Verschollene Generation
Verschollene Generation (auch: Vergessene Generation) ist eine Bezeichnung für deutsche bildende Künstler, Musiker und Literaten der Generation der Jahrgänge zwischen 1890 und 1914, die in der Weimarer Zeit bereits hervorgetreten waren oder ihre Ausbildung beendet hatten. Durch die Vorgaben zur Kunst im Nationalsozialismus wurden sie an ihrer Wirkung gehindert, etwa durch Ausstellungs-, Veröffentlichungs- und Aufführungsverbot wegen ihrer jüdischen Herkunft, ihrer politischen Ansichten, ihrer Homosexualität oder Beschlagnahmung der Werke in Museen während der propagandistischen Aktion „Entartete Kunst“ von 1937.[1]
Künstler der verschollenen Generation
Diese waren oftmals bereits lokal bedeutsam, wie etwa einige Mitglieder der Hamburgischen Sezession. Zumeist werden Maler der zweiten expressionistischen Generation und der Neuen Sachlichkeit dazu gezählt. Der Marburger Journalist und Kunsthistoriker Rainer Zimmermann (1920–2009) hat in seinem 1980 erschienenen Buch auf die betroffene Generation der bildenden Künstler aufmerksam gemacht und prägte mit dem Titel Die Kunst der verschollenen Generation. Deutsche Malerei des expressiven Realismus von 1925–1975 den Begriff.[2] Oftmals gingen ihre Werke während des Krieges durch Bombenangriffe verloren. Nach Kriegsende fiel es ihnen schwer, an die Erfolge von vor der Zeit des Nationalsozialismus anzuknüpfen. Einige, wie Willem Grimm, Alexandra Povòrina, Fritz Burger-Mühlfeld, Friedrich Ahlers-Hestermann, Curt Witte oder Manfred Henninger, lehrten als Professoren an Kunsthochschulen. Sie beteiligten sich zwar an Ausstellungen, blieben aber bislang nur einem kleineren Publikum bekannt.
Zimmermann prägte auch den Begriff des Expressiven Realismus, mit dem er einen Teil der Künstler charakterisierte.
Die Künstler und Künstlerinnen der Verschollenen Generation sind auf keinen einheitlichen Kunststil festzulegen. Sie arbeiteten sowohl gegenständlich (wie beispielsweise der Tübinger Maler Georg Alfred Stockburger), expressionistisch (Erich A. Klauck) als auch expressiv-realistisch (z. B. Willem Grimm, Johann Kluska, Richard Sprick, Karoline Wittmann, Rudolf Heinisch oder Willi Ulfig), kubistisch-realistisch (Joseph Mader) sowie völlig abstrakt (z. B. Alexandra Povòrina, Fritz Burger-Mühlfeld, Gerhart Hein und Richard Neuz).
Literatur
- Ingrid von der Dollen: Malerinnen im 20. Jahrhundert. Bildkunst der „verschollenen Generation“. Geburtsjahrgänge 1890–1910. Hirmer, München 2000, ISBN 3-7774-8700-7.
- Anke Münster: „Kunst ist Spiel und tiefer Ernst“. Die Imaginistin Alexandra Povòrina (1865–1963), Leben und Werk. Gießen 2004 (Giessen, Univ., Diss., 2003).
- Werner Scheel (Hrsg.): Umbrüche. Maler einer verschollenen Generation. Reimer, Berlin 1998, ISBN 3-496-01174-2 (Arcus 2).
- Martin Schönfeld: Hermann Kirchberger. Ein Künstler der „verschollenen Generation“. „woher? wohin?“ Figuren im Raum. Gemälde, Gouachen, Zeichnungen, Glasfenster. ERS, Berlin 1996, ISBN 3-928577-25-5.
- Rainer Zimmermann: Die Kunst der verschollenen Generation. Deutsche Malerei des expressiven Realismus von 1925–1975. Econ-Verlag, Düsseldorf u. a. 1980, ISBN 3-430-19961-1 (überarbeitete Neuausgabe unter dem Titel: Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation. Hirmer, München 1994, ISBN 3-7774-6420-1).
- Heinz R. Böhme (Hrsg.): Wir haben uns lange nicht gesehen. Kunst der Verlorenen Generation – Sammlung Böhme. München 2020
Museen
- Museum Kunst der Verlorenen Generation, Sammlung Heinz R. Böhme
- Kunsthalle Schweinfurt mit der Sammlung Joseph Hierling
- Museum Baden in Solingen mit der Sammlung Gerhard Schneider
Weblinks
- Künstler der verschollenen Generation
- Künstler der verschollenen Generation in der "Collection of Lost Artists"
Einzelnachweise
- ↑ Florian Weiland: Die vergessenen Generation. In: Südkurier vom 14. April 2016.
- ↑ Zeugnisse der verschollenen Generation, ovb-online.de, abgerufen am 8. März 2013.