Diskussion:Liste der Straßen in Niederdollendorf
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Gewann?
Nennt man in NRW eine mit (historischem) Namen versehene Teilfläche einer Gemarkung tatsächlich "Gewann"? Oder gibt es möglicherweise irgendeine bundesweite Richtlinie hierzu. Mir ist für das Rheinland stattdessen nur der Begriff "Flur" (wenn's im Wald ist "Distrikt") geläufig. Ich habe keine Zweifel, dass Herr Gassen in seinem Buch für die Flurstücke die eher süddeutsche Bezeichnung "Gewann" verwendet. Auf die Schnelle habe ich nur das Vermessungs- und Katastergesetz NRW gefunden. Dort steht in § 9: "Ein Flurstück ist ein begrenzter Teil der Erdoberfläche, der im Liegenschaftskataster unter einer besonderen Bezeichnung geführt wird." --Update (Diskussion) 00:56, 23. Mai 2015 (CEST)
- Zunächst einmal ist es richtig, dass Gassen die Bezeichnung Gewann benutzt. Ich hätte diese vermutlich auch nicht übernommen und mehr oder weniger „eigenmächtig“ durch Flur ersetzt, wenn ich nicht ebenfalls in letzter Zeit mit dem Buch Urkataster und Gewannen von Helmut Arntz (siehe z.B. Einzelnachweis unter Honnefer Graben) zu tun gehabt hätte. Vollständig verstanden habe ich die Bedeutung der einzelnen Bezeichnungen auch noch nicht, scheint eine komplexe Materie zu sein. Ich werde also aus dem Buch von Arntz zitieren, was er zur Bezeichnung Gewann schreibt. Zunächst aus dem Beginn des Vorworts (S. 5–11): Diese Publikation beschreibt im ersten Teil den Weg zum Preußischen Steuerkataster und seine Einführung, in einem zweiten grundsätzliche Fragen zu den darin enthaltenen Namen von Fluren und Gewannen. Ein dritter Teil versucht, die rund 430 Gewann-Namen der Gemeinde Honnef am Rhein zu deuten. (…) Eine bedeutende Zunft wird am Titel Anstoß nehmen. Es sind die Flurforscher, die den Terminus „die Gewann, pl. Gewanne, ein Abschnitt der Gemarkung, der unter mehrere Besitzer streifenförmig aufgeteilt ist“ (Brockhaus), dazu „Gewannflur, eine Gemarkung in Gewannform, meist in mehrere Gewanne aufgeteilt“, Blockgewannflur usw. Werden nicht Titel, sondern Inhalte betrachtet, kann es keine Mißverständnisse geben, wenn wir mittelhochdeutsch gewande stswf. „Grenze, Begrenzung, Umkreis“ im Sinn des Urkatasters und der Katasterämter weiter verwenden. Wenn „Flur“ an die Stelle von „Gewann“ gesetzt wird, ist der Aufbau des Urkatasters nicht mehr erkennbar, in dem die Fluren Oberbegriff zu den Gewannen sind. Noch zum Urkataster selbst: Der Steuerkataster für die Gemeinde Honnef wurde in den Jahren 1824/1826 durch vier Geometer erstellt. (…) Das Stadtgebiet zählte 2.917 ha. Der Kataster, geläufig als „Urkataster“ bezeichnet, wurde gewählt, weil er das gesamte Namengut auf Dauer festgeschrieben hat. Weiter auf S. 19 f.: Die für die Katasterunterlagen verwendete Bezeichnung „Urkataster“ ist keine amtliche, sondern sie faßt die zehn bei der Uraufnahme entstandenen Dokumente zusammen: Grenzhandriß, Grenzkarte, Triangulationsakten, Übersichtshandrisse der Gemeinden, Feldatlas, Flurbuch und Flurkarte, (Parzellen-)Mutterrolle und Steuerrolle. Nach dem Grenzbegang wurde der Grenzhandriß, der die „Umringsgrenze“ der Gemeinde (Gemarkung) darstelle, kopiert. In diese Kopie wurden die Wege, Dörfer, Höfe usw. und die Einteilung der Gemarkung und Gewannen und Fluren unter Mitwirkung der Kommunalbehörde eingetragen. Die Gemeinden erhielten je eine Kopie ihres Gebiets (sog. Übersichtshandriß). (…) Der Feldatlas besteht aus zwei Teilen, deren einer, der „Urriß“, für jede Gewann das Vermessungsergebnis, die Namen der Eigentümer und die Nutzungsart der Grundstücke enthält. Die Flurkarte, heute als „Urkarte“ bezeichnet, enthält außer den trigonometrischen Punkten und den Hauptmessungsergebnissen die Gewann-Namen und die Flurstücksnummern. Das zu jeder Flurkarte angelegte Flurbuch enthält in numerischer Reihenfolge sämtliche Parzellen, Artikelnummern, Namen des Eigentümers, Feldlage, Nutzungsart, Ertragsklasse, Größe des Grundstücks und den Katastralertrag. (…) Der Name Gewann ist seit althochdeutscher Zeit faßbar. Caesar berichtet glaubhaft, daß es bei den Germanen keinen Sonderbesitz des einzelnen an Land gab. Jährlich wurden bestimmte Flurstücke von den Markgenoosen unter den Pflug genommen und gemeinsam bestellt und abgeerntet. Solche Flächen hießen in ahd. Zeit giwanta f., mittel- und niederdt. Gewann, Wanne. Der Name meint ursprünglich „Ackergrenze“ („wo der Pflug gewendet wird“), dann den Acker innerhalb der Pflugwenden und endlich einzelne Grundstücke oder eine Gesamtheit von Grundstücken in gleicher Lage.
