Diskussion:Felice Salimbeni

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Musikalisches Conversations-Lexikon. Eine Encyklopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften für gebildete aller Stände. Unter Mitwirkung der C. Billert, Franz M. Böhme [u.s.w.] Begründet von Hermann Mendel. Vollendet von August Reissmann. Leipzig: List & Francke [1880] Band 9: S. 28-29


Salimbeni, Felice, berühmter Sopranist und Kastrat, geboren zu Mailand gegen 1712, erwarb sich zu einer Zeit, die an Gesangstalenten überreich war, den Ruf eines der ersten Sänger. Er kam noch sehr jung nach Neapel und wurde hier Schüler Porpora's, des berühmtesten Gesanglehrers jener Zeit. Neunzehn Jahre alt, versuchte er sich zum ersten Male auf der Scene und zwar in Rom in der Rolle des Bircenna in »Cajo Fabrizio« von Hasse. Ein Jahr darauf ging er nach Mailand, dort fand sein erstes Debut ebenfalls in einer Hasse'schen Oper in »Alessandro nelle India« als Poro statt. Obwohl S. als Schauspieler stets sehr wenig leistete, da er auch selbst bei den rührendsten Stellen sich meistens unbeweglich verhielt, so eroberte er dennoch durch seinen Gesang alle Herzen, so dass sein Ruf sich bald verbreitete. 1733 berief ihn der musikliebende Kaiser Karl II. nach Wien und vier Jahre lang war er hier an der Hofoper und in Hofconcerten thätig. Nach dieser Zeit nahm er seinen Abschied hauptsächlich wegen des zu anstrengenden Dienstes in Wien und wegen einer Antipathie, die er gegen den damaligen Kapellmeister Caldara hegte. Er kehrte nach Italien zurück, ging aber 1743 noch einmal nach Deutschland und zwar nach Preussen in den Dienst des Königs Friedrich II.


Im December des genannten Jahres trat er in Berlin in der Rolle des Cäsar in »Catone in Utica« zum ersten Mal auf und erregte den grössten Enthusiasmus, der sich ungeschmälert bis zu seinem Abschiede von dieser Stadt erhielt. Metastasio, der viele der damals componierten Opern dichtete, hatte mehrere Rollen für die Persönlichkeit des Salimbeni speciell eingerichtet; in der »Olympiade«, in welcher Oper der Liebhaber Menagcle für ihn bestimmt war, ist der Geliebten desselben sogar die Beschreibung des Salimbeni also in den Mund gelegt: »Er hatte blondes Haar, schwarze Augenbraunen, schöne rothe Lippen, aber etwas erhaben, und vielleicht ein wenig zu viel; sein Blick war bescheiden und sanft; er erröthete oft; süss war seine Sprache.« Als er 1750 zum Bedauern aller Theaterbesucher Berlin verliess, ging er nach Dresden. Wie man sagt, waren Zwistigkeiten mit dem Könige der Grund und S. soll beim Abschied gesagt haben: »Ich will in Dresden singen, dass man mich bis nach Berlin hören soll.« Hier sang er zuerst in der Hasse'schen Oper »Leucippo« den Carestini und wusste auch hier das Publikum in Entzücken zu versetzen und zu Thränen zu rühren. Die Arien: »Nel lasciarti, oh Padre amato« (im ersten Akt) und »Per me vivi, amato bene« gaben ihm besonders Gelegenheit, seine Meisterschaft zu zeigen. Ebenso blieb die Arie »Parto, non ti sdegnar« in »Ciro riconosciuto«, von ihm gesungen, seinen Hörern noch lange unvergesslich. Zum letzten Male sang er in Dresden 1751 am Charfreitag Abends in der Kirche die Partie des Tiotimo in dem Oratorium »I Pellegrini«. Er war schon leidend und reiste deshalb bald nach Ostern von Dresden ab, um in seinem Heimathlande zu neuer Gesundheit zu erstarken. Aber in Laibach verfiel er in eine ernstliche Krankheit und starb im Mai 1751. Ein Zeitgenosse theilt mit: dass die Stimme dieses ausgezeichneten Sängers, die sich vom kleinen a bis [S. 29] ins dreigestrichene c erstreckte, nicht allein ungemein wohlklingend, rein und voll gewesen sei, sondern dass er vermochte, dieselbe vom leisesten Pianissimo zu einer solchen Stärke anzuschwellen, dass man einen schönen starken Trom petenton zu vernehmen glaubte und den Zuhörern manchmal um den Sänger bange wurde. Sein Bildniss ist zu Berlin auf Verlangen des Grafen Algarotti von G. E. Schmidt in Kupfer gestochen worden. --Haendelfan (Diskussion) 21:57, 20. Jun. 2019 (CEST)


