Diskussion:Notrecht
Kommentar zu den Änderungen von R2Dine , 10:07, 25. Mai 2020, und 08.05, 26. Mai 2020
Besten Dank für die wichtige Ergänzung ganz am Ende des Artikels (Zeile 51). Hingegen möchte ich die Änderungen an der Einleitung von R2Dine aus folgenden Gründen nicht übernehmen und den Ursprungstext wieder herstellen. Der Begriff des Notrechts ist im schweizerischen Staatsrecht unpräzise - er kommt im positiven Recht nirgendwo vor. In Praxis und Doktrin wird er teilweise unterschiedlich verstanden. Das hat zur Folge, dass die Einleitung sehr allgemein formuliert sein muss, damit die verschiedenen Interpretationen und Anwendungen abgedeckt sind. Der erste Satz der Einleitung definiert Notrecht nun ausschliesslich als Verordnungen und Verfügungen von Bundesrat und Bundesversammlung. Das ist ein zu enges Verständnis von Notrecht. Abgesehen davon, dass es keine Verfügungen der Bundesversammlung gibt (das schweiz. Staatsrecht spricht hier von "Einzelakten"), werden auch dringliche Finanzbeschlüsse, dringliche Bundesgesetze und die vorläufige Anwendung von Staatsverträgen teilweise als Notrecht angesehen oder stehen zumindest in engem Konnex zu Notrecht. Die Finanzbeschlüsse werden im Artikel bereits abgehandelt, die beiden letzteren Kategorien möchte ich demnächst noch beifügen. Der erste und der letzte Satz der Einleitung von R2Dine definieren Notrecht ausschliesslich als verfassungsmässiges Notrecht; gemäss letztem Satz ist der Bundesrat dabei an Verfassung und Gesetz gebunden. Das stimmt offensichtlich nicht für das im Artikel behandelte extrakonstitutionelle Notrecht. Aber auch das konstitutionelle Notrecht wird in der Praxis contra legem angewendet; in der Lehre wird das teilweise gebilligt, teilweise kritisiert, wie im Artikel näher ausgeführt. In der Einleitung der Ursprungsversion wird daher mit Absicht hier noch nicht Stellung bezogen. Es darf hier nicht einseitig nur eine Position der Lehre wiedergegeben werden. Zu den Terminologie-Änderungen: Konstitutionelles Notrecht ist definitionsgemäss "intrakonstitutionell"; das "intra-" ist eine unnötige Komplizierung. In der Einleitung sollten die Begriffe "Bundesversammlung" und "Bundesrat" nicht enthalten sein, sondern die allgemeinen Begriffe "Parlament" und "Regierung" (hier nicht unbedingt nötig), weil die Einleitung für die ganze Schweiz gilt. Es gibt auch kantonales Notrecht, das später in den Artikel aufgenommen werden könnte. --Graf1848 (Diskussion) 12:11, 26. Mai 2020 (CEST)
- Der Einleitungssatz Als Notrecht werden in der Schweiz staatliche Massnahmen bezeichnet, die keine gesetzliche Grundlage haben. ist genauso falsch und irreführend wie die Verschwörungstheorien zu Corona. Wenn jetzt auch noch behauptet wird, das Notrecht habe keine gesetzliche Grundlage, ist das kontraproduktiv. Es hat eine, und zwar in der Verfassung. "Staatliche Maßnahmen" ist viel zu ungenau, um das Lemma zu erklären. Begriffliche Sorgfalt ist hier unerlässlich, um den WP-Qualitätskriterien zu genügen. Im übrigen habe ich meine Ausführungen belegt bzw. nur geschrieben, was auch belegbar ist. Eigenkreationen und TF sind hier fehl am Platz. Grüße, R2Dine (Diskussion) 12:19, 26. Mai 2020 (CEST)
- Besten Dank an R2Dine für die Sichtung meiner Änderung. Gerne möchte ich aber noch auf seine kritischen Bemerkungen eingehen. Ich habe Verständnis für sein Unbehagen gegenüber der mangelnden Präzision der Begrifflichkeit. Diese mangelnde Präzision entspricht halt aber den tatsächlichen Gegebenheiten. Die umfassendste neuere wissenschaftliche Untersuchung des schweizerischen Notrechts, die Dissertation von Ralph Trümpler (siehe Literatur) spricht auf ihrer S. 1 von der "Mehrdeutigkeit" bzw. "Unschärfe des Notrechtsbegriffs". Das hat mit spezifischen Eigenheiten des schweizerischen Staatsrechtsverständnisses zu tun, welches sich nach meinem Eindruck gerade in dieser Beziehung vom deutschen Staatsrechtsverständnis unterscheidet, wenn ich das richtig sehe (Vorsicht ist am Platz bei der Beurteilung der Situation in anderen Ländern). Das schweizerische Bundesstaatsrecht hat sich während 172 Jahren kontinuierlich weiter entwickelt, und zwar auf sehr pragmatische Weise. Wenn ich das richtig sehe, so spielen im deutschen Staatsrechtsverständnis Dogmatik, Logik und Präzision eine grössere Rolle. Zur Kritik an der