Deutsches Atomforum

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Logo des Deutschen Atomforums

Das Deutsche Atomforum e. V. (DAtF) war ein Lobbyverband von Unternehmen, Institutionen und Einzelpersonen, der sich für die nichtmilitärische Nutzung von Kernenergie einsetzt. Er war Jahrzehnte lang bis ca. 2013 als gemeinnützig anerkannt und genoss damit steuerliche Vorteile. Finanziert wird die Arbeit des Atomforums durch Mitgliedsbeiträge, Spenden sowie Einnahmen aus Veranstaltungen und Veröffentlichungen. Im Jahre 2019 fusionierten das Deutsche Atomforum und der Wirtschaftsverband Kernbrennstoff-Kreislauf und Kerntechnik e. V. zum neuen Verband Kerntechnik Deutschland e. V.

Allgemeines

Der Verein hat rund hundert Mitglieder, vor allem Unternehmen der Energiewirtschaft. Sitz des Forums ist Berlin. Es ist Mitglied des europäischen Atomforums FORATOM und der Kerntechnischen Gesellschaft und arbeitet auch mit der World Association of Nuclear Operators (Weltverband der Kernkraftwerksbetreiber) zusammen.

Schwerpunkt der Organisation ist Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Kernenergie. Außerdem veranstaltet sie Kongresse und Seminare.

Karl-Winnacker-Preis

Für Verdienste um die Förderung der Kernkraft verleiht das Deutsche Atomforum den mit 5.000 Euro dotierten Karl-Winnacker-Preis. Dieser ist nicht zu verwechseln mit dem Karl-Winnacker-Preis des Marburger Universitätsbundes.

Preisträger

Präsidenten

Geschichte, Kritik

Der Verein wurde 1959 gegründet, 1961 als Verein eingetragen und fördert seitdem als Interessenvertretung der Atomindustrie und -forschung die friedliche Nutzung der Kernenergie.[1]

Bis ca. 2013 war der Verein durch die Berliner Finanzverwaltung als gemeinnützig anerkannt. Die Gemeinnützigkeit des Vereins ist vielfach kritisiert worden.[2] Die Stuttgarter Nachrichten wiesen in einem Bericht vom 31. August 2015 darauf hin, dass das Atomforum nicht mehr gemeinnützig ist.[3] Nach kritischen Nachfragen des Finanzamtes hat es die Gemeinnützigkeit nicht erneut beantragt. Mit Satzungsänderung vom 15. Mai 2013 wurde der Passus „Gemeinnützigkeit“ gestrichen. Seitdem präsentiert sich das Atomforum auf seiner Website als „Branchendienstleister für die externe und interne Kommunikation auf dem Gebiet der Kernenergie und Kerntechnik“ und als Interessenvertreter seiner Mitglieder statt wie zuvor als gemeinnütziger Verein.

Ende 2007 wurde dem Verein der Worst EU Greenwash Award der Initiative Worst EU Lobbying Award verliehen,[4] da es in einer Werbekampagne mittels Greenwashing versucht habe, Kernenergie als umweltschonend darzustellen.

Das Bundesamt für Strahlenschutz kritisierte den Verein für dessen Behauptung, in Deutschland gebe es einen geeigneten Standort für ein Endlager für radioaktive Abfälle.[5] Zum 50-jährigen Jubiläum des Atomforums kritisierte der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel den Verband als „Propagandazentrale der Atomkonzerne“; sie stehe „wie kaum eine andere Institution für das bewusste Verschweigen, Verdrängen und Verharmlosen der Gefahren, die mit der kommerziellen Nutzung der Atomenergie verbunden sind“.[6]

Einen Tag nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima setzte sich der Verein gegen eine Revision der Laufzeitverlängerung für deutsche Kernkraftwerke ein. Präsident Ralf Güldner argumentierte damit, dass deutsche Reaktoren wesentlich besser gegen Naturkatastrophen geschützt seien als japanische.[7]

Die deutsche Bundesregierung änderte jedoch ihre Atompolitik, rief ein Atom-Moratorium aus und veranlasste eine Sicherheitsüberprüfung aller 17 deutschen Atomkraftwerke. Der im Sommer 2011 in Deutschland eingeleitete Atomausstieg ist in der Folgezeit von den Bundestagsfraktionen und den meisten Politikern befürwortet worden.

Der Verein agiert seitdem in einem schlagartig veränderten Politikumfeld[8].

Die Jahrestagung Kerntechnik 2011 begann mit knapp 1.300 internationalen Gästen am 17. Mai in Berlin, organisiert vom Atomforum und der Kerntechnischen Gesellschaft (KTG).[9] Alle Veranstaltungen mit gesellschaftspolitischem Bezug wurden aus dem Programm genommen, das Gala-Diner abgesagt. Sowohl die Rede des RWE-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Großmann sowie die ursprünglich geplante Rede von FDP-Generalsekretär Christian Lindner fielen aus.[10]

Zu Beginn der Jahrestagung 2011 legten vermutlich Atomkraftgegner vermeintliche Atommüllfässer in einen großen Brunnen in der Nähe des Tagungsgebäudes. Der Staatsschutz soll ermitteln.[11]

Nach dem Stopp der Erkundung des Salzstocks Gorleben gab der Präsident des Vereins, Ralf Güldner, im Dezember 2012 bekannt, dass die Betreiber der Kernkraftwerke einen Finanzierungsstopp der Erkundung erwägen sowie Schadenersatz geltend machen könnten, wenn Gorleben als Endlager ausgeschlossen werde.[12]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. kernenergie.de: Deutsches Atomforum e. V. (DAtF) (Memento vom 6. Januar 2013 im Internet Archive) abgerufen am 25. Dezember 2012
  2. spiegel.de 7. November 1983: Es läßt sich manche Mark sparen
  3. Stuttgarter Nachrichten 31. August 2015: Lobbyorganisationen: Gemeiner Nutzen, abgerufen am 23. Oktober 2015.
  4. Die Gewinner der Worst EU Lobbying Awards 2007 sind…
  5. Bundesamt für Strahlenschutz (12. November 2007): Atomforum arbeitet mit Behauptungen statt Fakten (Memento vom 27. Februar 2011 im Internet Archive). Zitat: „In seiner Pressemitteilung vom 8. November 2007 stellt das Atomforum Behauptungen auf, die der Klarstellung bedürfen“
  6. Gabriel: 50 Jahre Atomforum
  7. Handelsblatt: Deutsche Atomkonzerne in Defensive vom 13. März 2011
  8. Zeit Online: Atomlobby sieht sich durch Stresstest bestätigt. vom 17. Mai 2011
  9. PDF-Dokument bei www.kerntechnik.info@1@2Vorlage:Toter Link/www.kernenergie.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  10. taz.de: Atomforum backt kleine Brötchen
  11. Der Tagesspiegel: Unbekannte legten „Atommüllfässer“ in Brunnen
  12. Die Welt Online: AKW-Betreiber prüfen Zahlungsstopp für Gorleben vom 23. Dezember 2012