Johann-Adam Hiller. Lebensbeschreibungen berühmter Musikgelehrten und Tonkünstler neuerer Zeit. Teil 1. Leipzig: Dyk 1784, S. 232-240


ACHTUNG in Original Schreibweise = Salinbeni statt Salimbeni


Felice Salinbeni ist ohngefahr um das Jahr 1712 in Mailand geboren. Daß seine Eltern weder von großem Stande noch reich gewesen seyn müssen, kann man daraus abnehmen, daß sie ihn, zu seinem Fortkommen in der Welt, einer beständig hohen Stimme fähig machen ließen. Das Vornehmste der Singkunst hat er der gründlichen Unterweisung des Nicolo Porpora zu danken; und weil sein Landsmann, der ohngefähr im Jahre 1741 zu Bologna verstorbene vortreffliche Contraltist Giuseppe Appiani, insgemein Appianino genannt, bey seiner besonders schönen Stimme, auch viel Geschicklichkeit in der auögehaltenen, gezogenen, doch aber auch dabey netten und brillanten Singart besaß, so erregte dies bey Salinbeni die löbliche Eifersucht, ihm es darinne gleich zu thun. Sie waren [S. 233] gute Freunde, und studirten, hauptsächlich in der erwähnten Absicht, die Steffanischen Duette, mit großem Fleiße, nochmals mit einander durch.


Im Jahrs 1731 wurde zu Rom die Oper Cajo Fabrizio von Hassens Composition, mit besonders großem Beyfalle aufgeführt. Salinbeni erschien dabey zum erstenmale auf der Singbühne, und hatte die Rolle der Bircenna auszuführen, Er gefiel in dieser weiblichen Rolle um soviel mehr, da in seinem Gesichte und in seiner ganzen Figur viel Feines und Frauenzimmern Aehnliches war.


Nicht lange nach dieser Oper sang Salinbeni die Rolle des Poro, in der Oper Alessandro nell'Indie, ebenfalls von Hasse componirt; doch ganz verschieden von der, die er nachher in Dresden aufgeführt hat.


Ohngefähr im Jahre 1733 kam Salinbeni nach Wien, in kaiserliche Dienste: Hier hat er im Jahre 1754, in der Oper La Clemenzia di Tito die Rolle des Sesto; nachher in der Oper Olimpiade die Rolle des Megacle; in der Oper Achille in Sciro 1756 die Rolle des Achilles; und, in eben dem Jahre, in der Oper Ciro riconosciuto die Rolle des Ciro vorgestellt. Jede dieser vier Opern war damals neu; uud die Rollen, die Salinbeni in denselben machte, sind [S. 234] mit Fleiß vom Metastasio für seine Person und seine Fähigkeiten in der Action eingerichtet worden. An der Oper Olimpiade, gegen das Ende der 4ten Scene des ersten Akts, findet man sogar in der Beschreibung, welche Argene von ihrem Liebhaber Megacle macht, die Person des Salinbeni sehr getreu abgebildet. Argene sagt daselbst: Io 1'o presente. Avea // Bionde le chiome, oscuro i ciglio, i labbri // Vermigli si', ma tumicetti, e forse // oltre il dover; gli sguardi // lenti e pietosi un arrossir frequente // un suave parlar "Ich habe sie (seine Gestalt) immer vor Augen. Er hatte blondes Haar, schwarze Augenbraunen, schöne rothe Lippen, aber etwas erhaben, und vielleicht ein wenig zu viel; sein Blick war bescheiden und sanft; er erröthete oft; süß war seine Sprache"


