Diskussion:Kurt Matull
1920 verstorben und Pseudonym Kurt Berns
Zunächst muss gesagt werden, dass der Kosch (1960) nur 7 Zeilen nebst wenigen Werken über Matull verlor. Zudem abgeschrieben aus dem viel umfangreicheren Eintrag bei Franz Brümmer, Bd. 4, 6. Aufl., Leipzig 1913, S. 389f, siehe [1]. Er schrieb unter dem Pseudonym Kurt Berns (-Matull), was u.a. diese tragische Geschichte ausführlich darlegt (eigenhändige Widmung 1919 von Matull an Dr. Hugo Simonstein, sowie Rückgabe von NS-Raubgut): [2] und [3]. Da Wangemann-Matull seit 1921 nicht mehr in irgendeiner Form (so Hrachowy) angeführt wurde, verursachte das im Nachhinein die tollsten Spekulationen. Jedenfalls stimmt nicht, dass er möglicherweise um 1930 verstarb. Die Wahrheit liegt in den Berliner Adressbüchern und es reicht, jene zwischen 1918 und 1926 auszuwerten. Ausdrücklich als „Wangemann-Matull“ lebte Kurt („K.“, nur einmal als „Ed.“ bezeichnet) als „Filmspielleiter“ und nur noch im Jahr 1920 als „Schriftsteller“ immer in Wilmersdorf, Kronprinzendamm 1, II. Stock. Ab 1921 (bis 1924) lebte in der Wohnung „Elise, Wwe“, auch mal als „Else“ geführt. Das ist eindeutig, ihr Ehemann Kurt starb im Laufe des Jahres 1920. Bemerkenswert, der Eintrag zu El(i)se Wangemann wird 1923 mit der Berufsbezeichnung „Filmaufnahme“ und 1924 mit „Filmberuf“ ergänzt. Ab 1926 lässt sie sich in ganz Berlin nicht mehr nachweisen, möglicherweise verstorben oder verzogen. Mal sehen, wie man das einbauen kann. Außerdem, wahrscheinlich nach den Angaben bei Brümmer, könnte Otto Wangemann Kurts Vater und ein gewisser Albert Wangemann, der seine Lehrzeit 1898-1901 bei dem Filmpionier Oskar Messter verbrachte, sein Bruder gewesen sein. --Imbarock (Diskussion) 16:03, 9. Dez. 2021 (CET)
- Diese Seite (und die mit verknüpften Links) [4] belegt, dass oben verlinkter Otto sein Vater war und wer seine Mutter (geb. Berns). Das ist insbesondere aufschlussreich, weil Wangemann-Matull für seine literarischen Werke das Pseudonym „Kurt Berns“ benutzte. Beide Pseudonyme waren also „familiär“ gewählt. Das Elternpaar Wangemann / Ber(e)ns ist auch hier gelistet: [5]. Zu dem 1877 in Treptow geb. Johannes („Hans“) Emil August Wangemann, Bruder von Kurt, wäre auch noch manches zu sagen (Rechtsanwalt, ab 1934 in Lugano, das hier ist nur knapp bemessen: [6]), aber gut.
- Kurt Berns Lustspiel (?) „Annemarie“ wurde am 26. November 1905 im Berliner Theater gespielt; zusätzliche Angabe damals, nach der Novelle „Merely Mary Ann“ von Israel Zangwill.
