Diskussion:Francis William Webb
Einige kleine Hinweise
So kurz der Artikel ist, so erhält er doch mindestens zwei Fehler (und etliche Ungenauigkeiten...).
1) Webb war nicht „Chefingenieur“ der LNWR, sondern ihr „Chief Mechanical Engineer“. Das erscheint zwar, wenn man den Titel so direkt ins Deutsche übersetzt, dasselbe zu sein, ist es aber nicht. Der „Chief Mechanical Engineer“ der LNWR war mehr als nur der „Chefingenieur“, er unterstand als Leiter (oder meinetwegen auch „Chef“) der Lokomotivbauabteilung (departement). Er unterstand um 1900 neben dem „general manager“ direkt (d.h. ausschließlich) dem Aufsichtsratsvorsitzenden dieser Gesellschaft. Webb unterstand das Lokomotivwerk in Crewe mit – zu Beginn seiner Amtszeit 1871 – einer Belegschaft von 13000 und 1900 von weit mehr als 20000 Mann.
Richtig ist darin immerhin, Webb war tatsächlich „Chefingenieur“ oder „Chefkonstrukteur“ (chief draughtsman) der LNWR unter seinem Vorgänger Ramsbottom und das von 1859 bis 1861. Von 1861 bis 1866 war er dessen Stellvertreter (chief assitant). Zwischen 1866 und 1871 war Webb „managing director“ und Teilhaber der „Bolton Iron & Steel Works“ in Bolton (Lancaster), das einem der Direktoren der LNWR gehörte. Nach dem Rücktritt von Rambottom wurde Webb ohne Neubewerbung oder andere Formalitäten sofort zu dessen Nachfolger in Crewe ernannt.
2) Webb trat nicht 1904 zurück, sondern wurde im May 1903 aus seinem Amt „gedrängt“... (eine hübsche Geschichte, aber zu lang für ein Lexikon).
Nun zu den „Ungenauigkeiten“:
Die Frage der Verbundlokomotiven ist „ein sehr weites Feld“, das ausführlich abzuhandeln nicht unbedingt in einen biographischen Artikel gehört (NB: über Verbundlokomotiven wurde in fast allen Ländern dieser Erde, in denen sie in Betrieb waren, lebhaft und mit Inbrunst gestritten, sogar in Frankreich...).
Fakten sind: Webb war während seiner ganzen Laufbahn ein sehr innovativer Ingenieur und Inhaber von 88 anerkannten Patenten; u.a. führte er als erster Stahl in den Lokomotivbau ein. Die erste von ihm (bzw. unter seiner Leitung) entworfene Verbundlokomotive wurde bereits 1878 gebaut (und das bereits kurze Zeit nachdem Mallet seine erste Verbundmaschine vorgestellt hatte), der bis 1905 mehrere hundert weitere folgten (d.h. auch noch drei Jahre nach seinem Rücktritt), darunter auch 280 Güterzuglokomotiven, die unbestritten zu den erfolgreichsten britischen Verbundlokomotiven zählten (insgesamt sind in Crewe unter seiner Leitung zwischen 1871 und 1902 rund 3000 Lokomotiven erbaut worden).
Über den Wert der einzelnen Typen (Klassen) im Rahmen einer Enzyklopädie, die kurz zusammenfassend Fakten darstellen möchte, streiten zu wollen, ist ohne die Kenntnis des technisch-physikalischen Hintergrunds ziemlich sinnlos, da ansonsten jeder bei Bedarf irgendeinen Artikel oder irgendein Buch pro oder contra zitieren kann. Es fällt lediglich auf, daß es in der Fachliteratur bis 1902 kaum Kritik an den Verbundlokomotiven von Webb gab (im Gegenteil die Lokomotiven auf den Ausstellungen in Paris und in Chicago mit Goldmedaillen prämiert). Die Kritik setzte kurze Zeit vor seinem Rücktritt ein und hielt – vor allem in der populären Literatur - bis 1970/80 an. Dabei war es aber witziger weise so, daß die bekannten „Vielschreiber“ wie Casserley, Ellis oder Nock, die Lokomotiven im Zusammenhang mit dem Betrieb nach 1890 im einzelnem durchaus lobenswert fanden, während sie diese in Verbindung mit den Maschinen seines Nachfolgers merkwürdigerweise kategorisch ablehnten. In den letzten Jahren ist auf diesem Gebiet allerdings wieder um Umdenken zu erkennen.
