Diskussion:Disegno (Kunsttheorie)
Angebliches Zitat Michelangelo
Michelangelo hat keine "Römischen Gespräche" verfasst, gemeint ist hier Francisco de Holanda, der in einem fiktiven Dialog Michelangelo auftreten läßt. Also entweder muss das Zitat raus, oder es muss richtig ausgezeichnet werden.--Amon Heyder (Diskussion) 00:40, 3. Mär. 2014 (CET)
- Wie kommst du drauf daß die Diálogos fiktiv sind? Das ist nach meinem Überblick nicht der Stand der Dinge. Gesichert ist hingegen der Umgang des Malers mit eben den genannten Personen. Ansonsten, richtig ja, jemand könnte hier an eine Verfasserschaft M's denken. Darum würde ich sagen: Michelangelo zitiert nach Francisco de Holanda "Da pintura antiga" (1548). Teil II: Diálogos de Roma/Römische Gespräche--m.sack (Diskussion) 18:41, 4. Mär. 2014 (CET)
- Das wäre eine, mit Verlaub, ziemlich naive Ansicht - es ist eine literarische Tradition, berühmten Personen Meinungen in den Mund zu legen, um dadurch Autorität zu generieren. Michelangelo tritt ungefähr in der Zeit (1546) z.B. auch in Donato Giannottis Dante-Dialog als ein Gesprächspartner auf, aber es wäre vollkommen abwegig anzunehmen, Giannottis Dialog würde Michelangelos Ansichten zur Dichtkunst wiedergeben. Exemplarisch zu Holanda, der sich des "Sprachrohrs" Michelangelo benutzt (und eben nicht das Sprachrohr Michelangelos ist!), bereits Schlosser, Kunstliteratur 1924, S. 248, aber dass Holanda die literarische Figur Michelangelo für seine Zwecke instrumentalisiert (diesen also keineswegs "zitiert") steht wirklich in jeder Einleitung moderner, kritischer Editionen und Übersetzungen der Diálogos (vgl. z.B. die italienische Ausgabe 2003). --Amon Heyder (Diskussion) 19:16, 4. Mär. 2014 (CET)
- Ich vermute du bist auch der Autor der auf der Holanda-Seite hier den Stand von vor hundert Jahren als den letzten darstellt. Will jetzt nicht prüfen ob das damals die wichtigen Leute so gesehen haben, der Stand heute, wie gesagt, ist ein völlig anderer. Nämlich haben wir keine klare Entscheidung in der Sache sondern einfach eine laufende Debatte, ganz klassisch. Es gibt Studien a proposito die dabei immer wieder genannt werden, wie etwa "Two notes on Francisco de Holanda" (J. B. Bury 1981). Und so hört sich das dann an: "There is a particularly close resemblance between the contents of Michelangelo's speech on the utility of painting for ... But again there seems nothing to contradict the possibility that Michelangelo did indeed speak more or less as he is alleged to have done, including the boastful reference which he makes to his own activities during the siege of Florence in 1529." Von rein fiktiv spricht niemand mehr, zumal Holanda kein sonderlich origineller Geist war, wie seine Kunst noch besser belegt: "Diese kurzen Analysen deuten bereits an, was für die meisten Zeichnungen des Buches gilt: Holanda hat sich bei der Wiedergabe seiner Vorlagen eng an den Originalbefund gehalten. Er erlaubte sich nur wenige persönliche Freiheiten in den Darstellungen, die oft der besseren Vermittlung an den Betrachter geschuldet waren, das Verständnis der Vorbilder jedoch nicht beeinträchtigten." (T. Bartsch 2003) Bei den Dialogen sind eigene Interessen freilich im Spiel und von der Kritik immer wieder vermerkt worden. Charakteristisch ist wie H. mit dem konsistenten Punkt beim Meister ungeht, daß die "wahre Wissenschaft" "nur in Italien" verstanden und ausgeführt wird. Da nämlich ist H. praktisch gezwungen "mit Ausnahme von ein zwei spanischen Meistern" einzufädeln. Ja, zum Piepsen. Aber eben Ausdruck dafür, daß seine Eigeninteressen nicht theoretisch sind sondern persönlich ("Image" würde man heut sagen). Klar ist: sagen "fiktiv" ist sachlich falsch, sagen "zitiert nach" ist jedenfalls sachlich nicht falsch, sondern dann einfach eine Frage wie zuverlässig oder nicht man die Quelle einschätzt.--m.sack (Diskussion) 12:12, 7. Mär. 2014 (CET)
- Das wäre eine, mit Verlaub, ziemlich naive Ansicht - es ist eine literarische Tradition, berühmten Personen Meinungen in den Mund zu legen, um dadurch Autorität zu generieren. Michelangelo tritt ungefähr in der Zeit (1546) z.B. auch in Donato Giannottis Dante-Dialog als ein Gesprächspartner auf, aber es wäre vollkommen abwegig anzunehmen, Giannottis Dialog würde Michelangelos Ansichten zur Dichtkunst wiedergeben. Exemplarisch zu Holanda, der sich des "Sprachrohrs" Michelangelo benutzt (und eben nicht das Sprachrohr Michelangelos ist!), bereits Schlosser, Kunstliteratur 1924, S. 248, aber dass Holanda die literarische Figur Michelangelo für seine Zwecke instrumentalisiert (diesen also keineswegs "zitiert") steht wirklich in jeder Einleitung moderner, kritischer Editionen und Übersetzungen der Diálogos (vgl. z.B. die italienische Ausgabe 2003). --Amon Heyder (Diskussion) 19:16, 4. Mär. 2014 (CET)
Natürlich gibt es einen lebendigen Diskurs über die Frage, inwiefern De Holandas Meinungen evtl. mit Michelangelos Meinungen übereinstimmen (da sind wir teilweise d'accord), aber das bedeutet doch keineswegs, dass dies authentische Zeugnisse realer Gespräche sind, die De Holanda quasi protokolliert habe. Und einige Punkte sehe ich kritischer bzw. kann Deiner holprigen Argumentation nicht zustimmen:
- ein Aufsatz, bei dem es um getreue Antikenkopien geht, wird von Dir z.B. als Beleg dafür genannt, dass der Zeichner bei seinem Antikenstudium (weil er ja gut kopiert) nicht orginell gewesen sei? (über die Frage der Originalität De Holandas kann man streiten, aber das Argument geht total daneben)
- es sei "sachlich nicht falsch" die angebliche Aussage einer Person als "zitiert nach" zu bezeichnen, nur, weil sich die Meinungen des Sprechers und der dritten Person (vielleicht ja zufällig) entsprechen? Dann würde auch ein Spielfilm über z.B. Kennedy diesen "zitieren", wenn im Drehbuch Passagen enthalten sind, die der historische Kennedy so gesagt haben könnte (das ist doch trotzdem kein Zitat, nicht einmal ein indirektes!).
