Dexmedetomidin

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Strukturformel
Struktur von Dexmedetomidin
Allgemeines
Freiname Dexmedetomidin
Andere Namen

(S)-4-[1-(2,3-Dimethylphenyl)ethyl]-3H-imidazol

Summenformel C13H16N2
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 601-281-8
ECHA-InfoCard 100.119.391
PubChem 5311068
ChemSpider 4470605
DrugBank DB00633
Arzneistoffangaben
ATC-Code

QN05CM18

Wirkstoffklasse

Sedativum

Wirkmechanismus

α2-Adrenorezeptor-Agonist

Eigenschaften
Molare Masse 200,28 g·mol−1
Löslichkeit

löslich in Wasser und DMSO[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]

Hydrochlorid

keine GHS-Piktogramme
H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze [1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Dexmedetomidin (Handelsname: Dexdor; Hersteller: Orion Corporation) ist das wirksame Isomer (Eutomer) von Medetomidin, welches als Beruhigungsmittel eingesetzt wird.

Wirkmechanismus

Dexmedetomidin aktiviert ähnlich wie Clonidin dosisabhängig α2-Adrenozeptoren und vermindert so die Freisetzung von Noradrenalin. Dies geschieht insbesondere im Locus caeruleus im Hirnstamm, der an der Steuerung von Aufmerksamkeit und Wachheit beteiligt ist. Angeblich führt dieser spezifische Wirkmechanismus zu einem schlafähnlichen Zustand, aus dem die Patienten auf Ansprache sofort wieder erwachen können und in der Lage sind, zu kommunizieren oder Anweisungen zu befolgen. Weiterhin werden auch α2-Adrenozeptoren des sympathischen Nervensystems aktiviert, was zu dessen Hemmung führt (Sympathikolyse).

Vergleich zu anderen Beruhigungsmitteln

Betrachtet man die Anwendung als Beruhigungsmittel auf der Intensivstation, werden folgende Vorteile beworben:

  • eine bessere Steuerbarkeit der Sedierungstiefe und -dauer im Vergleich zu Benzodiazepinen
  • eine mögliche Langzeitanwendung über mehrere Wochen im Gegensatz zu Propofol
  • eine geringere Gewöhnung und Abhängigkeitsentwicklung im Vergleich zu Benzodiazepinen und Opioiden

Ein Nachteil ist der höhere Preis, weswegen es auch weniger häufig eingesetzt wird. Wie bei Clonidin ist auf Bradykardien und Blutdrucksenkung zu achten. Eine systematisch vergleichende Untersuchung der sedierenden Wirkungen von Dexmedetomidin und Clonidin wurde bisher nicht durchgeführt.

Bei kritisch kranken Patienten im Alter ≤ 65 Jahren zeigte sich ein höheres Sterberisiko bei Behandlung mit Dexmedetomidin im Vergleich zu Propofol und/oder Midazolam. Dieses Ergebnis der klinischen Studie SPICE III[2] wurde im Juni 2022 durch einen Rote-Hand-Brief mitgeteilt.[3]

Wirkung

Neben seiner sedierenden Eigenschaft wirkt Dexmedetomidin vermutlich über eine veränderte Schmerzverarbeitung auch schmerzlindernd (analgetisch), angstlösend und muskelrelaxierend.

Als Nebenwirkung kommt es bei den üblichen geringen Dosen im Rahmen der Hemmung des sympathischen Nervensystems Sympathikolyse zu Herzfrequenzabnahme und Blutdrucksenkung. Bei hohen Konzentrationen, wie sie kurzzeitig beim schnellen intravenösen Spritzen entstehen können, überwiegt die periphere gefäßverengende Wirkung von Dexmedetomidin, so dass es zu einem Blutdruckanstieg kommt.

Anwendung

Dexmedetomidin ist in Deutschland seit 2011 für die Sedierung erwachsener, intensivmedizinisch behandelter Patienten zugelassen.[4] Im Rahmen von Studien existieren Erfahrungen zum Einsatz bei Kindern im Rahmen von Off-Label-Use. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Zulassungsbehörde (EMA) hat in seiner Sitzung vom Juni 2018 eine Zulassungserweiterung für Dexmedetomidin empfohlen: Das Sedativum soll zukünftig angewendet werden zur Sedierung nicht-intubierter Patienten vor und/oder während einer diagnostischen oder operativen Maßnahme, wenn eine Sedierung nötig ist („procedural/awake sedation“).[5] In der Regel kommt die Europäische Kommission einer solchen Empfehlung (positives Votum) nach.

Gegenanzeigen

Kontradindikationen für die Anwendung der Substanz bestehen bei bekannter Unverträglichkeit, unkontrolliert niedrigem Blutdruck, einem AV-Block II – III sowie akuten zerebrovaskulären Ereignissen.[6]

Handelsnamen

  • Cepedex, Dexdomitor, Dexdor, Dexmopet, Sedadex, Sileo

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b c Tocris: Dexmedetomidin, abgerufen am 27. Dezember 2019.
  2. NCT01728558 Early Goal-Directed Sedation Compared With Standard Care in Mechanically Ventilated Critically Ill Patients (SPICE III RCT) ClinicalTrials.gov
  3. Rote-Hand-Brief zu Dexmedetomidin: Risiko von erhöhter Mortalität bei Intensivpatienten ≤ 65 Jahren. 15. Juni 2022, abgerufen am 15. Juni 2022.
  4. Fachinformation Dexdor Stand September 2011.
  5. Summary of opinion (post authorisation), PM EMA vom 28. Juni 2018, abgerufen am 12. Juli 2018.
  6. Fachinformation Dexdor, herausgegeben von Orion Pharma, Stand Juni 2015.