Diskussion:Publius Petronius Niger

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Tacitus

Ich schrieb:

"Widerspruch zu den antiken Quellen:
Die Zuschreibung des Vornamens Publius ist angesichts der eindeutigen antiken Überlieferung (Plinius, Tacitus, Plutarch, siehe Titus Petronius, Abschnitt „Name“) nicht zu rechtfertigen. Für die Namensklärung des Satyricondichters richtet die Inschrift des Publius Petronius Niger nichts aus."

Nun hast du Tacitus mit der Begründung gelöscht, er habe weder Publius noch Titus. Das aber ist es doch gerade, auch auf ihn kann man sich nicht berufen, wenn man als Praenomen Publius präferiert. Du hast aber recht, dass die Tacitus-Überlieferung nicht "eindeutig" ist. Sollte aber vielleicht doch irgendwie erwähnt werden. Gruß,--Thomas Völker 20:47, 11. Sep 2006 (CEST)

In der Anmerkung 5 bei Titus Petronius habe ich etwas dazu ergänzt. Vielleicht sollten wir versuchen, die Diskussion zur Identitäts- und Namensfrage zentral in einem Artikel zu haben und nicht über zwei verteilt; leider habe ich im Moment wenig Zeit, mich darum zu kümmern.--StefanC 07:02, 12. Sep 2006 (CEST)

Komma

"καί Νικήρατος καί Ρετρώνιος Νίγερ τε καί Διόδοτος. (Diosk. De mater. med. I praef.)

Allerdings wurden die Worte Petronios und Niger wohl durch ein Komma getrennt, so dass die Lesung unsicher ist..."

Das erscheint mir missverstaendlich. Kommata kannte die Antike ja nicht; da das te enklitisch an Niger angehaengt ist, ist die hier gegebene Lesung eindeutig darin, dass Petronius und Niger getrennt sind. Ich kenne die Spezialdiskussion nicht, vermute aber, dass sich der Unmut der Philologen eher auf das te richtet, das entweder in einigen Hs. fehlt oder in der Vergangenheit wegkonjeziert wurde, da es in der parallelen Konstruktion mit kai...kai...kai in der Tat seltsam anmutet. (Grammatikalisch richtig ist ausserdem hier "Woerter")

Ich wuerde auch eine Uebersetzung vorschlagen, etwa: Nikeratos, Petronius (,) Niger und Diodotos. Man koennte dann mit der Richtigkeit des Kommas in der Uebersetzung argumentieren. Rominator 18:56, 20. Sep 2006 (CEST)

"Dieser Petronius scheint bereits zu Beginn des 1. Jhs. gelebt zu haben. ... Galen nennt ihn 'Petronios Musas'. Wellmann vermutete eine Verwendung der pharmakologischen Bücher des Petronius durch Sextius Niger."

Hier erscheinen mir jeweils Referenzen sinvoll. Rominator 19:44, 20. Sep 2006 (CEST)

Ich habe hier nur [| Smith] und die RE.
Smith: "Fabricius (Bill. Gr. vol. xiii. p. 361, ed. vet.) supposes his name to have been Petronius Niger but this is uncertain, and in the latest edition of Dioscorides (/. c.), where the words καί Νικήρατος καί Ρετρώνιος Νίγερ τε καί Διόδοτος occur, a comma is placed between Ρετρώνιος and Νίγερ. In Pliny (ff. N. xx. 32), he is called Petronius Diodotus, but probably the text is not quite sound [...]"
Beim nochmaligen Lesen wird mir deutlich, dass das Komma demnach in einem um 1860 gedruckten Text steht. Wäre ich ohne Dich nicht drauf gekommen. Mein Griechisch ist leider eher rudimentär, ich kann zu der Frage leider sonst nichts oder nur wenig Gescheites beitragen. Ich verlass mich auf Dein Wissen, dass mit Komma nicht noch irgendwas anderes gemeint ist, und habs mal etwas abgeändert. Aber wenn Du es Dir zutraust, dann ändere doch den Satz so, dass ihn auch ein Gräzist versteht. Schau nochmal drüber, ob das so geht.
Die Referenzen betr. Galen und für die These von Wellmann (er scheint auch Dioskurides herausgegeben zu haben) habe ich nachgetragen. Sie schienen mir hier entbehrlich, da es ja kein Artikel über den Pharmakologen ist (der muss noch geschrieben werden), sondern über den mit ihm verwechselten Niger.
K. Deichgräber schreibt in der RE XIX Sp. 1193:
"Doch ist abzuwarten, welche Lesung die Hss.-Überlieferung bei Gal. XIII 462. 502 und XII 989 ergeben wird. Hier wird in Aufzählungen älterer und jüngerer Pharmakologen [...] jedesmal an fast gleicher Stelle der Reihenfolge ein Musas, Petronius Musas und Antonius Musa (Leibarzt des Augustus [...] genannt."
Leider weiß ich nicht, was die Hss.-Überlieferung seit 1938 ergeben hat. Jedenfalls sind es mit Sicherheit nur Wörter, keine Worte...! Danke für Deine Hinweise! --Thomas Völker 05:09, 21. Sep 2006 (CEST)