- Rätselhaft bleibt, wo sich der Beleg finden lässt, Matull habe mit 21 Jahren sein erstes Theaterstück Frauen von heute geschrieben (Archiv Kay Weniger oder Th. Staedeli?). --Imbarock (Diskussion) 15:58, 10. Dez. 2021 (CET)
- Hier noch das Jahr der Hochzeit seiner Eltern, S. 48: [7] --Imbarock (Diskussion) 22:31, 11. Dez. 2021 (CET)
- Und hier die Geburt von Eduard Carl Otto belegt, bitte S. 215 scrollen: [8] --Imbarock (Diskussion) 15:54, 13. Dez. 2021 (CET)
Porträtzeichnung, Lebenslauf 1904 in amerikanischer Zft und mehr
Es existiert ein Porträt von Matull, gefertigt 1904 von Edwin Murray MacKay (1869-1926): [9]. Eingebunden ist die Zeichnung in einen „merkwürdigen“ Lebenslauf: Zunächst wird ein romantisches Drama vorgestellt, betitelt „Felicita“, das in New York herauskommen sollte. Es folgt eine Biografie von Matull, die es wieder mal in sich hat. Er sei im Elsass geboren als Sohn eines patriotischen Franzosen und einer bekennenden Preussin. Noch in seiner Kindheit sei Matull nach Preussen gebracht worden, wo er in der Familie seines Onkels in Charlottenburg erzogen wurde. Dieselbe Behauptung findet sich verkürzt in der französischen „La Revue mondiale“, ebenfalls aus dem Jahr 1904. Nach der einleitenden Fiktionalisierung des Faktischen – welche ohne Zweifel auf Matull selbst zurückgeht, aus welchen Gründen auch immer – folgen indes weitere Angaben, die so ganz fiktiv wohl nicht sind. Fest steht, er kam mit (!) seiner Frau 1901 nach New York, nachdem beide kurz zuvor in Paris etwa ein halbes Jahr in Armut zubrachten. Dann auch der Satz: „Mr. Matull is a republican in all his sympathies, and he is to become an American citizen […] he considers that our freedom from the moral decadence of the Europan stage makes the out-look here more hopeful than abroad, and this he attributes chiefly to the influence of our women which is certainly complimentary“.
Hier, in derselben Ausgabe von „The Critic“ aus 1904 ([10]) wird er von dem Autor von „Theodor Mommsen: A Near View“ gewissermaßen als Stichwortgeber aus seinen Erinnerungen an Mommsen und den angeblich mit ihm (Matull) befreundeten Sohn Hans einleitend hervorgehoben.
Phänomenal bleibt, auf welche Weise Kurt Matull selbst mit dazu beigetragen hat, dass die knappen biografischen Einträge mit Narrativen überborden. Dazu gehören auch die Angaben bei Gustav Adolf Müller: „Deutschlands, Österreich-Ungarns und der Schweiz Gelehrte, Künstler und Schrifteller“, Ausgabe von 1910 und 1911; Matull sei nacheinander Maler, Photograph, Schauspieler, Dramaturg, Cowboy und amerik. Redakteur gewesen. Doch in der Ausgabe von 1910 enthalten waren zusätzlich noch „Liebhaber“, „Sträfling“ (!), „Fensterputzer“. Immerhin, dass Matull kurzzeitig auch als Fotograf gearbeitet hat, geht aus dem Berliner Adressbuch von 1897 hervor. Ein Wangemann, aber signifikant ohne Vornamen, wird als „Photograph“ geführt, wohnhaft in Charlottenburg in der Berlinerstr. 110 im 4. Stock. Das Gebäude gehörte dem Stadtrat Rudolph Isaac, der dort die von ihm 1871 gegründete „Verlaganstalt 'Neue Zeit'“ unterhielt. --Imbarock (Diskussion) 18:15, 13. Dez. 2021 (CET)
Noch ein Nachschlag an Informationen
In NY war Matull bekannt für anekdotenreiche Erzählungen (siehe oben Theodor Mommsen), nicht aber für die Berichterstattung in einem ausgesprochenen Politikressort. Ähnlich das hier, „The Home Life of Emperor William“: [11], für das „Everybody's Magazine“, Bd. 10, 1904.
1972 schrieb Nicola Volpes („Tenente Petrosino: missione segreta in Sicilia“, S. 30) Kurt Matull, un reporter dell'Evening Post di New York che di Joe era grande amico, a metà del marzo 1909, sull'eco del delitto a piazza Marina, scrisse per il suo giornale […] Da geriet aber etwas durcheinander, denn Matull war längst wieder in Berlin und sein Kriminalroman „Josef Petrosino, Chef der italienischen Abteilung der New Yorker Kriminal Polizei, genannt der italienische Sherlock Holmes“ erschien, wenn auch noch 1909, im Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst. Ähnlich wie Volpes auch Massimo di Martino („Joe Petrosino. Detective 285“, 2006, S. 18). Siehe aber hier: [12], „Il 'falso' Petrosino o lo Sherlock Holmes italiano“.
