Deutsche Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft
Die Deutsche Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft (genannt auch Deutsche Schlaf- und Speisewagengesellschaft; später Deutsche Service-Gesellschaft der Bahn, abgekürzt DSG) war ein Tochterunternehmen der Deutschen Bundesbahn mit Sitz in Frankfurt am Main, das 1950 aus der in Westdeutschland vorhandenen Infrastruktur der MITROPA hervorging. Sie bestand bis 1994 bis zur Zusammenlegung mit der in der DDR weiter existierenden MITROPA AG unter deren Namen.
Geschichte
Durch die Aufteilung Deutschlands 1945 in vier Besatzungszonen, wurden auch im Eisenbahnbereich Anpassungen nötig. Für die Amerikanische und Französische Besatzungszone wurde bereits 1945 eine Direktion West der MITROPA in Frankfurt am Main eingerichtet. In Hamburg-Altona wurde der Eisenbahn-Speisewagen- und Schlafwagenbetrieb für die britische Besatzungszone eingerichtet. Nach Gründung der Deutschen Bundesbahn wurden beide Betriebe unter dem Namen Deutsche Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft zusammengeführt.[1] Am 1. April 1950 nahm sie offiziell ihren Betrieb auf. Die Gesellschaft verfügte über 118 Schlafwagen, 88 Speisewagen, 50 Küchenwagen und sieben Wagen des Rheingold.[2] Ein großer Teil war aber durch Kriegsschäden nicht betriebsfähig. Neben der Aufarbeitung des Bestandes wurden auch Behelfsspeisewagen eingerichtet. Ab 1953 wurden von der Deutschen Bundesbahn auch die ersten Neubauwagen mit Speiseabteil beschafft, die von der DSG bewirtschaftet wurden. Die ersten neuen Schlafwagen wurden schon 1950 beschafft, sie basierten aber noch auf einer Vorkriegskonstruktion. 1953 wurden die ersten Schlafwagen in der 26,4-m-Ausführung vorgestellt. 1962 wurden dann Vollspeisewagen auf der Basis des UIC-X-Wagens für den Rheingold beschafft, sie hatten eine zweistöckige Küche und wurden als Buckelspeisewagen bekannt. Ab 1965 wurden neue Speisewagen für den übrigen Verkehr beschafft, wieder einstöckig, dafür mit 27,5 m Länge.
Die DSG bewirtschaftete, Schlafwagen, Speisewagen sowie die Halbspeisewagen, Büffetwagen, Snackbarwagen und Liegewagen der Deutschen Bundesbahn, die Züge der US-Truppen in Deutschland, die deutschen Fährschiffe der Vogelfluglinie und die Gastronomie an vielen Bahnhöfen in der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich des Westberliner Restaurants im Bahnhof Zoo). Hinzu kamen Gesellschaftswagen, die häufig bei Betriebs- und ähnlichen Ausflügen angemietet wurden und die in den 1980er Jahren entstandenen, heute zur Steigenberger-Gruppe gehörenden, InterCityHotels. Das eingesetzte Wagenmaterial stammte größtenteils aus der Vorkriegszeit und den 1960er Jahren. In den 1970er Jahren wurden versuchsweise Selbstbedienungs-Speisewagen (Quick-Pick) eingesetzt.
Bis 1955 beschränkte sich die DSG auf den Verkehr im Bereich der DB. 1954 wurde die DSG als Mitglied in die Europäische Reisezugfahrplankonferenz aufgenommen[3] und in einem Abkommen mit der Compagnie Internationale des Wagons-Lits auch der internationale Verkehr geregelt. Seitdem bediente die DSG auch den internationalen Verkehr, vor allem Richtung Skandinavien, Österreich und Schweiz.
Ab dem Sommerfahrplan 1955 führte die DSG den „Abteil-Verkaufswagen“ für Züge ein, die keinen Speisewagen oder ein Speiseabteil führten. Dieser wurde von einem Mitarbeiter durch den Zug geschoben und die Fahrgäste am Platz bedient.[4]
1966 übernahm die DB die Speisewagen der DSG, diese war fortan nur noch für die Bewirtschaftung zuständig. 1974 wurden auch die Schlafwagen übernommen und in den europäischen Schlafwagenpool TEN eingegliedert, wobei auch hier die Bewirtschaftung bei der DSG blieb.