Ok, ich habe heute eh Forschungstag und sitze in der Bibl. Die erste Textstelle habe ich gefunden, neueste Edition ist nach wie vor Wellmann in der 2. Aufl. von 1958. Meine Vermutung, dass das te in einigen Handschriften fehlt, war richtig. Ich habe den Absatz jetzt so unformuliert, dass ein Graezist wohl keine Einwaende mehr haette, das ganze aber auch noch verstaendlich bleibt.

Smith bezieht sich auf eine aeltere Edition von 1830, da die Erstausgabe von Wellmann erst 1912 erschienen ist. Wellmann setzt kein Komma, ist allerdings auch nicht noetig. Ein Komma zur Trennung der Namen wuerde wohl hoechstens ein Englaender erwarten, da die englische Interpunktion dies vorsieht. Nach der neueren Edition von Wellmann ist die Sache praktisch eindeutig. Wenn die aeltere Edition allerdings auch schon das te hatte, dann sehe ich keinen Grund, warum Smith noch mit dem Komma argumentiert, hoechstens um zu sagen: Der Hrsg. von 1830 hat das auch so gesehen, dass das te eindeutig die Namen trennt, und deshalb ein Komma gesetzt. Vielleicht war er auch am Vortag in der Kneipe und musste irgendwas zu Papier bringen...

Zu der Galen-Stelle ist zu sagen, dass die Vorkriegs-RE zur philologischen Leistung kuenftiger Generationen wohl zu optimistisch war. Nach meinen Recherchen habe ich keine kritische Ausgabe zu Galen nach 1938 mehr gefunden. Die heute immer noch gaengige von Kuehn, 1965, ist ein unveraenderter Nachdruck von 1827, also die gleiche Edition, auf die sich die RE bezieht. Es ist natuerlich nicht ganz auszuschliessen, dass jemand spaeter nochmal dieses Spezialproblem behandelt hat. In dem Fall wuerde man aber nur durch moderne prosopographische Werke weiterkommen. Wenn darin kein Artikel ueber den Pharmakologen zu finden ist, wurde das Thema zu 99% nie wieder behandelt.

Rominator 00:42, 22. Sep 2006 (CEST)


Na, dann sind wir doch auf der Höhe der Zeit! Fridolf Kudlien schrieb 1979 im Kleinen Pauly (II Sp. 675), dass Kühn (1821-1833) völlig unkritisch, aber immer noch die einzige Gesamtausgabe von Galen ist. Es gäbe aber einige kritisch editierte Schriften im Corpus Medicorum Graecorum (V 4, V9, V10).

Brandaktuell kann ich noch folgendes beitragen: Vor gut 400 Jahren hat sich Janus Antonius Saracenus schon mal mit der Frage beschäftigt (Pedacii Dioscoridis Anazarbaei De Materia medica: libri V; Frankfurt 1598):

"Dioscorides Petronium & Diodotum, tanquam * diversos rei herbariae scriptores commemorat. At Plinius tum lib. xx. cap. 8. tum etiam xxv.cap.9. unum & eundem Petronii nomine designare videtur. (abgedruckt in Pieter Burmann Titi Petronii Arbitri Satyricon etc. (Amsterdam ²1743) II, p. 324)

Bei Burmann gibt es dann folgende Anmerkung, (offenbar durch Burmann selbst):

*Verba Discoridis sunt: Ρετρώνιος Νίγερτε καί Διόδοτος, Petronius Nigerque & Diodotus: id est, uterque tam Niger, quam Diodotus. Non ergo duos diversos auctores Dioscorides facit Petronium & Diodotum, sed duos diversos Petronios: scilicet Petronium Nigrum, & Petronium Diodotum. Nec minus quam saracenus, etiam Hermolaus Barbarus in hoc loco falsus fuit. Et forte ad alterutrum horum duorum Petroniorum spectant carmina illa de Medicina, quae se vidisse Volterranus testatur. Nam Petronii Arbitri esse nemo mihi umquam persuaserit."