Um am Beispiel von Honnef zu bleiben: die 430 Gewann-Namen sind offenbar nicht identisch mit allem, was sonstwie an Flurbezeichnungen in der Regionalliteratur auftaucht. So suche ich die als Flurnamen erwähnten Bezeichnungen Im Driesch, Am Kreizekranz und Erlenhof bei Arntz vergeblich. Was das Zitat aus dem Vermessungs- und Katastergesetz angeht, so bezieht sich dies wohl auf die aktuell gültige Einteilung des Gemeindegebiets in Gemarkungen, Fluren und Flurstücke. Entspricht diese noch 1:1 dem im Zuge des Urkatasters von 1824/26 erstellten Flurbuch? Dazu ist zu sagen, dass im Falle von Honnef Urriß und Flurbuch in 577 Namen (wie das zu den nur 430 Gewann-Namen im Stadtgebiet passt, weiß ich nicht) übereinstimmen und in 81 Namen voneinander abweichen (Arntz S. 151). Was spätere Verwendungen des Katasters nach Erstellung des Urkatasters angeht, so schreibt Arntz u.a. (S. 21): Im Rahmen dieser Schrift ist die Frage wichtig, welchen Einfluß eingetretene Veränderungen auf die Namen der Fluren und Gewannen hatten. Keinen, darf festgehalten werden; denn nur die Nummern der Parzellen waren betroffen, wie eine Verordnung vom 4. April 1844 ausführt (…) Eine Verordnung von 1868 hatte die Bildung von Gemarkungen vorgeschrieben. Diese wurden in der Regel durch die zu einem Gemeinde- oder selbständigen Gutsbezirk gehörenden Grundstücke gebildet. Die Feststellung der Eigentumsgrenzen war besonders vorgeschrieben. Die Fluren und Gewannen mit ihrem Namenschatz werden also auch durch die Bildung der Gemarkungen nicht berührt.
Was die regionale Verortung der Bezeichnung Gewann in den süddeutschen Raum angeht, wäre die Verwendung seitens Flurnamensforschers Arntz des Begriffs für eine Gemeinde in der Mitte Deutschlands vielleicht ein Indiz, dass dem nicht so sein muss. Der Artikel Gewann meint ja, dass dieser Begriff nur eine Flurform bezeichnet und nicht etwa Waldflächen umfasse. Was die von Arntz beschriebenen Gewann-Namen angeht, so ist aber festzuhalten, dass diese in jedem Fall auch Waldflächen betreffen und nicht nur landwirtschaftlich genutzte Flächen. Die Deutsche Grundkarte scheint sich hingegen in ihrer Darstellung der Flur-/Gewannnamen auf solche zu beschränken, die außerhalb der geschlossenen Ortschaft liegen.
Ich ziehe aus all dem die vorläufige Schlussfolgerung, dass Flurstück und Gewann identisch sind, aber die Bezeichnung Gewann-Name ggf. gegenüber Flurname eindeutiger ist, da eigentlich Flurstücksname meinend. Ob es in dieser Allgemeinheit stimmt, dass Gewannen nur eine Sonderform von Flur(stück)en sind, wie der Wikipedia-Artikel andeutet, weiß ich nicht. Ich wollte mich halt bei der Begriffswahl an der zugrunde liegenden Literatur orientieren. Anders wäre es vielleicht, wenn sämtliche aktuell gültigen Flurstücksnamen in einem öffentlichen amtlichen Verzeichnis abrufbar wären und man sich auf dieses beziehen könnte. Ein solches finde ich aber leider nicht.--Leit (Diskussion) 19:24, 23. Mai 2015 (CEST) Was die Anzahl der Gewannen in Honnef angeht, hatte ich eine Fußnote übersehen. Die Zahl [rund 430] wird ungefähr angegeben, weil die 412 Karteikarten der 644 Gewannen teilweise Namen enthalten, deren Untersuchung verschiedene Bedeutungen ergeben hat (z.B. Im Gier: Giersberg, Wahlbonnen: Wahling).--Leit (Diskussion) 08:49, 24. Mai 2015 (CEST)