PS: ungekuppelte Lokomotiven („singles“) wurden in Großbritannien bis nach 1900 gebaut; die „double singles“ von Webb waren demnach so ungewöhnlich auch wieder nicht...
PPS: da der Artikel bereits 2010, also vor vier Jahren, geschrieben wurde und seitdem eigentlich nicht mehr verändert wurde, wird dieser kleine Kommentar vermutlich niemand auffallen. Oder doch? Mal sehen... (nicht signierter Beitrag von 79.238.79.159 (Diskussion) 17:58, 11. Apr. 2014 (CEST))
- Doch auffallen wird dieser Kommentar schon. Doch warum änderst du die Dinge nicht einfach im Artikel selber ab? It's a wiki! Der Chefingenieur stammt wahrscheinlich von mir, als ich den Artikel seinerzeit in der QS bearbeitet hatte, aber da ich mich im Feld des Eisenbahnbaus und vor allem der britischen Organistaion von solchen Firmen nicht auskenne, habe ich es wohl falsch übersetzt. Also wie besagt, da du dich ja offensichtlich mit der Materie gut auskennst, kannst du gerne das ein oder andere ändern und ergänzen, wenn es geht natürlich mit einer Quellenangabe. Grüße --Dr. Slow Decay (The Doctor is in, Rate the Doctor) 13:15, 12. Apr. 2014 (CEST)
- Nochmal ich: Also die beiden Fehler habe ich mit Quelle geändert (kannst ja noch an der Formulierung Abteilungsleiter feilen, wenn die das nicht reicht). Leider steht in den von mir gesichteten Quellen (Ok, waren jetzt nicht sooo viele) nichts, dass er aus dem Amt gedrängt wurde (sondern nur "until his retirement in Nay, 1903", was das unfreiwillige ja nicht ausschließen würde). Vielleicht kannst du da ja noch Klarheit hineinbringen. Die Ungenauigkeiten kann ich nicht bearbeiten, davon habe ich keine Ahnung. --Dr. Slow Decay (The Doctor is in, Rate the Doctor) 13:47, 12. Apr. 2014 (CEST)
Hallo "Slow Decay" (eine bemerkenswerte Selbstbezeichnung...),
ich hätte in der Tat im Artikel selbst etwas ändern können... ja ... aber ich habe kein Bedürfnis, mich nur deshalb anzumelden, bloß um in diesem Artikel tatsächlich etwas zu ändern... soll heißen, ich hätte jetzt im Artikel alles mögliche ändern können, aber anschließend wäre es trotzdem jemand anderes gewesen, der den Artikel dann tatsächlich (endgültig) geändert hätte – oder etwa nicht?
Hier noch ein paar Ergänzungen:
1) zum „Titel“
Was den „Titel“ von Webb betrifft, so ist das nicht so einfach, weil es im Deutschen keine direkte Entsprechung für den englischen gibt. Aus diesem Grund wird bereits in der älteren deutschen Fachliteratur häufig „Chief Mechanical Engineer“ benutzt, was man hierzulande ja meist auch versteht, aber eben meist falsch als „Chefingenieur“ übersetzt (Du hast den Titel somit eigentlich gar nicht falsch übersetzt, aber, so ist das leider, manche Dinge lassen sich nicht 1 : 1 übersetzen). Im Fall von Webb wird dies besonders deutlich, denn sein „Titel“ lautete eigentlich „Superintendent Locomotives“. Etwa um 1900 – die Angaben variieren – wird daraus „Chief Mechanical Engineer“, wie das um jene Zeit bei den großen Eisenbahngesellschaften in Großbritannien üblich wurde. W. Steele bezeichnet in seiner großen (halboffiziellen) „History of the London North Western Railway“ von 1906 Webb allerdings auch noch im Jahr 1902 „Superintendent Locomotives“ (auf S. 459; im fließenden Text schreibt Steel sonst meist „the locomotive superintendent“ – von einem „Ingenieur“ ist hier also nirgends die Rede). Ich gehe davon aus, daß dies auch 1903 noch seine Bezeichnung bei der LNWR gewesen ist (denn auch sein Nachfolger Whale wird bei Steel und anderen zeitgenössischen Darstellungen noch als solcher bezeichnet), so daß die in der Eisenbahnliteratur übliche Bezeichnung „Chief Mechanical Engineer“ lediglich eine Übertragung des zu jener Zeit allgemein üblichen Titels der Chefs der „Lokomotivabteilung“ der anderen Eisenbahngesellschaften auf Webb ist. Wie auch immer. Da man „Superintendent” schlecht als „Aufseher” übersetzen kann, was es ja eigentlich wörtlich bedeutet, muß man den Titel („Superintendent”) entweder so stehen lassen oder, wie ich es machen würde, schreiben „Leiter der Lokomotivabteilung“ und eventuell in Klammer die englische Bezeichnung („Superintendent Locomotives” oder „locomotive superintendent”) hinzufügen. Webb war auf jeden Fall der letzte eigenständige „superintendent locomotives” bei der LNWR, denn mit dem Rücktritt von Webb wurde diese Abteilung und damit auch sein Nachfolger dem General Manager unterstellt (wogegen Webb sich hartnäckig gesträubt hatte, und das erfolgreich mehrere Jahre lang. Die Darstellung dieses Hintergrunds überschreitet natürlich den Rahmen eines solchen kurzen Artikels und deshalb muß man ihn halt weglassen).