Ich denke aber nicht, dass das etwas an Deinem Ergebnis ändert, denn Burmann las ja eindeutig das τε.

Deine Änderung finde ich vortrefflich. Dank und Gruß --Thomas Völker 13:40, 22. Sep 2006 (CEST)

Auf die Lesung von Burmann bin ich jetzt nicht gekommen, allerdings halte ich diese auch fuer gewagt. Es kann natuerlich sein, dass es sich bei Petronius Diodotos um einen griechischstaemmigen Freigelassenen eines Petronius handelt. Ich wuerde dann allerdings erwarten, dass Petronius nach der Schulgrammatik Plural waere: lat. Petronii Niger Diodotusque oder gr. Petronioi Niger Diodotos te. Die Schulgrammatik hilft nicht immer weiter, aber warum hat Dioskurides es nicht deutlich ausgedrueckt, falls er Petronius auf beide Cognomen beziehen wollte?

Immerhin erklaert das die Argumentation von Smith: Es gibt ja Leute, die behaupten, Niger und Diodotos bezoegen sich auf Petronius, zumindest der Hrsg. von ca. 1830 hat das nicht so gesehen. Deshalb hat er auch ein Komma gesetzt.

Burmann steht jedenfalls mit seiner Lesung alleine da, da auch Wellmann drei getrennte Namen liest (er setzt kein Komma, erlaeutert aber im Apparat und verweist auf seinen Beitrag im Hermes). Ich ergaenze noch das Argument im Artikeltext, dann sollte die Frage abgeschlossen sein. Gruss Rominator 19:06, 22. Sep 2006 (CEST)

Prima! Damit sollte der Artikelteil allen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Ein gelungener Fall von Zusammenarbeit!--Thomas Völker 01:49, 23. Sep 2006 (CEST)


Identitaet von Petronius, Verfasser des Satyricon

Sehr gut, ich habe mir jetzt auch noch Deine Ausfuehrungen zur Identitaet von Petronius angeschaut. Ziemlich interessant, allerdings haette ich noch einige Rueckfragen:

"Es scheint vielmehr so, dass TACITUS mit der vorbildlichen Amtstätigkeit des Petronius in Bithynien auf dessen Vorgänger Iunius Cilo anspielt, der ab 49 und vermutlich auch in den Jahren 52-55 Procurator von Bithynien-Pontus war , und der von den Bithyniern verklagt wurde, enorme Bestechungsgelder genommen zu haben. Schon dessen Vorgänger Cadius Rufus war aufgrund einer Klage der Bithynier verurteilt worden. Nicht viel anders erging es Petrons Nachfolger M. Tarquitius Priscus, der wegen Erpressung verurteilt und im Jahre 61 von den Bithyniern vor dem Senat belangt wurde. In den Jahren 57/58 war ein C. Iulius Aquila Procurator von Pontus und Bithynien . Sehr wahrscheinlich fällt daher die Tätigkeit des Prokonsuls Petronius in die beiden Jahre von Mai 55 bis Mai 57 n. Chr.

Hierzu ist zu sagen, dass Prokurator und Proconsul/Statthalter zwei VERSCHIEDENE Aemter sind. Kenntnis ueber die Amtszeit von Prokuratoren sagt daher ueberhaupt nichts ueber die Amtszeit von Statthaltern aus. Nach meinen Recherchen sind folgende Statthalte von Bithynia-Potus bekannt: Attius Laco, L. Montanus, M. Tarquitius Priscus, jeweils ohne Wissen um die Amtszeit, bei Tarqutius weiss man nur, dass er 61 verurteilt wurde. Rominator 02:58, 26. Sep 2006 (CEST)