In Zügen ohne Speisewagen kam die sogenannte Minibar in den Einsatz. Es handelte sich um kleine fahrbare Verkaufswagen, an denen sich die Passagiere mit Heiß- und Kaltgetränken, warmen Würstchen, abgepackten Broten, Snacks und Süßigkeiten eindecken konnten. Die Wagen wurden am Heimatbahnhof bestückt und konnten bei längeren Haltezeiten oder im Zielbahnhof vom Verkaufspersonal an den jeweiligen DSG-Depots aufgefüllt werden.
Juristisch fusionierten DSG und MITROPA 1994 ebenso wie DB und DR. Angesichts der erheblichen Vermögenswerte im Besitz der MITROPA ging die DSG bei der Fusion in der MITROPA auf. Damit war die DSG eines der wenigen westdeutschen Unternehmen, das von einem ehemaligen DDR-Unternehmen „geschluckt“ wurde.
Corporate Design
Die DSG führte bis 1971 das aus einem stilisierten „M“ mit Adlerkopf über einem vierspeichigen Rad in ovalem Rahmen bestehende Firmenzeichen der Vorkriegs-Mitropa weiter, volkstümlich als „Gefriergans“ bezeichnet. Auch die Gestaltung der DSG-eigenen Wagen orientierte sich zunächst an der alten MITROPA, einschließlich einer eigens für die MITROPA entworfenen Schriftart, der „Schulpig-Schrift“ von Karl Schulpig. Die Grundfarbe der Wagen änderte sich im Laufe der 1950er Jahre von RAL 3003 rubinrot auf das dunklere RAL 3004 purpurrot. Letztere Farbe war auch noch bei der experimentellen Pop-Lackierung in den frühen 1970er Jahren die exklusive Kennfarbe für Schlaf- und Speisewagen.
Ab 1971 erschien ein moderneres Logo in Form eines quadratischen „Kleeblatts“. Dieses wurde auch auf den DSG-eigenen Schlafwagen angebracht. Die moderneren Wagen gingen im Laufe der 1970er Jahre in den Schlafwagenpool über und erhielten „Trans Euro Nacht“-Aufschriften nach internationalem Standard, behielten aber zunächst die purpurrote Grundfarbe und wurden erst später kobaltblau umlackiert. Die DSG verwendete das Kleeblatt-Logo bis zur (Wieder-)Vereinigung mit der MITROPA.
Sonstiges
Die DSG besaß einige Immobilien, unter anderem ein Bürohaus in Frankfurt sowie ein Ferienheim in Traben-Trarbach.
Bezirksleitungen
Die DSG hatte fünf Bezirksleitungen (BL) in den Städten Hamburg, Dortmund, Köln, Frankfurt und München, von denen aus der Personaleinsatz und die Versorgung der Speisewagen, Schlafwagen und Liegewagen gesteuert wurde. In Dortmund war die BL in der Nähe des Hauptbahnhofes untergebracht (Königswall 25 – 27). Das Gebäude existiert noch, am Eingangsbereich konnte man noch 2015 die Flächen erkennen, an denen die Schilder der DSG hingen.
Literatur
- Fritz Stöckl: Speisewagen. 100 Jahre Gastronomie auf der Schiene. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-613-01168-9
- Friedhelm Ernst u. a.: Vom F-Zug zum Intercity. EK-Verlag, Freiburg 1982, ISBN 3-88255-751-6
- Gärtner, Armin: Die Reise- und Arbeitswelt der 70er Jahre – Liegewagenbetreuer bei der Deutschen Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft (DSG) – ISBN 978-3-00-060833-9 Herausgegeben vom Eisenbahn- und Heimatmuseum Erkrath-Hochdahl e.V. Ziegeleiweg 1-3, 40699 Erkrath - www.lokschuppen-hochdahl.de
- Oliver Strüber: Hotel auf Schienen. In: eisenbahn-magazin. Nr. 9, 2019, ISSN 0342-1902, S. 10–17.
Einzelnachweise
- ↑ Eisenbahndirektion Mainz (Hg.): Amtsblatt der Eisenbahndirektion Mainz vom 14. April 1950, Nr. 16. Bekanntmachung Nr. 213, S. 100.
- ↑ OS: Hotel auf Schienen. In: eisenbahn-magazin. Nr. 9, 2019, ISSN 0342-1902, S. 12.
- ↑ Hans-Wolfgang Scharf und Friedhelm Ernst: Vom Fernschnellzug zum Intercity. Eisenbahn-Kurier Verlag, Freiburg 1983. ISBN 3-88255-751-6, S. 121.
- ↑ Bundesbahndirektion Mainz (Hg.): Amtsblatt der Bundesbahndirektion Mainz vom 6. Mai 1955, Nr. 18. Bekanntmachung Nr. 237, S. 107.