Im Jahre 1737 nahm Salinbeni von Wien wieder seinen Abschied, und kehrte nach Italien zurück, weil ihm die Compositionen des kaiserlichen Vice-Kapellmeisters Caldara zu altväterisch und nicht brillant genug vorkamen, und weil ihn auch das öftere Singen in der Kirche zu sehr angriff. In Italien sang er an verschiedenen Orten in den Opern, und zuletzt noch [S. 235] im Jahr 1742 zu Venedig in der Oper Demetrio von Gluck, wo er den Alceste mit Beyfall vorgestellt hat. Jm Jahre 1743 wurde er in königl. Preussische Dienste berufen, und kam im December dieses Jahres in Berlin an. Die Rolle, worin er sich zuerst auf dem Berliner Theater zeigte, war Cäsar in der Metastasischen Oper Catone in Utica. Der Beyfall, welchen er vom Könige sowohl, als vom ganzen Publiko erhielt, war außerordentlich,' und blieb auch eben so, die ganze Zeit seines Aufenthalts in Berlin. Doch betraf dieser Beyfall immer mehr sein Singen, als seine Aktion; welche meist sehr mittelmäßig war. Er hat in Berlin überhaupt in vierzehn Graun'schen Opern gesungen, und in denselben immer die männliche Hauptrolle gehabt. In den meisten schrieb Grauu eine Adagioarie für ihn, die er auch allemal, als ein Meister in dieser Art, ausführte. In dem einzigen Arminio von Hasse hatte er nicht die Hauptrolle, sondern die von Segimiro, welche ihn auch, sowohl dem Inhalte als der Musik nach, am besten kleidete.


Im Herbste des Jahres 1750 nahm er, zum großen Mißvergnügen der Liebhaber und Kenner des schönen Gesanges, wieder seinen Abschied aus den königlichen Preußischen Diensten, und ging nach Dresden. Daselbst sang er in dem darauf [S. 236] folgenden Winter zuerst in der Oper Leucippo die Rolle, welche vier Jahre vorher Carestini gesungen hatte. Hasse hat die fünf Arien, die in der Rolle standen, für ihn neu componirt, und Salinbeni machte besonders mit der ersten Arie: Nel lasciarti, oh padre amato, einem rührenden Andante in F moll, und der herrlichen Adagioarie im zweyten Akte: Per me vivi, amato bene einen gewaltigen Eindruck auf seine Zuhörer.


Darauf sang er auch in der von Haffe neu gesetzten Oper Ciro riconosciuto. Hier hatte ihm der Componist wieder eine Adagioarie: Parto, non ti sdegnar gegeben, und Salinbeni sang sie so rührend und meisterhaft, daß man bis jetzt noch, sich mit Entzücken des Salinbenischen Parto in Dresden erinnert.


Das letzte, was Salinbeni in Dresden sang, war die Parthie des Teotimo in dem Oratorio I Pellegrini, welches am Charfreytage Abends in der Kirche aufgeführt wurde. Man bemerkte bey dieser Gelegenheit gar sehr den Abgang der Kräfte, und der kränklichen Leibesumstände, die den Salinbeni nöthigten, leider zu früh die musikalische Laufbahn, die er mit so vielem Ruhme bisher betreten hatte, zu verlassen. Er verließ Dresden bald nach Ostern, um nach Italien zu gehen; konnte aber sein Vaterland [S. 237] nicht erreichen, sondern starb, im Sommer des Jahres 1751, nach einer langen und schweren Krankheit, nicht weit von Laubach in Krain. Die Ursache seiner Krankheit war, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht eben sein Fleiß im Singen, sondern der Mangel an Diät, als welche er sowohl dem Leibe als dem Gemüthe nach, sehr schlecht in Acht zu nehmen verstand.


Er war unstreitig einer der größten Sänger, welche Italien hervorgebracht hat. Zwar war er nicht in allen Singarten ohne Unterschied gleich stark; aber in denen, wozu ihn sein Genie trieb, desto vortrefflicher. Seine Stimme war sehr rein und angenehm; zwar nicht eine der stärksten, aber auch nicht schwach, sondern durchdringend ohne Kreischen, und dabey so ziemlich voll. Auch auf großen Theatern, dergleichen die zu Berlin und Dresden sind, konnte man ihn überall ungemein deutlich hören und verstehen. Der Umfang seiner Stimme erstreckte sich, als er in Berlin war, vom ungestrichenen a bis ins dreygestrichene c. auch d. In Dresden aber sang er nie höher als ins zweygestrichene b.


