Diskussion:Kollegialgerichtsrichtlinie

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Lemma

Woher kommt der Begriff? Gruß --Malabon (Diskussion) 23:17, 19. Dez. 2015 (CET)

Vielleicht baue ich die Kommentierung im Münchner Kommentar noch mit ein. Gruß--ErwinLindemann (Diskussion) 07:52, 21. Dez. 2015 (CET)

Noch einmal: Unter Richtlinie versteht man Richtlinie oder Richtlinie (EU). Wo wird der Begriff Kollegialgerichtsrichtlinie in der Fachliteratur verwendet? --Malabon (Diskussion) 23:00, 6. Nov. 2017 (CET)
Allerorten, Malabon, gib einfach mal den Begriff bei Google Books ein. Gruß, --Gnom (Diskussion) 23:45, 6. Nov. 2017 (CET)
Allerorten, gewiss. Ich meinte aber: In einem juristischen Kontext. Der Begriff Richtlinie suggeriert einen Normcharakter. Hier geht es doch wohl darum, dass die Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen ein Verschulden des Beamten verneint. Es geht somit nicht um eine Richtlinie, sondern um die Auslegung eines Tatbestandsmerkmals. Wird dies - und darauf zielte meine Frage - in der Fachliteratur als Richtlinie bezeichnet? --Malabon (Diskussion) 22:52, 7. Nov. 2017 (CET)
In der Tat wird der Begriff verwendet. Meine Bedenken werden in der Literatur geteilt: Bernd Rohlfing: „Die im vorbeschriebenen Sinn dargestellte ‚Kollegialgerichts-Richtlinie‘ ist – bei Lichte betrachtet – überhaupt keine Richtlinie.“ Aber da sich der fehlerhafte Begriff offenbar durchgesetzt hat, habe ich auch keine Einwände mehr gegen das Lemma. --Malabon (Diskussion) 22:26, 8. Nov. 2017 (CET)

Konkretes Beispiel

Im Endeffekt geht es bei der KGR darum, dass ein kleiner Beamter, wenn er einen Fehler gemacht hat, nicht unbedingt „schuld“ sein muss. Ist nämlich der kleine Beamte nicht schuld, kann auch sein Dienstherr nicht in Haftung genommen werden. Die Logik im Amtshaftungsrecht lautet ja: Der Dienstherr (im weitesten Sinne) des Beamten haftet ja nur dann, wenn der Beamte schuldhaft irgendwas falsch gemacht hat. Hat der kleine Beamte aber nicht schuldhaft gehandelt, kann auch sein Dienstherr nicht haftbar gemacht werden.

An dieser Stelle setzt die sog. KGR ein. Abstrakt gesprochen sagt die KGR: Wenn Jahre später ein Kollegialgericht (das ist ein mit mehreren Richtern besetztes Gericht) im Sinne von „Hü“ entscheidet, der kleine Beamte aber Jahre vorher im Sinne von „Hott“ seine Entscheidung vernünftig begründet hat, kann dem kleinen Beamten allein aus der Tatsache, dass Jahre später das „Kollegialgericht“ genau umgekehrt entschieden hat, kein Strick gedreht werden. Der kleine Beamte ist dann „nicht schuld“, falls sich seine damalige Entscheidung Jahre später nachträglich als falsch herausstellt. Ich probiere die Erklärung der KGR nochmal anhand eines konkreten Beispiels:

Sie wollen ein Haus bauen. Ihr Architekt reicht beim Bauamt einen Bauantrag ein. Die Sache ist nicht so ganz einfach. Ihr Bauvorhaben ist sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nicht so ganz einfach. Der kleine Beamte beim Bauamt lässt sich die Sache von Ihrem Architekten erklären. Beide, der kleine Beamte und Ihr Architekt, verhandeln hin und her. Schließlich trifft der Beamte beim Bauamt eine Entscheidung: Er lehnt Ihren Bauantrag ab. Der kleine Beamte hat sich seine ablehnende Entscheidung nicht leicht gemacht. Er hat seine Entscheidung vernünftig begründet, er hat sich was dabei gedacht. Sie lassen das nicht auf sich sitzen, Sie wollen Ihr Bauvorhaben, von dem Sie und Ihr Architekt überzeugt sind, vor Gericht durchsetzen. Sie gehen also zum Verwaltungsgericht. Der Verwaltungsprozess um Ihre Baugenehmigung geht über mehrere Instanzen. Der juristische Kampf wogt hin und her, mal gewinnt das Bauamt, mal gewinnen Sie vor Gericht. Tatsächlich, Jahre später, eine rechtskräftige Entscheidung des Gerichts zu Ihren Gunsten: Sie dürfen bauen. Das Gericht stellt rechtsverbindlich fest, dass Ihnen die Baugenehmigung seinerzeit nicht versagt werden durfte. Der kleine Beamte war damals im Unrecht gewesen. Sie bauen also. Doch ach, Sie stellen fest, dass Ihnen in der Zwischenzeit die Kosten davongelaufen sind. Alles ist wesentlich teurer geworden, die Bauarbeiter, das Material, alles etliche Tausend Euro teurer als damals kalkuliert. Diesen Schaden wollen Sie von dem Dienstherrn des Beamten im Wege der Amtshaftungsklage ersetzt bekommen. Ihre Argumentation: Hätte der Beamte beim Bauamt damals schon die juristisch korrekte Entscheidung getroffen, nämlich Ihnen damals schon Ihre Baugenehmigung zu geben, hätten Sie damals schon bauen können. Dann hätten Sie um etliche Tausend Euro billiger bauen können. Da sich also der Beamte beim Bauamt definitiv rechtswidrig verhalten hat, haftet für das definitiv rechtswidrige Verhalten des Beamten sein Dienstherr auf Schadensersatz.

Im Amtshaftungsprozess bekommen Sie vom Richter bei der Klageabweisung die KGR erklärt: „Definitiv rechtswidrig“ reicht für eine Amtshaftung nicht, der Beamte muss auch „schuldhaft“ gehandelt haben, hat er aber nicht. Der Beamte konnte zu dem Zeitpunkt, als er sich über Ihre Baugenehmigung entscheiden musste, noch nicht riechen, wie Jahre später ein Kollegialgericht über die Baugenehmigung entscheiden würde. Also kann man dem Beamten vom Bauamt nicht wirklich einen Vorwurf machen. KGR eben.--ErwinLindemann (Diskussion) 07:13, 28. Sep. 2017 (CEST)