Deutschland im Deep Web

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Deutschland im Deep Web
Informationskontrolle, nein Danke!
deutschsprachiges Internetforum im Darknet

Sprachen

Deutsch

Gründer

Alexander luckyspax U. (DiDW), Younam (DiDW2), sudo (DiDW3)

Artikel

28000 Beiträge (DiDW3)

Benutzer

über 23 Tausend (nach BKA)
über 35 Tausend (nach heise.de)
Aktuell registrierte Mitglieder: 11642

Registrierung optional
Online 2013

Deutschland im Deep Web (kurz auch: DiDW) war das größte deutschsprachige Darknetforum. Es ist ausschließlich als Onion Service über das Tor-Netzwerk erreichbar. Die Seite wurde im Juni 2017 vom Bundeskriminalamt beschlagnahmt und ist seitdem mehrmals unter neuen Internetadressen gestartet.

Inhalt

Die Seite war mit über 23.000 angemeldeten Nutzern (heise.de spricht von über 35.000[1]) und durchschnittlich 6 Millionen Seitenaufrufen im Monat nach Angaben des BKA die größte deutschsprachige Webseite im Darknet. Obwohl die Seite in erster Linie ein Diskussionsforum und Chat war und sich auch mit legalen Themen wie dem Meinungs- und Erfahrungsaustausch über IT-Sicherheit bzw. Anonymisierung und Pseudonymisierung und politischen Themen und Verschwörungstheorien beschäftigte, wurde sie auch für den illegalen Verkauf von Waffen, Drogen und kriminelle Aufträge und den Austausch über Hacker- und Fälschungs-Anleitungen verwendet.[2][3] Die Seite war Vorreiter im Treuhanddienst, da der Warenbetrug durch ein Multisignatur-Wallet-System verringert werden sollte.[4]

Geschichte

Die Webseite wurde 2013 unter der Adresse germanyhusicaysx.onion gestartet.[5]

Mediale Aufmerksamkeit erlangte das Forum, als bekannt wurde, dass der Täter des Amoklaufs in München 2016 darüber seine Waffe erworben hat. Dies führte auch dazu, dass schärfere Gesetze über illegale Foren und Webseiten eingeführt werden sollten.[2][6] Der Ermittler des Bundeskriminalamts mit dem Pseudonym Gazza schrieb den Admin luckyspax (forumintern auch lucky genannt), mit bürgerlichem Namen Alexander U., 31 Jahre alt und Informatiker, an und wies ihn auf eine Sicherheitslücke hin und bat ihn um ein Gespräch auf dem DiDW XMPP Server. Gazza hatte sich am 23. August 2016 registriert und bereits 55 Beiträge verfasst und mehrere Mitglieder ausgekundschaftet. Die Ermittler konnten die Adresse des Administrators in Karlsruhe herausfinden, indem sie die Spenden, die mittels Bitcoin bezahlt wurden, zurückverfolgten und auf das Bitcoin.de-Konto von Alexander U. stießen, über welches er die Spenden auf sein Privatkonto auszahlen ließ. Die Ermittler setzten unter anderem gezielt Angriffe wie eine SQL-Injection ein, um dafür zu sorgen, dass sich der Administrator zum Zeitpunkt des Polizeizugriffs eingeloggt am Computer befand.

Im Juni 2017 wurde das Forum bei einer Hausdurchsuchung bei Alexander U. durch das Bundeskriminalamt im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main beschlagnahmt und abgeschaltet.[3]

Im November 2017 begann gegen Alexander U., den alleinigen Administrator, vor dem Landgericht Karlsruhe ein Prozess wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen, der fahrlässigen Körperverletzung in fünf Fällen und der Beihilfe zum unerlaubten Handelstreiben mit Waffen und Rauschmitteln. Alexander U. hingegen behauptete, ihm sei es wichtig gewesen, eine Plattform zu schaffen, in der man in Zeiten von Massenüberwachung anonym kommunizieren und surfen kann.[2][3][7][8][9][10] Er wurde in Untersuchungshaft genommen und am 19. Dezember 2017 zu 6 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.[11][12][13][14][15] Die von der Staatsanwaltschaft ursprünglich beantragte Strafe sollte sich auf über neun Jahre belaufen.[16] Im Januar 2018 wurde der Verkäufer der Waffe an den Amokläufer in München zu sieben Jahren Haft verurteilt.[17]

Die 2018 gestartete Alternativwebseite DiDW 2 wurde nach einem Jahr vom Administrator ohne Angabe von Gründen abgeschaltet.[14][18][19] Zehn Tage später wurde allerdings der Nachfolger DiDW 3 gestartet, bis dieser am 18. März 2019 in Konsequenz einer Serie von Drohbriefen an Gerichte und Einrichtungen gegen Rechtsextremismus, durch einen DiDW User, temporär nicht verfügbar war.[20][21] Im Mai 2019, nach der Abschaltung diverser großer Darknetadressen, ging DiDW 3 wieder online.[22] Auch im neuen Forum ist Kinderpornographie und nun auch der Handel mit Schusswaffen und Sprengstoff ausdrücklich verboten.

