strengen Sicherheitsvorkehrungen zu Barvitius, dem Haupt der Diebesbande, bringen soll. Der Überfall soll auf den reichen Juden Mordechai Meisl verübt werden, den heimlichen Schatzmeister des Kaisers, der in letzter Zeit sein Geld wie ein Verrückter verschenke und unter die Leute bringe. Waldstein steigt in die vorfahrende Kutsche ein. Die Augen werden ihm verbunden.
Nach langer Fahrt wird er in ein Schloss geführt, wo ihn aber nicht der Barvitius, sondern eine schöne, maskierte Frau erwartet. Nach Missverständnissen auf beiden Seiten wird Waldstein erklärt, dass die Dame die Freiheit liebe und deshalb inkognito und maskiert für eine Nacht seine Geliebte sein wolle. So verbringt Waldstein mit der Unbekannten eine Liebesnacht. Doch morgens erkennt er am verhassten Krähen des Hahnes seiner Wirtin, dass er sich nicht weit von zuhause befindet und es sich bei der Unbekannten um seine Nachbarin, die schöne, sehr reiche Witwe Lukretia, handelt. Nachdem er sie enttarnt hat, willigt sie ein, ihn zu heiraten.
Als er in sein kleines Zimmer zurückkommt, wartet dort der Verbindungsmann der Diebesbande aufgeregt auf ihn. In der Nacht sind der Barvitius und seine Gesellen verhaftet worden. Zum Dank für das gute Horoskop, das ihn nun reicher gemacht hat als der geplante Beutezug, schickt Waldstein einen Beutel Golddukaten an den armen Kepler, der der Astrologie nun zugutehält, dass sie besser nährt als die Astronomie.
Ausblick und Durchblick
1608 erfand der niederländische Brillenmacher Lipperhey das Teleskop. Der Himmel, noch Ort mystischer und religiöser Geheimnisse, wurde damit durchschaubar. Auch das Mikroskop, dessen Erfinder umstritten sind, wurde 1608 erstmals in der Öffentlichkeit präsentiert und gewährte Einblicke in die Bausteine der materiellen Welt.
Der Aufbruch ins Unbekannte durch den unvoreingenommenen und durch diese neue Technologie gestützten Blick eröffnete Johannes Kepler neue Erkenntnisse im Grossen wie im Kleinen: 1609 veröffentlichte er seine bahnbrechende Theorie der Planetenbewegungen, 1611 schrieb er seine Arbeit über die sechseckige Struktur der Schneeflocke.
Die Grenzen der Sinnesorgane – Kepler war schwer kurzsichtig – sollten nicht die Grenze der Erkenntnis sein, die Geheimnisse der Natur wollen gelüftet werden: „Ich habe ans Licht gebracht, daß die ganze Natur der Harmonie in ihrem ganzen Umfang und mit allen ihren Einzelheiten in den himmlischen Bewegungen vorhanden ist.“
Ebenfalls 1608 erstellte Kepler, unbezahlter Hofastronom bei Rudolf II. und deshalb Berufsastrologe, dem jungen Wallenstein ein erstes Geburtshoroskop, das nicht unbedingt zu dessen Gunsten ausfiel: „… unbarmherzig, ohne brüderliche und eheliche Lieb, niemand achtend, nur sich und seinen Wollüsten ergeben, hart über die Untertanen, an sich ziehend, geizig betrüglich, ungleich im Verhalten, meißt stillschweigend, oft ungestüm auch streitbar, unverzagt, weil Sonne und Mars beisammen …“
Vor allem aber – und so stellt es auch Perutz dar – war Kepler ein kluger Menschenbeobachter und Psychologe.
Kepler prophezeite dem jungen, aber verarmten Adeligen eine reiche Heirat. Bereits im Mai 1609 fand diese Hochzeit tatsächlich statt. Kepler verwarf zwar die Astrologie nicht per se – so wie er erstmals terrestrische physikalische Gesetze auf Himmelskörper anwandte, hielt er umgekehrt Spiegelungen stellarer Harmonien und Proportionen in die menschliche Seele für wahrscheinlich – doch an den Ausblick in die Zukunft glaubte er nicht.
Da diese historische Verbindung mit der reichen Witwe Lukrezia von Witschkow von einem befreundeten Jesuitenpater jedoch bereits 1608 vermittelt worden war, könnte auch eine scharfe Analyse der Gegenwart Kepler diesen Blick in die Zukunft ermöglicht haben. Wallenstein war sehr beeindruckt, 1627 nahm Kepler zur Erstellung von Horoskopen zu den geplanten Schlachten in festen Dienst, und finanzierte Kepler dafür eine Druckerei für seine wissenschaftlichen Schriften.
