Diskussion:Logograph (Recht)
Ein Logograph war vor allem ein Rhetoriker, deshalb schlage ich vor, die Seite in Logograph (Rhetorik) umzubenennen. Gesetze waren viel einfacher und hatten in der unmittelbaren Demokratie Athens eine geringere Bedeutung als heute. Ein Logograph war ein Spezialist für überzeugungskräftige Argumentationen, wirkungsmächtiges Lügen und nicht Gesetzeskunde. Selbst Isaios, der sich - soweit wir wissen - auf Erbschaftsstreitigkeiten beschänkte, war kein Spezialist für das attische Erbrecht (das war ganz einfach), sondern für die polemische Anfechtung von Eheschließungen und Adoptionen.--Friedrichshagener2 07:42, 8. Okt. 2008 (CEST)
- Bin dagegen, der Begriff "Rhetoriker" ist deshalb nicht treffend, weil 1. die Rhetorik die mündliche Rede im Fokus hat, der Logograph jedoch dafür nur die schriftliche Vorlage lieferte und 2. das Betätigungsfeld des Logographen eben gerade die Gerichtsverhandlung (also das Recht) war. (Demosthenes war sicher ein Rhetoriker, aber wenn er politische Reden hielt, hielt er die selber, war also kein Logograph). Über deine Ausführungen zur Rolle der Gesetze, die ich nicht für richtig halte, brauchen wir nicht zu diskutieren, denn dass die Reden der Logographen ausschließlich für Zwecke der Justiz, also des Rechts (Eheanfechtung und Adoption sind zweifellos Rechtsangelegenheiten) geschrieben wurden, steht ja fest. (Ob dann das Recht aus Gesetzen, Gewohnheitsrecht oder bloßem Rechtsempfinden geschöpft wurde, ist eine ganz andere Frage. Davon abgesehen: Die überlieferten Gerichtsreden sind eine der wichtigsten Quellen für die Erforschung des griech. Rechts).-- Albtalkourtaki 09:27, 8. Okt. 2008 (CEST)
Ich schlage vor, einfach mal die Reden z.B. von Lysias zu lesen. Da wird fast nie ein Gesetz genannt, statt dassen findet man Schauspiel und Verstellung auf allerhöchsten Niveau! Lysias' Werke sind maßgeschneiderte Redekostüme! Falsch ist auch die Vorstellung, daß Logographen eine Rede schrieben, die einfach auswendig gelernt wurde. Sie haben die Reden mit ihren Schülern gemeinsam erarbeitet und geprobt Insbesondere von Demosthenes weiß man, daß seine Schützlinge monatelang mit ihm zusammen lebten, bevor sie ihre ehemaligen Vormünder wegen untreue anklagten. Aischines war ein ehehemaliger Schauspieler! Die Richter (das Volk) durften ja nicht merken, das die Rede von eimem Logographen stammt.
Und natürlich spielte das Recht eine geringere Rolle als heute: Richter und Gesetzgeber war das Volk. Das das Volk an seine Gesetze gebunden sein solle, forderten in dieser Zeit die Philosophen; das zeigt, das dem nicht immer der Fall war. Lese Lyias Verteidigung eines Invaliden wegen seiner Rente! Lysias versucht garnicht, mit Gesetzen zu argumentieren; die Richter sollen seinen Mandanten wegen seiner guten Show applaudieren. Lese Verteidigungsrede im Mordfall Eratosthenes! Da wird ausnahmsweise mal ein Gesetz angeführt, aber nur um die Darstellung der Tat zu umgehen.--Friedrichshagener2 07:44, 9. Okt. 2008 (CEST)
- Vielen Dank, aber ich benötige keinen Nachhilfeunterricht auf diesem Gebiet. Lies du vielleicht "Demosthenes als Advokat" von H.J. Wolff. Wenn dieser führende Griechischrechtler Demosthenes so bezeichnet hat, so wird man ihn nicht als bloßen Schauspieler qualifizieren können. Oder siehe Demosthenes#Reden_aus_Prozessen_wegen_gesetzwidriger_Anträge (18-26 ) (die graphe-paranomon-Klagen beruhen praktisch durchweg auf [teils spitzfindiger] juristischer Argumentation; dass Demosthenes "rechtskundig" war, lässt sich daher nicht bezweifeln.) - Deine Argumentation krankt daran, dass du die Begriffe Recht und Gesetz austauschst, etwa mit der These, "natürlich spielte das Recht eine geringere Rolle als heute." . Auch wenn wir hier vielleicht keine griechisch-rechtliche Besserwisserei betreiben sollten: Schon die Vielzahl der Gerichte im antiken Athen zeigt, dass es sich um eine durchaus verrechtlichte Gesellschaft handelte - nur stand bei der Praxis der Rechtsfindung natürlich das geschriebene Gesetz nicht so im Vordergrund. Dass bei der ganzen Argumentationskunst der Logographen die Rhetorik eine größere Rolle gespielt haben mag als Juristerei im heutigen Sinne ist klar, ändert aber nichts daran, dass ihre Tätigkeit auf die Gerichtsverhandlung hinauslief, es sich also um einen Rechtspflegeberuf handelt (Ob z.B. ein moderner Strafverteidiger nicht auch mehr Rhetorik und Taktik benötigt als Rechtskenntnisse, wäre noch zu diskutieren). -- Albtalkourtaki 20:02, 9. Okt. 2008 (CEST)