Aussage, Notrecht habe keine gesetzliche Grundlage: Steht hinter dieser Kritik vielleicht auch ein anderes deutsches Gesetzesverständnis? Die Verfassung wird bekanntlich in Deutschland als Grundgesetz bezeichnet; in der Schweiz wird die Verfassung aber nicht als "Gesetz" verstanden. Im landläufigen Sinn könnte aber auch in der Schweiz der erste Satz wie durch R2Dine missverstanden werden und daher komme ich ihm gerne in dem Sinne entgegen, dass ich die Aussage neu noch allgemeiner formuliere: Notrecht sind staatliche Massnahmen, "die nicht im Rahmen der normalen demokratischen Kompetenzordnung getroffen werden". Zur Kritik fehlender Belege: Eine kurze Einleitung muss notwendigerweise sehr allgemein bleiben, wie in meinem ersten Diskussionsbeitrag im Einzelnen dargelegt. Die näheren, präzisen Ausführungen finden sich in den doch recht ausführlichen, mit zahlreichen Belegen versehenen Kapiteln nach der Einleitung. Das sind die Belege für die Einleitung. Ich wäre dankbar, wenn der meines Erachtens unbegründete Balken betr. fehlende Belege wieder entfernt wird.--Graf1848 (Diskussion) 17:40, 27. Mai 2020 (CEST)
- Hallo, Graf1848, solange die Einleitungssätze nicht belegt sind, ist der Belege-Baustein natürlich begründet. Ich hatte ja zwei Quellen zitiert, die eine akzeptable Definition erlauben, nämlich diese aus dem Parlamentswörterbuch und jene eines Schweizer Staatsrechtlers. Notrecht ist doch einfach das von der Bundesversammlung außerhalb des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens gesetzte Recht (vor allem die dringlichen Bundesgesetze) und soweit es den Bundesrat betrifft, vor allem die Verordnungen zur Gefahrenabwehr nach Art. 185 Abs. 3 der Bundes-Verfassung. Schau Dir doch noch einmal den Abschnitt WP:INTRO an. Grüße, R2Dine (Diskussion) 21:44, 27. Mai 2020 (CEST)
- Besten Dank an R2Dine für die Sichtung meiner Änderung. Gerne möchte ich aber noch auf seine kritischen Bemerkungen eingehen. Ich habe Verständnis für sein Unbehagen gegenüber der mangelnden Präzision der Begrifflichkeit. Diese mangelnde Präzision entspricht halt aber den tatsächlichen Gegebenheiten. Die umfassendste neuere wissenschaftliche Untersuchung des schweizerischen Notrechts, die Dissertation von Ralph Trümpler (siehe Literatur) spricht auf ihrer S. 1 von der "Mehrdeutigkeit" bzw. "Unschärfe des Notrechtsbegriffs". Das hat mit spezifischen Eigenheiten des schweizerischen Staatsrechtsverständnisses zu tun, welches sich nach meinem Eindruck gerade in dieser Beziehung vom deutschen Staatsrechtsverständnis unterscheidet, wenn ich das richtig sehe (Vorsicht ist am Platz bei der Beurteilung der Situation in anderen Ländern). Das schweizerische Bundesstaatsrecht hat sich während 172 Jahren kontinuierlich weiter entwickelt, und zwar auf sehr pragmatische Weise. Wenn ich das richtig sehe, so spielen im deutschen Staatsrechtsverständnis Dogmatik, Logik und Präzision eine grössere Rolle. Zur Kritik an der Aussage, Notrecht habe keine gesetzliche Grundlage: Steht hinter dieser Kritik vielleicht auch ein anderes deutsches Gesetzesverständnis? Die Verfassung wird bekanntlich in Deutschland als Grundgesetz bezeichnet; in der Schweiz wird die Verfassung aber nicht als "Gesetz" verstanden. Im landläufigen Sinn könnte aber auch in der Schweiz der erste Satz wie durch R2Dine missverstanden werden und daher komme ich ihm gerne in dem Sinne entgegen, dass ich die Aussage neu noch allgemeiner formuliere: Notrecht sind staatliche Massnahmen, "die nicht im Rahmen der normalen demokratischen Kompetenzordnung getroffen werden". Zur Kritik fehlender Belege: Eine kurze Einleitung muss notwendigerweise sehr allgemein bleiben, wie in meinem ersten Diskussionsbeitrag im Einzelnen dargelegt. Die näheren, präzisen Ausführungen finden sich in den doch recht ausführlichen, mit zahlreichen Belegen versehenen Kapiteln nach der Einleitung. Das sind die Belege für die Einleitung. Ich wäre dankbar, wenn der meines Erachtens unbegründete Balken betr. fehlende Belege wieder entfernt wird.--Graf1848 (Diskussion) 17:40, 27. Mai 2020 (CEST)
Lemma ohne Zusatz (Schweiz)
Hallo Filzstift, es wäre gut gewesen, wenn du vor der Verschiebung zuerst hier den Vorschlag zur Diskussion gestellt hättest. Denn es gibt nicht nur die Schweiz, Deutschland und Österreich. Ein kurze Literaturrecherche ergibt z.B.