Nachwirken

Da die Gesetzeslage von illegalen Foren im Darknet und Deep Web nicht ausreichend geklärt ist und eine Frage nach der Mitschuld von Betreibern besteht, startete der Bundesrat am 15. März 2019 eine Gesetzesinitiative für den Strafbestand von Betreibern von illegalen Handelsplattformen im Internet. Ebenfalls sollen Ermittlungsbehörden von der Deutschen Post mehr Auskünfte erhalten, was Datenschützer kritisch sehen. Das Gesetz soll im Strafgesetzbuch unter Paragraph 126a aufgeführt werden und soll es ermöglichen bei dem Anbieten von Leistungen zur Ermöglichung von Straftaten über eine internetbasierte Leistung, die durch besondere technische Vorkehrungen beschränkt sind, eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren für die Betreiber zu verhängen. Ebenfalls soll der Paragraph § 99 der Strafprozessordnung so verändert werden, dass er den Ermittlern einen Auskunftsanspruch über die erhaltenen und versendeten Postsendungen von Verdächtigen ermöglicht. Des Weiteren fordert das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine überarbeitete Version des IT-Sicherheitsgesetz, die es den Behörden ermöglichen soll, virtuelle Identitäten ohne Genehmigungen zu übernehmen, mehr Auskünfte von Dienstleistern zu erhalten und unbefugt in Systeme einzudringen.[23][24][25][7][26]

Einzelnachweise

  1. heise online: Betreiber eines Darknet-Forums in Karlsruhe festgenommen. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  2. a b c Deutsche Darknet-Größe: Wie "Lucky" demaskiert wurde - Golem.de. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  3. a b c Stefan Mey: Darknet: Waffen, Drogen, Whistleblower. C.H.Beck, 2018, ISBN 978-3-406-72898-3 (google.de [abgerufen am 29. Juli 2019]).
  4. c't-Redaktion: c't Security (2019): Vom Darknet lernen. Heise Medien GmbH & Co. KG, 2019, ISBN 978-3-95788-228-8 (google.de [abgerufen am 29. Juli 2019]).
  5. Illegale Plattform germanyhusicaysx.onion gebustet? In: tarnkappe.info. 12. Juni 2017, abgerufen am 29. Juli 2019.
  6. Der Händler des Todes. 25. August 2017, abgerufen am 29. Juli 2019.
  7. a b heise online: Prozess um Darkweb-Forum: Plädoyers drehen sich um Mitschuld am Anschlag. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  8. heise online: Prozess um Darkweb-Forum: Wie unterschiedlich die Ermittler vorgingen. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  9. heise online: Prozess um Darkweb-Forum: Verantwortung des Betreibers für die Waffengeschäfte. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  10. Süddeutsche de GmbH, Munich Germany, Ronen Steinke, Hakan Tanriverdi: Wie Ermittler „Deutschland im Deep Web“ vom Netz nahmen. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  11. Begegnung mit Lucky von DiDW: Interview mit einem ehemaligen JVA-Insassen. In: tarnkappe.info. 23. Juli 2019, abgerufen am 29. Juli 2019.
  12. Abendzeitung Germany: OEZ-Anschlag: Lange Haftstrafe für Betreiber von Darknet-Plattform. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  13. S. W. R. Aktuell: Sechs Jahre Haft im Karlsruher Darknet-Prozess. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  14. a b DiDW: Betreiber Lucky muss für sechs Jahre ins Gefängnis. In: tarnkappe.info. 21. Dezember 2018, abgerufen am 29. Juli 2019.
  15. heise online: Prozess um Darkweb-Forum DiDW: Sechs Jahre Haft für Administrator. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  16. S. W. R. Aktuell: Darknet-Prozess: Staatsanwaltschaft fordert über neun Jahre Haft. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  17. tagesschau.de: Münchner Amoklauf: Haft für Betreiber von Darknet-Portal. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  18. DiDW: Nachfolger unter germanyruvvy2tcw.onion verfügbar. In: tarnkappe.info. 15. Januar 2019, abgerufen am 29. Juli 2019.
  19. MadTrick -----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE----- Hash: SHA512 Hallo Leute, MadT - Pastebin.com. 3. Februar 2020, abgerufen am 3. Februar 2020.
  20. DiDW 3 endgültig offline. In: tarnkappe.info. 18. März 2019, abgerufen am 29. Juli 2019.
  21. Nach bundesweiter Serie von Drohbriefen: Weitere Drohmail nach Festnahme von Tatverdächtigem aufgetaucht. 9. April 2019, abgerufen am 3. Februar 2020.
  22. DiDW nach Busts wieder online. In: tarnkappe.info. 9. Mai 2019, abgerufen am 29. Juli 2019.
  23. Gesetzesinitiative des Bundesrates: Neuer Straftatbestand Handelsplattform-Betreiber im Darknet - Golem.de. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  24. IT-Sicherheitsgesetz 2.0: Mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden - Golem.de. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  25. Reporter ohne Grenzen: Studie kritisiert Darknet-Paragraf als unnötig - Golem.de. Abgerufen am 29. Juli 2019.
  26. DiDW: Strafbarkeitslücke soll geschlossen werden - Lucky unter Anklage. In: tarnkappe.info. 13. August 2018, abgerufen am 29. Juli 2019.