Im Artikel könnte allerdings in kurz der Einleitung hingewiesen werden, daß Webb zweimal Bürgermeister (mayor) von Crewe war (jeweils für ein Jahr) sowie alderman dieser Stadt und der Grafschaft (Chestershire), was im übrigen auch in der englischen Wikipedia erwähnt wird (siehe dort).
2) zu den Lokomotiven
Was nun die Lokomotiven vom Typ „Experiment“ betrifft, so beschreibt sie Steel – so wie die meisten Zeitgenossen – als „apparently a succsessful one“ und sie waren noch 1905 noch im Betrieb. So ähnlich drückt sich letztlich ja auch der kurze Text aus, auf den der Link der neuen Fußnote 2 verweist: (http://www.gracesguide.co.ok/): „This engine, named the "Experiment," had a very successful christening trip, and was the first of the well-known three-cylinder compound type with which Mr. Webb's name became so closely associated...“ …
Vielmehr läßt sich darüber in einem kurzen biographischen Artikel nicht unterbringen, wenn man neutral bleiben möchte oder wenn man sich an dieser Stelle nicht in eine technisch-physikalische Diskussion einlassen möchte. Der eigentliche Streitpunkt, auf den der ursprüngliche Autor an dieser Stelle bewußt oder (wie ich eher vermute) unbewußt anspielt, ist der Streit darüber, ob das Verbund- oder Compound-System besser oder schlechter ist als das „einfache“ System ... und dieser Streit dauerte – und wenn man die einschlägige Fachliteratur kennt, weiß man das – bis zum Ende des Baus von Dampflokomotiven an... und über diese Frage wurde zeitweilig mit fast missionarischen Eifer gestritten und das nicht nur in England. Dieser Streit darüber mag wohl interessant und vielleicht sogar amüsant sein, aber er läßt sich halt leider nicht in einen wenige Zeilen umfassenden biographischen Artikel angemessen darstellen. Darüber gibt es viele dicke Bücher, welche die jeweiligen Gegner in der Regel dann doch nicht überzeugen... Aber das gehört hier nicht hin.
3) zum Hintergrund des Rücktritts
Wenn man den theoretischen und technischen Hintergrund nicht kennt, dann ist die Aussage: „da die beiden Antriebsachsen nicht gekuppelt waren, was aber zu betrieblichen Schwierigkeiten führte.“ entweder falsch oder blöd, auf jeden Fall aber mißverständlich. Man streicht diesen die völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Satz deshalb am besten ganz ... es sei denn, man läßt sich an dieser Stelle auf eine rein technische Diskussion darüber ein... zumindest aber müßte man dem Leser kurz erklären, was denn nun eigentlich eine „double single“ Maschine überhaupt ist, von der hier die Rede ist, und aus welchem Grund „Experiment“ (dieser Name ist natürlich kein Zufall) eben als solche gebaut worden ist. Da dies – so vermute ich einmal – die meisten Leser dieses Artikels nicht wissen, so ist diese Aussage in dem Kurzartikel ziemlich sinnlos.