Seine Intonation war überaus rein. Schwerlich hat ein Sänger das Vermögen seiner Stimme sowohl, als auch einige kleine Schwachen derselben besser gekannt, und die letzteren besser vor den Zuhörern zu verbergen gewußt, als Salinbeni.


[238] Nie unternahm er im Singen etwas, wovon er nicht vorher gewiß wußte, daß es ihm gelingen würde. Das Adagio war hauptsächlich sein Feld; dieses sang er ungemein rührend. Mehr als einmal hat er dadurch den Zuhörern Thränen ausgepreßt. An schönen und wohl erfundenen willkührlichen Veränderungen war er sehr fruchtbar; wozu ihm das viel half, daß er mit den Grundsätzen der Harmonie so ziemlich bekannt war, und noch in Berlin von Schaffrath weitern Unterricht darinne genommen hatte. Nächst dem Adagio war das sogenannte brillante Andante, und andere in dieses Fach gehörige Arien, sein Werk. Das Allegro sang er, weil feine Stimme sehr geläufig war, zwar rund, deutlich, und in der gehörigen Geschwindigkeit; doch schien ihin hier bisweilen etwas an dem nöthigen Feuer und Nachdrucke zu fehlen.


Im übrigen war seine ganze Singart ungemein nett und sauber. Die kurzen Triller, die Doppelschläge, und die sogenannten Abzüge nach Vorschlägen machte er überaus gut. Seine langen Triller waren zwar auch nicht schlecht; aber doch ein wenig zu geschwind, und nicht völlig scharf genug. Die Ursache davon lag gewiß nicht am Mangel des Fleißes, sondern, wahrscheinlicher Weise, in der allzugroßen Biegsamkeit der Stimmsaiten in der Luftröhre. Sein Tragen der [S. 239] Stimme, und sein Aushalten der Töne war unverbesserlich schön. Er wußte, bey einer so genannten messa di voce, die Stimme mit großer Reinigkeit und Glätte von der äußersten Schwäche bis zu einem solchen Grade der Stärke zu treiben , daß man einen vortrefflichen starken Trompetenton zu hören glaubte, und daß manchmal den Zuhörern seinethalben darüber bange wurde. Je seltener er aber dergleichen lange in der Höhe ausgehaltene Töne hören ließ, desto mehr Verwunderung erregten sie.


In der Action, besonders wenn sie sehr feurig und heftig seyn sollte, bestand seine Stärke eben nicht. Deswegen waren auch die Arie parlanti oder Actionsrien ihm nicht sonderlich vortheilhaft. Bey andern Arien, besonders bey einem Adagio, fiel es dem Zuhörer kaum einmal ein, daß Salinbeni nicht so steif und unbeweglich, ohne Hand oder Fuß zu regen, auf einer Stelle stehen bleiben sollte, so sehr ward man durch sein Singen bezaubert.


An einem feinen Verstände und einer guten Lebensart im gesellschaftlichen Umgänge fehlte es ihm keineswegs. Wenn er nicht höhnisch und unbilliger Weise beleidigt wurde, war er sehr bescheiden und verträglich, so daß, wenn es Streitigkeiten gab, er nie der Urheber davon war. Da er seiner eigenen Verdienste gewiß seyn konnte: so [S. 240] ward es ihm gar nicht schwer auch an andern Sängern Verdienste zu erkennen. Er sprach von dem Gesange anderer so wenig übel, daß er vielmehr in billigen und wahren Dingen, ihre Vertheidigung manchmal ungebeten übernahm. Wenn doch ein Theil unserer heutigen sogenannten Sänger und Sängerinnen einen Salinbeni sowohl in seiner Kunst, als in seiner Bescheidenheit nachzuahmen suchen wollten.