Perutz lässt auch Wallenstein das verborgene Gesicht seiner Geliebten entlarven und hinter der Maske eines romantischen Abenteuers eine Goldgrube entdecken – und die Chance ergreifen. Ein anderer hätte die Nacht vielleicht als Anekdote für sich verbucht, nicht jedoch Wallenstein, der seinen eigenen geschärften Sinnen vertraut und ohne Sentimentalität die Täuschungsmanöver durchschaut.
Johannes Kepler wurde 1606 Tycho Brahes Assistent am Prager Hof. Nach dessen Tod übernahm er die Stelle als Hofmathematiker und die Aufgabe, die sogenannten Rudolfinischen Tafeln zu erstellen. Dafür wertete er die Aufzeichnungen Tycho Brahes aus und beschrieb die Positionen der Planeten mit bis dahin unerreichter Genauigkeit, vollendet wurden die Tafeln erst 1627. Außerdem war er zuständig für die Horoskope, die der – wie alle seiner Zeit – abergläubische Rudolf II. bei ihm bestellte. Viele seiner bahnbrechenden Erkenntnisse gelten bis heute.
Von Wallenstein, geboren als Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, ist überliefert, dass er sehr lärmempfindlich war. Wo der Feldherr durchzog, mussten Kirchenglocken schweigen und Tiere weggesperrt werden. Seine Entdeckung – nämlich dass Kriege sich selbst finanzieren – gilt ebenfalls bis heute.
Gestaltung
Szenenfolge
- Prolog. Johannes Kepler
- Rezitativ und Arie des Barvitius (In Prag geht das Gerücht)
- Rezitativ und Szene des Waldstein (Das will mir nicht recht gefallen)
- Passacaglia. Die Fahrt mit der Kutsche (Ich kann nicht länger bleiben in Prag)
- Szene. Waldstein wird in ein helles Zimmer geführt. Die Liebesnacht
- Duett und Bacchanal. Der Hahnenschrei und die reiche Witwe
- Rezitativ und Arie des Leitnitzer (Wo seid Ihr gestern geblieben)
- Epilog. Johannes Kepler (Die Astrologie und die Astronomie)
Besetzung
- Klarinette / Bassklarinette
- Harfe
- Akkordeon
- Schlagzeug
- Klavier / Celesta
- Violine
- Violoncello
- Kontrabass
Werkgeschichte
Der Uraufführung[2] fand am 3. Juli 2009 in der Ankerbrotfabrik Wien statt. Es gab eine Folgeaufführung am 4. Juli. Die beiden Aufführungen waren der siebente Teil des über neun Wochen angelegten Opernuraufführungsprojektes Nachts[3] des sirene Operntheaters, bei dem neun Erzählungen aus Perutz’ Roman Nachts unter der steinernen Brücke ausgewählt wurden, als Kammeropern ausgearbeitet wurden und wöchentlich eine davon zur Uraufführung (samt einer Folgeaufführung) gebracht wurde.[4]
Die musikalische Leitung übernahm François-Pierre Descamps, Regie führte Kristine Tornquist.
Sänger und Sängerinnen
- Gernot Heinrich (Wallenstein)
- Nina Maria Edelmann (Lukretia von Landeck)
- Armin Gramer (Johannes Kepler)
- Gottfried Falkenstein (Georg Leitnitzer)
- Alfred Werner (Barvitius)
- Richard Helm (Kutscher / Diener der Lukretia)
- Johann Leutgeb (Mordechai Meisl)
ensemble on_line / PHACE
Leading Team
- Kristine Tornquist (Regie)
- François-Pierre Descamps (musikalische Leitung)
- Jakob Scheid (Bühne)
- Markus Kuscher (Kostüm)
- Edgar Aichinger (Licht)
- Rainer Vierlinger (Coregie)
- Sabine Maringer, Karlo Svetlicic (Bühnenmaschinisten)
- Jury Everhartz (Produktionsleitung)
Musikerinnen
- Gregor Narnhofer (Klarinette)
- Mariagrazia Pistan-Zand (Harfe)
- Nada Sladonja (Akkordeon)
- Mathilde Hoursiangou (Tasteninstrumente)
- Thomas Wally (Violine)
- Jörg Ulrich Krah (Violoncello)
- Barbara Tanzler (Kontrabass)
- Berndt Thurner (Schlagwerk)
Den Ehrenschutz der Uraufführung übernahm die damalige Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur der Republik Österreich Claudia Schmied.
Weblinks
- Video der Uraufführungsproduktion auf YouTube
- Klavierauszug (PDF; 824 kB)
- Libretto (PDF; 37 kB)