Bleiben noch zwei Heftformate, deren Inhalt leider unbekannt ist. Das 32-seitige „Matull, Curt. Sensationell ! Wird Dreyfus verurtheilt ?“ ([13], S. 16). Die Angaben etwa bei WorldCat schwanken zwischen 1894 und 1906, wahrscheinlich aber geht es um den zweiten Dreyfus-Prozess 1899.
Beim gleichen Berliner Verlag Wilh.R.Berndt (Inh. Reinhold Berndt) erschien 1899/1900 „Kurt Matull: 'Licht'. Kurze Schilderung des Lichtheilverfahrens und seiner Erfolge. Ein Mahnwort an Gesunde und Kranke". Dabei kann es sich nur um einen „Nachschlag“ oder aber um eine spöttische Kritik an Hermann Kattenbracker: „Das Lichtheilverfahren begründet durch physiologische Thatsachen und praktische Erfahrung“ (1899) handeln, zumal Kattenbrackers Buch kurz zuvor ebenso bei Berndt verlegt worden war.
Gewiss ist, es gab nach seiner Heirat 1896 nur einen „Kurt Matull“, den in Berlin. Im umfangreichen Nachlass von Franz Brümmer scheint leider nicht überliefert zu sein, was ihm Wangemann-Matull-Berns brieflich über seinen Lebenslauf (bis 1912) mitgeteilt hat und ob er dabei (wie schon in NY) flunkerte. --Imbarock (Diskussion) 18:08, 15. Dez. 2021 (CET)
Abschließend
Die Digitalisierung zahlloser Texte kann Irrtümer oder Behauptungen relativieren. Das betrifft auch die Filme Matulls, ob nun als Drehbuchautor, (Co-)Regisseur oder Ideengeber. „Der Tunnel“ etwa, Plagiat oder nicht: [14] oder hier zu „Kaspar Hauser“ [15], bitte scrollen auf S. 15. In Eine Motte flog zum Licht wird er auch erwähnt. Allerdings ist bezeichnend, dass die Zft. „Der Kinematograph“ (Düsseldorf) für den Mai 1919 die letzte Nachricht über Matull veröffentlichte. Eine herbe Kritik (von Egon Jacobsohn) an Matulls Film „Herbststürme“, der Ende Mai 1919 uraufgeführt wurde: [16] Hernach erscheint Matull in dieser Zft nicht mehr, weder 1919, 1920 noch 1921, auch wenn es - jetzt zensurfreie - Uraufführungen von 1918 gedrehten Filmen gab (etwa „Hiob“, im Sept. 1919).
Und so bleibt es insgesamt rätselhaft um Kurt Matull, weil so fast gar nichts über seine politischen und sozialen Denkweisen, Vorstellungen, Absichten und über persönliche Kontakte bekannt ist. Gut, die Absicht des Autors war/ist unerheblich und sollte wenn möglich im Diskurs gesehen werden. Nur, wie will man auf jenen allg. und vermeintl. Diskurs verweisen, wenn die medialen „Werke“ Matulls nur gesammelt, aber ihre „Inhalte“ nie hinlänglich über valide Sekundärliteratur vermittelt wurden oder werden konnten? Und wenn er z.B. in seiner Buchwidmung an den Allgemeinarzt Dr. Hugo Simonstein – der 1919 in Matulls Nachbarschaft in Wilmersdorf umgezogen war – abschließend anfügte „im Revolutionsjahr 1919“, dann weiß man eben nicht, meinte er das positiv oder verabscheute er die Ereignisse.
Meine Recherchen abschließend: Frühestens Ende 1919 oder aber im Verlauf des Jahres 1920 verstarb Wangemann-Matull. Stutzig macht, dass nirgends eine Notiz zu finden ist, es keinen noch so beiläufigen Nachruf gab. Schließlich war er kein Unbekannter, vor allem in der Kinematografie jener Zeit. Der Vermutungen sind keine Grenzen gesetzt, aber spannend ist diese Lebensverlaufgeschichte allemal. --Imbarock (Diskussion) 18:35, 17. Dez. 2021 (CET)