Zum Rücktritt kurz zum besseren Verständnis: Wie bereits angedeutet, bestand der neue General Manager darauf, daß alle Abteilungen künftig seinen Anweisungen unterstanden. Diesem Anspruch unterwarfen sich mit der Zeit alle Abteilungen; nur Webb, der älteste „Abteilungsleiter“ (Superintendent), der bis dahin seine Anweisungen immer vom Vorstandsvorsitzenden der Gesellschaft erhalten hatte, ignorierte diesen Anspruch - und er erhielt auch weiterhin seine Anweisungen vom Vorstandsvorsitzenden. In den 32 Jahren seiner „superintendence“ erbaute Webb rund 4000 Lokomotiven (oben habe ich mich bei „3000“ vertippt). Es waren überwiegend einfache und robuste Maschinen, die zum Teil 60 Jahre im Betrieb waren. Die 30 direkt von „Experiment“ abgeleiteten (Verbund-) Maschinen, von denen hier hauptsächlich die Rede ist, verrichteten bis zum finalen Zusammenprall von Webb und dem neuen jungen General Manager ebenfalls klaglos ihren Dienst; sie bekamen Goldmedaillen und wurden gerade in der Fachwelt im Allgemeinen gepriesen; dann aber „entdeckte“ der General Manager, sie seien im Grunde eine Fehlkonstruktion und könnten einen reibungslosen Betrieb nicht gewährleisten (in wie weit andere Leute beteiligt waren, ist umstritten) ... das war der Anfang vom Ende, zumal dieses Thema dann nach einiger Zeit von mehreren Journalisten in der Fachpresse aufgegriffen (auf deren negative Berichte stützen sich jedoch bis heute vor allem populäre Darstellungen; auf http://www.steamindex.com/ kann man jedoch etliches über den derzeitigen Stand der Diskussion finden). Die zusätzlichen persönlichen und technischen Aspekte der Geschichte kann ich hier auf die Schnelle gar nicht darstellen. Da sie den Rahmen eines kurzen biographischen Artikels überschreitet, muß man sie weglassen, darf aber auch nicht mit den (wohl nicht verstandenen) Halbsätzen („da die beiden Antriebsachsen nicht gekuppelt waren, was aber zu betrieblichen Schwierigkeiten führte.“) indirekt darauf anspielen...
Ich hoffe, diese Hinweise helfen ein wenig... P. (nicht signierter Beitrag von 79.238.67.223 (Diskussion) 23:53, 12. Apr. 2014 (CEST))
- Hallo P.
- Du musst dich nicht anmelden um etwas an dem Artikel ändern zu können, das kann man auch anonym.
- Ich habe den ursprünglichen Artikel nicht geschrieben, sondern damals nur im Rahmen der allgemeinen Qualitätssicherung überarbeitet. Zu den technischen Fragen kann ich nichts sagen deswegen habe ich
- den Artikel der QS-Bahn übergeben, um deine Anmerkungen ggf. einzubauen.
- Schönen Sonntag noch. --Dr. Slow Decay (The Doctor is in, Rate the Doctor) 11:56, 13. Apr. 2014 (CEST)
- Auch wenn die Biographie kurz ist, heißt das ja nicht, dass sie es auch bleiben muss. Einige Daten und Zahlen könnte sie vertragen, Du scheinst die Quellen dafür zu haben. Das Problem Verbundlokomotive muss ja nicht ausführlich dargestellt werden, dennoch scheint es ja ein interessantes "Experiment" gewesen zu sein. Soweit ich das verstehe, hat er auf die Kuppelstange verzichtet. Da ich aber nicht weiß, wieviel Achsen die Lok hatte, kann ich das nicht genauer beschreiben. --Köhl1 (Diskussion) 12:38, 13. Apr. 2014 (CEST)
- Ich vermute mal, dass es um "Dreadnaught Class" und "Teutonic Class", vielleicht hilft das als Ausgangspunkt für weitere Recherchen, mir fehlt momentan leider die Zeit. -- Bahnwärter (Diskussion) 00:19, 14. Apr. 2014 (CEST)
- Auch wenn die Biographie kurz ist, heißt das ja nicht, dass sie es auch bleiben muss. Einige Daten und Zahlen könnte sie vertragen, Du scheinst die Quellen dafür zu haben. Das Problem Verbundlokomotive muss ja nicht ausführlich dargestellt werden, dennoch scheint es ja ein interessantes "Experiment" gewesen zu sein. Soweit ich das verstehe, hat er auf die Kuppelstange verzichtet. Da ich aber nicht weiß, wieviel Achsen die Lok hatte, kann ich das nicht genauer beschreiben. --Köhl1 (Diskussion) 12:38, 13. Apr. 2014 (CEST)
An Slow decay, Köhl1 und Bahnwärter:
Zunächst prinzipiell:
1) es geht mir nicht darum Webb, oder seine Maschinen zu verteidigen. Sie sind Geschichte – und, egal was wir heute dazu sagen, sie kommen nicht mehr wieder.