Ich kenne das Werk von Herrn Wolff nicht, aber schon daß er "Advokat" statt Anwalt schreibt, sollte zu denken geben. Der Wikipediabeitrag über Demosthenes stammt von mir. Die Vielzahl der Gerichte in Athen kommt daher, daß das Tagegeld für die bis zu 1501 Richter (bei einer Verhandlung) im demokratischen Athen eine der Haupteinkunftsquellen der besitzlosen Bürger war. (Vgl. dazu Aristophanes Wolken)
Was Recht anderes sein soll als die Summe der Gesetze (wozu meinetwegen auch "ungeschriebene Gesetze" und Präzedenzfälle kommen) würde ich gerne wissen. Ein so kompliziertes Recht, daß es einen eigenen Beruf begründet, gab es wohl erst bei den Römern. Aber noch Cicero, der noch weit mehr einen Anwalt gleicht als Lysias oder Demosthenes, besteht darauf, ein Redner und kein Jurist zu sein (vgl. Für L. Murena).--Friedrichshagener2 08:21, 10. Okt. 2008 (CEST)
- Es widerstrebt mir, unsere gegenseitigen Belehrungen fortzusetzen, ich würde mich ja lieber auf einen Kompromiss einigen, der uns beiden Rechnung trägt. "Gerichtsredenschreiber" wäre zwar wohl ein exakter Begriff, ist aber ein zu unhandliches Wort. Fällt dir was besseres ein ? "Advokat" (obwohl von Kennern wie Drerup und H.J.Wolff sogar als Buchtitel als Kennzeichnung für Demosthenes u.a. verwendet) wird dir auch nicht gefallen; "Rhetoriker" finde ich wie gesagt nicht treffend, weil es 1. mündliche Rede assoziiert, 2. zu weit ist und 3. keinen Hinweis auf die forensische Funktion enthält. - Unsere Meinungsverschiedenheiten rühren wohl daher, dass du dich dem Themenkreis nicht aus juristischer Sicht näherst - nur so sind auch etliche deiner Aussagen zu erklären- und daher den Zusammenhang der Logographen mit Recht und Justiz verkennst. Bitte sei versichert: Seit 200 Jahren ist die Erforschung des altgriechischen Rechts ein eigenständiger Zweig der Rechtsgeschichte, die von Juristen an Juristischen Fakultäten betrieben wird, und neben den hellenistischen Papyri aus Ägypten und Inschriften (z.B. Gortys) sind die Gerichtsreden die wichtigste Quelle (für das attische Recht die allerwichtigste). Nur als Gegenbeispiel zu deinen Ausführungen zu Isaios und das angeblich einfache attische Erbrecht: Das sog. Testamentsgesetz des Solon ist überhaupt nur durch Demosthenes 46 (gegen Stephanus II), 14 bekannt. Und der ganze Logographenberuf ist nur durch das attische Justizsystem erklärbar. Deshalb befasst sich der gesamte Artikel ja auch mit der forensischen Rolle und nicht mit Rhetorik. - Ich habe nicht die Vielzahl der Richter, sondern die der Gerichte angeführt (mehrere gleichzeitig tagende Spruchkörper der Heliaia, Areopag, Elfmänner usw.), aber die von dir hervorgehobene Tatsache, dass die Polis ständig Tausende von (Volks-)richtern besoldete, spricht ja auch für den hohen Stellenwert, der der Justiz beigemessen wurde. - An den Autor des Demosthenes-Artikels noch der Hinweis: der dort angeführte letzte Weblink betrifft den "falschen" Demosthenes; ich überlasse dir gern den Vortritt bei der Korrektur. -- Albtalkourtaki 21:08, 10. Okt. 2008 (CEST)
Das beste wäre wohl, aus unseren Logographen den Logographen schlechthin zu machen. Der kleine Pauli definiert Logograph als Redenschreiber. Die Kernkompetenz eines Logographen lag sicher nicht in der Gesetzeskenntnis[1].--Friedrichshagener2 07:32, 13. Okt. 2008 (CEST)
- Gute Idee. Für mich war unser Logograph ohnehin der Logograph schlechthin, und ich war überrascht, unter "Logograph" nur den Geschichtsschreiber zu finden, den ich dann, als ich den Artikel angefangen habe, in "Logograph (Geschichte)" verschoben habe.
- -- Albtalkourtaki 09:39, 13. Okt. 2008 (CEST)