- Das Staatsnotrecht in Belgien, Frankreich, Grossbritannien, Italien, den Niederlanden, der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika, 1955
- Das Notrecht extra constitutionem in der Schweiz und in Frankreich seit 1914
- Emergency law in Ireland, 1918-1925
Und dann gibt es noch auf Deutsch Notstandsgesetzgebung in Ägypten und in anderen Sprachen z.B. en:Palestine Emergency Law.
Ohne Klammerzusatz ist der Artikel nun "schweizlastig". --Hadi (Diskussion) Sichter: Sichtet! 18:21, 2. Jul. 2020 (CEST)
- Hadi: Der allgemeine Artikel ist Ausnahmezustand (siehe dort Ausnahmezustand#Aktuell_gültige_Notstandsbestimmungen) bzw. Notstandsrecht. In der Regel muss das nicht diskutiert werden, denn es ist üblich, dass eine Klammer nicht nötig ist, wenn wir bereits einen allgemeinen Artikel zum Thema haben. Und "Notrecht" ist ein Helvetismus, denn in Deutschland und Österreich ist der Begriff ungebräuchlich (und wenn es um das Notrecht i.A. geht, dann schreibt man in D eher von "Notstandsrecht", weniger von "Notrecht".) --Filzstift (Diskussion) 11:12, 5. Jul. 2020 (CEST)
- Filzstift: Wenn es sich beim Lemma wirklich um eine Bezeichnung handeln würde, der nur für die Schweiz Anwendung findet, würde ich dir zustimmen. Aber du bist mit keinem Wort auf die oben angegebene Literatur zu Belgien, Frankreich, Grossbritannien, Italien, den Niederlanden, den Vereinigten Staaten von Amerika und Irland eingegangen. Ergänzend füge ich jetzt aktuelle Berichterstattungen zu Frankreich bei. In einer deutschen (!) Zeitung, fr.de, steht: "Dank ihrer absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung dürfte die Präsidentenpartei „La République en marche“ das erweiterte Notrecht noch diese Woche verabschieden." oder srf.ch oder zu Schweden: "Notrecht-Plan in Arbeit", watson.ch. Also bedauere ich die Umbenennung des Lemmas weiterhin. --Hadi (Diskussion) Sichter: Sichtet! 17:53, 6. Jul. 2020 (CEST)
- Das sind aber eingedeutsche fremdsprachige Begriffe. Wir wählen als Lemma Code civil, nicht Zivilgesetzbuch (Frankreich). Auch wenn wir in der Literatur mal ab und zu "französisches Zivilgesetzbuch" entdecken - auch in deutschen Quellen (nebst "französisches BGB"). Hier bei der deutschen Zeitung wurde einfach das État de nécessité in "Notrecht" (wörtlich aber eigentlich "Notstand") übersetzt. --Filzstift (Diskussion) 09:27, 7. Jul. 2020 (CEST)
- Filzstift: Wenn es sich beim Lemma wirklich um eine Bezeichnung handeln würde, der nur für die Schweiz Anwendung findet, würde ich dir zustimmen. Aber du bist mit keinem Wort auf die oben angegebene Literatur zu Belgien, Frankreich, Grossbritannien, Italien, den Niederlanden, den Vereinigten Staaten von Amerika und Irland eingegangen. Ergänzend füge ich jetzt aktuelle Berichterstattungen zu Frankreich bei. In einer deutschen (!) Zeitung, fr.de, steht: "Dank ihrer absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung dürfte die Präsidentenpartei „La République en marche“ das erweiterte Notrecht noch diese Woche verabschieden." oder srf.ch oder zu Schweden: "Notrecht-Plan in Arbeit", watson.ch. Also bedauere ich die Umbenennung des Lemmas weiterhin. --Hadi (Diskussion) Sichter: Sichtet! 17:53, 6. Jul. 2020 (CEST)