Man hat ein in Kupfer gestochenes Bildniß, ein Medaillon, von ihm, das der Graf Algarotti, auf seine Kosten, durch den königl. Preussischen Hofkupferstecher Schmidt hat verfertigen lassen. In Dresden wurden allerhand Verse, sogar von Frauenzimmern, zu seinem Lobe gemacht, und in die dasige gelehrte Anzeigen eingerückt.



M. Fürstenau: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe der Kurfürsten von Sachsen (Dresden, 1861–2), Teil 2, S. 262–266 (nicht signierter Beitrag von Haendelfan (Diskussion | Beiträge) 23:58, 20. Jun. 2019 (CEST))


Im Jahre 1751 ward das Carneval am 7. Januar mit der schon 1747 gegebenen Oper Leucippo von Pasquini und Hasse eröffnet, in welcher Felice Salimbeni in der Titelrolle mit ungeheurem Erfolge zum ersten Male auftrat. Er war einer der größten Sänger seiner Zeit. 1712 in Mailand geboren, von Porpora und [S. 263] durch den Umgang mit seinem berühmten Freunde Appiani gebildet, sang er 1731 in Rom, 1733 in Wien. Nachdem er 1742 wieder in Venedig jedermann enthusiasmirt hatte, unter andern auch als Alceste in Gluck's „Demetrio", trat er 1743 in preußische Dienste, erlangte die besondere Gunst des Königs und erregte in Berlin allgemeine Bewunderung, die sich bis zu seinem Abgange nach Dresden (1750) erhielt. Das letztere Engagement scheint nicht ohne Anwendung diplomatischer Kunstgriffe möglich gewesen zu sein und viele Schwierigkeiten bereitet zu haben, wenigstens traten dabei der Chevalier de Saxe, Brühl, Dieskau, Favier u. A. als betheiligte Personen aus.


Die Verhandlungen wurden mit dem größten Geheimniß gesührt, da Salimbeni selbst nicht zu zeitig von der Absicht des Dresdner Hofes unterrichtet werden sollte. Er war nämlich brustkrank und wollte deshalb im September über Dresden, wo er beabsichtigte, einen italienischen Arzt (den Königl. Hofrath und Leibmedicus Philippe de Violante) zu consultiren, nach Italien reisen, um sich dort zu erholen. Bei dieser Gelegenheit sollte er min sür Dresden gewonnen werden, was auch glückte. Er ward mit 4000 Thlr. Gehalt, die er bereits vom 1. Januar 1750 an erhielt, angestellt, mit der Bewilligung, vor seinem Antritte eine größere Reise nach England und Italien zu unternehmen ; außerdem war er vom Kirchendienst befreit und hatte nur bei besondern Gelegenheiten in Hofconzerten mitzuwirken. — Salimbeni hatte in Italien und Wien vorzugsweise Hasse'sche Musik gesungen und Metastasio mehre seiner Opern für ihn gedichtet, das heißt, seine Rollen so eingerichtet, daß sie wenig Spiel erforderten, denn [S. 264] als Darsteller soll er steif und unbeweglich gewesen sein, was man aber über seinen Gesang gern vergessen zu haben scheint.


Metastasio war so für ihn eingenommen, daß er in der Olimpiade gegen Ende der 4. Scene des 1. Aktes, in der Beschreibung, welche Argene von ihrem Geliebten Megacle macht, ein treues Bild Salimbeni's wiedergab. Es heißt dort: Io 1'ò presente. Avea // Bionde le chiome, oscuro i ciglio, i labbri // Vermigli si, ma tumidetti, e forse // oltre il dover; gli sguardi // lenti e pietosi un arossir frequente // un suave parlar "Ich habe sie (seine Gestalt) immer vor Augen. Er hatte blondes Haar, schwarze Augenbraunen, schöne rothe Lippen, aber etwas erhaben, und vielleicht ein wenig zu viel; sein Blick war bescheiden und sanft; er erröthete oft; süß war seine Sprache"