„Titus Petronius war dann direkt oder bald („mox“) nach seinem Prokonsulat in Bithynien Suffektkonsul, also vermutlich ab Juli des Jahres 57 als Ersatz für Nero (dessen Nachfolger ansonsten nicht bekannt ist) und wurde um diese Zeit unter die Freunde Neros aufgenommen. Im Jahr 57 n. Chr. ist bislang nur ein cos. suff. bekannt: L. Caesius Martialis, der anstelle von L. Calpurnius Piso das Amt übernahm. Nero übte das Konsulat nur bis einschliesslich Juni aus (SUET. Nero 14), sein Nachfolger ist bislang nicht namentlich bekannt. Alles spricht für Titus Petronius. T. Petronius kann nicht mit P. Petronius Niger identisch sein, der erst im Jahr 62 cos. suff war. Gemäß TACITUS (XVI 18) wurde Petronius erst nach seinem Konsulat arbiter elegantiae. Aber von 62 an gelangte Tigellinus in eine sehr ähnliche Position. Es ist viel wahrscheinlicher, dass Neros Hauptberater einander in folgender Reihe ablösen: ca. 54-59 Seneca, ca. 59-62 Petronius, ca. 62-68 Tigellinus.“

Zunaechst einmal habe ich mir gerade die FS Petersmann angeshen, worin der Flobert (oder wie er heisst) eben auch von Trennung Petronius Niger - Arbiter ausgeht, allerdings mit anderen Argumenten und mit dem Ergebnis, dass der Verf. der Satyrica nicht der Arbiter des Nero ist. DNP und PIR nehmen die Identitaet von Publius und Titus an, die PIR mit schlechtem Gewissen.

Was für eine Kategorie für ein wissenschaftliches Werk! ;o)--Thomas Völker 16:06, 7. Okt 2006 (CEST)

Nun zu meinen Fragen: 1. "Petrons Nachfolger M. Tarquitius Priscus": Ist irgendwo belegt, dass er wirklich Nachfolger war oder nur, wie ich die Tac.-Stelle verstanden habe, Prokonsul in Bithynia in diesem Jahr. Dann koennte sich die vorblidliche Amtstaetigekeit des Petronius ja auch die Erpressungen des Tarquitius beziehen.

Stimmt, das ist nirgends belegt. Es könnte - wenn man die anderen Indizien ignoriert - so sein wie du sagst.--Thomas Völker 16:06, 7. Okt 2006 (CEST)

2. "Aber von 62 an gelangte Tigellinus in eine sehr ähnliche Position." Tigellinus wurde m.W. 62 praefectus praetorio, also eine Stellung, die zwar im Hinblick auf die Naehe zum Kaiser sehr aehnlich war, keinesfalls jedoch in den damit verbundenen Aufgaben, so dass die Reihenfolge der Hauptberater Neros mir nicht unbedingt einleuchtet. Tigellinus braucht Petronius nicht verdraengt zu haben.

3. Kann man ausschliessen, dass Petronius nicht zwischen 58 und 60 Statthalter von Bithynia war, d.h. sind die Namen der/des Statthalter(s) in dieser Zeit bekannt?

Wie gesagt, ich halte dies fuer eine sehr wichtige Fragestellung und waere daher dankbar, wenn Du mir kurz nach dem jetzigen Stand Deiner Recherchen hierzu antworten koenntest. Rominator 02:34, 23. Sep 2006 (CEST)

59-60 kann man wohl ausschließen, dass Tarquitius Priscus längere Zeit vor 61 Statthalter gewesen sein sollte, halte ich für unwahrscheinlich.

Im Lemma Bithynia hatte ich mein vorläufiges Wissen zu den Proks. eingetragen (gerade noch mal überarbeitet), aber anscheinend weiss man auch sonst nicht viel mehr. Den L. Montanus (prägte unter Nero Münzen in Nicomedia) habe ich jetzt ergänzt (danke für den Hinweis). Ausriß:

Jahr Prokonsul Procurator
18/19 P. Vitellius
20-46 NN
47–48 L. Cadius Rufus (verurteilt wg. Erpressung)
49 Iunius Chilo I
50–52 NN
52–55 Iunius Chilo II (verurteilt wg. Bestechlichkeit)
zw. 55 u. 59 Ti. Attius Laco
56-57 ?? T. Petronius? (vorbildliche Amtsführung)
57-59 C. Iulius Aquila (CIL III 346)
59-61 ? M. Tarquitius Priscus (verurteilt wg. Erpressung)
? (54-68) L. Montanus
68-77 NN
70/71 ? M. Plancius Varus (cos. suff. ca. 82/83)
72-77 NN
78/79 L. Antonius Naso
110-112 (Plinius d. Jüngere, leg. Aug.!) Maximus (Plin. ep. 10,27,1 10,85,1)
Bithynia war von 27 v. Chr. „bis tief ins 2. Jh. hinein“ Senatsprovinz, „allerdings nimmt O. Hirschfeld [...] an, dass B. im 1. Jh. n. Chr. vorübergehend dem Senat genommen und durch kaiserliche Procuratoren verwaltet sei. (‘RE’ V, Sp. 527).
Die Tabelle wirkt auf den ersten Blick schon so, als wenn sich Prokonsuln und Prokuratoren abgewechselt hätten. Dass in Bithynia Prokonsul und Prokurator gleichzeitig amtierten ist nirgends nachgewiesen. Die nur vermutete Parallelität von Cadius Rufus und Iunius Chilo ist nicht zwingend. Sogar noch 110 n. Chr. trägt Plinius neben dem Procurator Maximus m. W. nicht den Titel Prokonsul, sondern kaiserlicher Legat.
Gleichwohl scheint Bithynia weiter Senatsprovinz gewesen zu sein wie aus dem senatusconsulto im Titel des Plinius hervorgeht (leg. pr. pr. provinciae Ponti et Bithyniae consulari potestate in eam provinciam e[x s. c. ab] imp. Nerva Traiano Aug. Germ. [missus], CIL V 5262, bzw. ex s.c. pro[consulis loco in prov. Ponto] et Bithynia, CIL VI 1552, Ergänzungen von Mommsen).
Mh, diese Inschrift, ganz besonders die erste, sagt doch im Gegenteil ganz klar aus, dass Pontus et Bithynia kaiserliche Provinz war: legatus pro praetore consulari potestate, also ein Legat des Nerva, um an dessen Stelle die Provinz als Propraetor mit konsularischer Vollmacht zu verwalten. Rominator 23:52, 7. Okt 2006 (CEST)
„zwischen Iunius Cilo und Iulius Aquila fällt noch das Prokonsulat des Attius Laco, das auf Münzen mit den Bildern Neros und Agrippinas vorkommt, also zwischen 54/59 n. Chr. fällt“ (RE a.a.O.). Dass Iunius Cilo das Amt des Prokurators von Claudius „zwei weitere Jahre“ erhält (Cass. Dio 60, 33) spricht für die auch sonst zu findende Zweijährigkeit in der Leitung der Provinzen, es gibt aber Ausnahmen.
Die RE (C. G. Brandis) wendet gegen Hirschfelds Annahme ein, dass “ein unaufhörlicher Wechsel der Verwaltung in dieser Provinz und ein fortwährender Übergang derselben aus den Händen des Senats in diejenigen des Kaisers stattgefunden haben müsste.“ Cilo, Aquila, Naso seien daher wohl eher Finanz-, nicht Praesidialprocuratoren gewesen.
Das Argument rechnet nicht mit der Irrationalität der Cäsaren, Caligula und Nero bieten genug Beispiele dafür, wie sich der Wille des Herrschers über Fragen der Machbarkeit hinwegsetzt. Aber zu Beginn der Herrschaft Neros unter den Fittichen des Seneca ist das eher nicht zu erwarten. --Thomas Völker 16:06, 7. Okt 2006 (CEST)
Leider, und das ist hier wichtig, sind die Titulaturen bei Tacitus nicht so unanfechtbar, wie es zu wünschen wäre. (Der bithyn. Prokonsul d. J. 14-15, M. Granius Marcellus, heisst z.B. bei Tacitus „praetor“. Der bekannteste Fall ist der Präfekt von Iudaea, Pontius Pilatus, der bei Tac. (ann. 15.44) anachronistisch Procurator genannt wird). Der Procurator Cilo könnte daher evtl. auch Prokonsul gewesen sein, was die Frage des Verwaltungswechsel lösen würde.--Thomas Völker 16:06, 7. Okt 2006 (CEST)
Tacitus Erwähnung des Titus Petronius als Prokonsul deutet jedenfalls auf den Posten des Statthalters. Nimmt man nur die als Prokonsuln nachweisbaren Personen, so ergibt sich:
  • 47–48 L. Cadius Rufus (verurteilt wg. Erpressung)
  • zw. 54 u. 59 Ti. Attius Laco
  • 59-61 ? M. Tarquitius Priscus (verurteilt wg. Erpressung)
  • zw. 54 u. 69 L. Montanus
Für die vorbildliche Amtsführung des T. Petronius in Bithynien bleiben dann ein, eher zwei Jahre zwischen 48 und 57 oder irgendwann nach 61 und nicht zu dicht an 66 damit Konsulat, Zurücksinken, Kaiserfreundschaft und Tigellinusneid noch genug Platz finden. Nimmt man die Procuratoren hinzu wirds fast ein bisschen zu eng für eine zweijährige Amtsführung. Wie auch immer: Dass Tacitus mit der Vorbildlichkeit auf die verurteilten Vorgänger oder Nachfolger anspielt ist m. E. evident. Ich halte 55-57 oder 56/57 für die wahrscheinlichste Lösung, wie ja die ganze Diskussion nur eine Abwägung sein kann, solange bis vielleicht einmal eine datierbare Inschrift echte Sicherheit bringt. --Thomas Völker 16:06, 7. Okt 2006 (CEST)