- wer sich aus dem Fenster lehnt und behauptet, "von rein fiktiv spricht niemand mehr", der sollte (wenn man schon die Dialogtheorie der Renaissance bzw. die ganze romanistische Forschung dazu mißachtet) zumindest die kunsthistorische Literatur besser kennen, hier ganz willkürlich aus jüngeren kunsthistorischen Arbeiten (zahllose weitere ließen sich anführen): "in den fiktiven Dialogen zwischen Vittoria Colonna, Michelangelos und sich selbst ließ der Portugiese Francesco [sic] de Holanda Michelangelo auch zum Andachtsbild Stellung nehmen..." (Norbert Huse in Huse/Wolters, Venedig 1996, S. 318); "die fiktiven römischen Gespräche ("Diálogos em Roma") mit Michelangelo" (Andreas Schumacher, Michelangelos Teste Divine 2007, S. 68); vgl. auch knapp die Kontroverse zusammengefasst bei Roland Kanz, Kunst des Capriccio 2002, S. 196: "Hollanda dürfte sich in Rom gründlich über aktuelle Ansichten informiert haben und somit vermutlich die Ende der 1530er Jahre gängige Meinung wiedergeben, gleichviel ob man annimmt, daß er in seinen römischen Tagen die Gespräche sogleich abends notiert hat, daß andererseits eine Rekonstruktion aus der Erinnerung vorliegt oder auch, daß die Gespräche insgesamt fiktiven Charakter haben, da sie ein gängiges literarisches Schema durchspielen."
Letzten Endes ist die Frage eben nicht zu entscheiden (Grazia Modroni in ihrer Edition von 2003, S. 11: "Poco importa alla fine se le opere siano o meno la fedele riproduzione del pensiero di Michelangelo o se il pensiero del pittore venga per così dire forzato ed adeguato alle esigenze retoriche e celebrative a cui esse erano destinate."). Wichtig ist mir ja nur, dass die Diálogos em Roma eben primär ein Text von Francisco de Holanda sind und nicht im Sinn von "zitiert nach Michelangelo" verstanden werden können, nur weil die Forschung diese Möglichkeit nicht ausschließen kann ("there seems nothing to contradict the possibility ...", wie sich Bury in der von Dir zitierten Passage hübsch rausredet), nachdem die Hypothese einmal in die Welt gesetzt worden ist. --Amon Heyder (Diskussion) 18:13, 7. Mär. 2014 (CET)
- Das Zitat die Arbeiten Holandas betreffend war nicht als Beleg gemeint, nur als ein Hinweis. Wenn ich weiter sage daß niemand heut einfach mehr von "fiktiv" redet, dann meine ich daß niemand von Gewicht behauptet das sei heut der Stand in der Sache und was du als -hübsche Ausrede- bezeichnest gibt eben genau diesen Stand wieder. Das heist es hat auch nach hundert Jahren niemand die Fiktiv-These, die gleichwohl beliebt geblieben ist, beweisen können oder zureichend untermauert, so, daß er damit bei einer Mehrheit durchgedrungen wäre. Der Grund dafür ist einfach der eben, daß nichts was der Meister nach H. dort sagt gegen das steht was wir sonst aus Briefen, von Vasari, Condivi, Lomazzo oder von sonst wem haben. Ich kann den Text der Mondroni grad nicht einsehn. Aber das Zitat bringt ja nur die beiden bekannten Alternativen nur unter einem seltsamen Stichwort: "poco importa", das ich außerhalb des Zusammenhangs nicht zuordnen kann. - Von mir aus kann man das Zitat aber ganz streichen und ersetzen durch das was Lomazzo überliefert, das viel vollständiger ist und das zum Teil manche Leute vom Fach nicht mal kennen. Also ich bin da jetzt nicht fixiert drauf. (Nochmal nur so als persönlicher Hinweis: wer im Ernst meint H. ist da rumgelaufen und hat in Rom die "gängige Meinung" aufgelesen der hat nun wirklich keinen Schimmer. Allein was da über die Holländer oder über Dürer gesagt wird diskreditiert das völlig.)--m.sack (Diskussion) 00:47, 9. Mär. 2014 (CET)