Seine Stimme erstreckte sich vom ungestrichenen a bis ins dreigestrichene c, auch d; in Dresden jedoch sang er nur noch bis ins zweigestrichene b; dabei war sie rein, angenehm, durchdringend und ziemlich voll, ohne sehr stark zu sein. Tadellos war seine Intonation, wie er es denn meisterhaft verstand, kleine Schwächen beim Vortrage zu verbergen. Meister in allen technischen Geheimnissen des Gesanges, glänzte er namentlich in „schönen und wohlerfundenen willkührlichen Veränderungen." Bei größter Glätte und Sauberkeit zeichnete er sich besonders im „kurzen Triller", in Doppelschlägen und in den „so genannten Abzügen nach Vorschlägen" aus. Sein „langer Triller" war weniger gut, doch mag dies weniger [S. 265] an der Ausbildung, sondern an „allzugroßer Biegsamkeit der Stimmsaiten in der Luftröhre" gelegen haben. Sein portamento oder Tragen der Stimme soll „unverbesserlich schön" gewesen sein. Bei einem sogenannten „messa di voce" wußte er die Stimme „von der äußersten Schwäche bis zu einem solchen Grade der Stärke zu treiben, daß man einen vortrefflichen starken Trompetenton zu hören glaubte, und daß manchmal den Zuhörern seinethalben darüber bange wurde; so selten er aber dergleichen lange in der Höhe ausgehaltene Töne hören ließ, desto mehr Verwunderung erregten sie."


Salimbeni scheint seine Stärke hauptsächlich im Ausdrucke des tief Schmerzvollen, im Adagio, gehabt zu haben, nächstdem im sogenannten „brillanto Andante" und andern in dies Fach gehörenden Arien. Das Allegro sang er technisch vollendet, aber nicht mit dem „nöthigen Feuer und Nachdruck", der ihm auch bei der „Action" fehlte, weshalb ihm auch die „Arie parlanti" oder „Actionsarien" nicht sonderlich glückten. Das Adagio war, wie gesagt, seine Hauptstärke. Auf diese Weise pflückte er auch die ersten Lorbeeren in Dresden. Hasse hatte die fünf Arien seiner Antrittsrolle neu componirt und Salimbeni machte besonders mit der ersten : „Nel lasciarti, oh padre amato", einem rührenden Andante in F-moll und dem herrlichen Adagio des zweiten Aktes: „Per me vivi, amato dene" einen gewaltigen Eindruck aus die Zuhörer. Später sang er auch im „Ciro riconosciuto" (2. Akt, X. Scene, Lento, es-dur, alla breve) die Adagioarie „Parto, non ti sdegnar" so rührend und meisterhaft, daß sich noch lange in Dresden die Erinnerung an dies „Parto" erhielt.


[S. 266] Das Letzte, was er in Dresden sang, war die Parthie des Teotimo in dem Oratorium „I Pellegrini" von Hasse, welches am Charfreitage Abends in der katholischen Kirche ausgeführt wurde. Man bemerkte jedoch dabei schon den Abgang seiner Kräfte und seine Kränklichkeit. Er verließ auch Dresden bald nach Ostern 1751*), um nach Italien zu gehen, starb aber schon unterwegs zu Laibach in Krain in den letzten Tagen des Monat August. Mangel an Mäßigkeit in körperlichen und geistigen Genüssen verkürzten seine Tage. Dichter und Maler haben seinen Charakter, seine schönen Züge und seine Kunst durch Verse und Bilder aller Art zu verewigen gewußt. Das beste Portrait von ihm ist das, welches Gras Algorotti in Berlin von dem Königl. preußischen Hofkupferstecher Georg Friedrich Schmidt in Kupfer stechen ließ. In Dresden erschienen im gelehrten Anzeiger Lobgedichte auf ihn, die sogar Frauen zu Verfasserinnen hatten (Vergl. Hiller, Lebensbeschreibungen.).

  • ) Die Entlassung erfolgte durch Rspt. d. d. Dresden, 31. Juli 1751. Unterm 9. August desselben Jahres erhielt er ein „Versicherungsdecret", in welchem er der „erste Sänger und Musikus Unserer Kapelle" genannt und ihm 4000 Thlr. Pension aus Lebenszeit (ohne Berücksichtigung des Aufenthaltes) zugesichert wurden. Wahrscheinlich hoffte man aus seine Wiederherstellung und Rückkehr.