2) bei der Bewertung der Verbundmaschinen von Webb ging und geht es (in der britischen Literatur) immer auch um die Einschätzung von „Verbundmaschinen“ bzw. um die „Verbundbauart“ als solche. Dies ist somit ein zentraler Punkt, der auch bei der Einschätzung von den Verbundmaschinen anderer Gesellschaften aufgegriffen wird. Da der unmittelbare Nachfolger von Webb, George Whale, binnen weniger Jahre alle Verbund-Schnellzuglokomotiven von Webb auf den Schrottplatz brachte und sie durch (betont) einfache Zweizylinder-Maschinen ersetzte, gelten (vor allem in der Literatur der „Eisenbahnfreunde“) die Verbundschnellzug-Lokomotiven von Webb quasi als Musterbeispiele dafür, daß „Verbundlokomotiven kompliziert waren und obendrein teuer und daß sie überdies überhaupt nichts taugten... und dann folgen in der Regel etliche unterhaltsame Anekdoten über Webb und seine Maschinen. Auf diese populäre Praxis spielt wohl auch der sinnlose Halbsatz an: „da die beiden Antriebsachsen nicht gekuppelt waren, was aber zu betrieblichen Schwierigkeiten führte.“. Daß aber der Nachfolger von Whale bereits 1911 wieder zu („komplizierten“) Mehrzylindermaschinen zurückkehrte, weil die „einfachen“ Lokomotiven von Whale für die immer schwereren Züge nicht mehr genügten, wird in der Eisenbahnfreund-Literatur meist übersehen. Aus diesem Grund muß man entweder auf den (doch recht komplizierten) technischen Hintergrund eingehen oder diesen Leer-Satz „da die beiden Antriebsachsen nicht gekuppelt waren, was aber zu betrieblichen Schwierigkeiten führte.“ weglassen.
So jetzt kommt die Begründung (vor allem wohl an an „Köhl1“ und „Bahnwärter“):
Kurz zu „Experiment“ und ihre Nachfolgerinnen:
Die Lokomotive „Experiment“ war von der Bauart „2-2-2-0“ bzw. (nach dem deutschen/UIC System) eine „2AA 3v“.
Eine recht gute Abbildung der Maschine kann man im Internet finden unter: http://www.gracesguide.co.uk/File:Im1882EnV53-p163.jpg
Die Bauart „2-2-2-0“ ist so ungewöhnlich nicht, wie sie heute scheinen mag. Da in Großbritannien die Hauptstrecken für wesentlich höhere Achslasten ausgelegt waren als auf dem Kontinent, waren dort „Singles“ lange Zeit sehr beliebt (also die Bauarten 1A1, 2A1, 1A2 T, 2A, 3A, etc.). Noch 1910 wurden dort ungekuppelte Lokomotiven neu gebaut, da sie einen geringeren Maschinenwiderstand besitzen als gekuppelte Maschinen (es gab mehrere „double singles“, also AA Maschinen; noch 1898 – also 15 Jahre nach „Experiment“ - baute D. Drummond z.B. eine 2’AA Schnellzuglok für die LSWR).
„Experiment“ besaß eine Joy-Steuerung, alleine das schon erregte Aufsehen (Webb war überhaupt der erste, der Joy-Steuerungen einsetzte). An der Lokomotive wurden verschiedene Zylindergrößen für die Hoch- und Niederdruckzylinder ausprobiert, sowie unterschiedliche Verbindergrößen, diverse Steuerkästen und Steuereinstellungen (etc.) getestet, solange bis das Ergebnis befriedigte. Erst dann wurden kleine Serien von 10 Maschinen gebaut, die jeweils verbessert und angepaßt wurden. Um genaue Meßdaten zu erhalten ließ Webb damals – als einer der ersten – einen speziellen Dynamometer-Wagen bauen. In mehreren Aufsätzen in Fachzeitschriften sowie in Vorträgen vor den Mitgliedern des „Institute of Mechanical Engineers“ berichtete Webb ausführlich über die Versuchsergebnisse. Die „modernen“ Verbund-Lokomotiven von Chapelon (die heutige Autoren unbewußt vor Augen haben), die aber erst fünfzig bis sechzig Jahr später gebaut wurden, beruhen nicht unerheblich auf den langwierigen Versuchsarbeiten der frühen Pioniere dieser Bauart wie Webb. In seinem Buch „La Machine Locomotive“ (1947) geht André Chapelon denn auch in einem ganzen Abschnitt („Locomotives compound à trois cylindres“ auf S.373f) auf das spezielle „Dreizylinder-System“ mit zwei Hochdruck- und einem Niederdruckzylinder von Webb ein und bespricht kurz dessen Vor- und Nachteile.
In C.J. Bowen Cook, „British Locomotives. Their History, Construction And Modern Development“ (1894), in dem es in erster Linie um „Construction And Modern Development“ geht, findet sich auf den Seiten 296 bis 314 eine recht ausführliche Beschreibung aller bis dato gebauten „compound locomotives“ von „Mr. Webb“. Bowen Cook schreibt dann (S.299): „the most recent types of compound express passenger engines on the London and North-Western Railway are working at the present time working some of the heaviest and fastest express passenger trains in the world, and running them without assistance (d.h. Vorspannlokomotiven) and without loss of time“. Das liest sich nicht wie eine Verurteilung.
Anzumerken ist hier lediglich, daß spezielle „automatische Anfahrvorrichtungen“, wie sie nach der Jahrhundertwende (also rund zwanzig Jahre später) üblich wurden, 1882/83 noch nicht erfunden worden waren, so daß die ersten Maschinen manchmal (a few times...) etwas Schwierigkeiten beim Anfahren hatten. Mit anderen Worten, es lag nicht daran, daß sie ungekuppelt waren („da die beiden Antriebsachsen nicht gekuppelt waren, was aber zu betrieblichen Schwierigkeiten führte.“), sondern daran daß eine „automatische Anfahrvorrichtung“ noch nicht erfunden worden war. Webb und seine Konstrukteure meisterten dieses Problem in den nachfolgenden Maschinen dadurch, daß der Lokführer mit Hilfe eine speziellen Ventils manuell Frischdampf direkt in den Niederdruckzylinder geben konnte - und das war praktisch schon ein nicht-automatischer Vorläufer einer „automatischen Anfahrvorrichtung“ ... (an Bahnwärter:) Bei der "Dreadnaught Class" und "Teutonic Class“ funktionierte das schon recht gut... So, jetzt wurde es doch „technisch“, was ich eigentlich gar nicht wollte. Allgemeine (d.h. allgemeinverständliche) Übersichten dazu finden sich in „O.S. Nock, Premier Line. The Story of London & North Western Locomotivs“ (1952) im Kapitel „Three-Cylinder Compounds“ (S. 80 – 105), im entsprechenden Abschnitt in W. A. Tuplin, North Western Steam (1963), in E.L. Ahrons „The British Steam Railway Locomotiv 1825“ (1927 – davon gibt es diverse Nachdrucke) außerdem noch G.A. Sekon, The Evolution of the Steam Locomotive 1803 – 1898 (1899 – das Buch gibt es auch bei http://www.arcvhive.org). Vieles findet man aber auch, wie schon erwähnt, bei http://www.steamindex.com/).
Der Leer-Satz „da die beiden Antriebsachsen nicht gekuppelt waren, was aber zu betrieblichen Schwierigkeiten führte.“ ist somit unbegründet und mißverständlich.
Wo man weitere Daten zur Biographie finden kann (wenn man meint, daß die vorliegenden nicht ausreichen):
Man kann ergänzen: 1887 wurde Webb zum Mayor von Crewe gewählt (J.M. Dunn, F.W. Webb, Crewe. (Rly Mag., 1961, 107, 756-844.); dort findet sich auch eine ausführlichere Darstellung des Rücktritts.
Zuverlässige Kurzbiographien finden sich in
- „Oxford Dictionary of National Biography“ (ODNB); F.W Webb findet sich in Volume 57, p. 834f) - Brian Reed, Crewe locomotive works and its men, Newton Abbot, 1982
und außerdem – natürlich - der entsprechende Artikel der englischen Wikipedia, wo sich mehrere Links zu Nachrufen auf Webb finden… P. (nicht signierter Beitrag von 79.238.81.131 (Diskussion) 18:13, 14. Apr. 2014 (CEST))
- Vielen Dank für die ausführliche Erläuterungen, die Mitteilung der Fundstellen und die To-Do List für den nächsten Biblitheksbesuch ;-). -- Bahnwärter (Diskussion) 16:11, 15. Apr. 2014 (CEST)