P.S. Aus Tacitus, Annalen 15, 37 und 57 und 16,16 kann ich leider bei bestem Willen nicht sehen, warum Tigellinus ueberhaupt das Amt des Arbiter innegehabt haben sollte. Nach der Zaehlung dieser Edition: [1] berichtet 15,37 von Banketten des Tigellinus, 15,57 von Folterung und Tod der Epicharis, 16,16 ist ein bekannter Exkurs zur Aufgabe des Geschichtsschreibers. Moeglicherweise stimmt die Zaehlung nicht (?). 16,18 sagt dagegen, dass Tigellinus wegen seines groesseren Einflusses auf den Kaiser Petronius beneidet habe, was aus meiner Sicht ja gerade schliessen laesst, dass beide gleichzeitig hohe Aemter in Neros Hof ausgeuebt haben, somit dass Petronius nach 62 noch Arbiter gewesen ein muss (ueber der Zeit vor 62 lassen sich keine Ausagen machen).

„Tigellinus braucht Petronius nicht verdraengt zu haben“ - hat er aber wohl. Zwar nicht als Prätorianerpräfekt (da waren die Aufgaben wirklich nicht ähnlich), aber doch bald darauf, als Veranstalter von Festlichkeiten. Dass Nero noch im Jahr 64 den Rat des Petronius wie ein Gesetz beachtet habe, halte ich angesichts der wenig eleganten Ausschweifungen dieser Jahre für ausgeschlossen. Sie tragen die Handschrift des Tigellinus, dem ja auch noch Juvenal die Menschenfackeln zuschreibt. Der brennende Neid des Tigellinus erklärt sich für mich am schlüssigsten dadurch, dass er der Rolle des arbiter (auch wenn sie nicht so genannt wurde) nicht gewachsen war, sie also schon übernommen hatte.
Also, das leuchtet mir, im Gegensatz zu Deinen uebrigen Ausfuehrungen, wirklich nicht ganz ein. Arbiter elegantiae verstehe ich als ein Amt, das etwa "oberster Literaturkritiker/Minister fuer Kunst und Kultur" bedeutet. Es kann schon sein, dass Petronius seit 64 die Privatorgien des Nero organisiert hat, das verbindet sich aber m.E. nicht mit einem bestimmten Amt. Ich habe noch nicht gehoert, dass Tigellinus irgendwie literarisch taetig war, was haette ihn dann zu dem Amt qualifizieren sollen? Tigellinus hat im Umfeld der Pisonischen Verschwoerung gegen Petronius integriert, um ihn loszuwerden, d.h. er gehoerte bis zum Ende zum Beraterkreis an, eben als Arbiter Elegantiae, Tigellinus als Praetorianerpraefekt. Dass Tigellinus fuer die Bestrafung der Christen zustaendig war ist klar, es war ja eine politische Entscheidung.
Als Amt im eigentlichen Sinne kann man arbiter nicht bezeichnen, denn es gibt dies als Titulatur weder vorher noch nachher. Auch ist der Umfang dieser Tätigkeit nicht klar definiert, alles was wir darüber wissen stammt von Tacitus.
"dein revolutus ad vitia seu vitiorum imitatione inter paucos familiarium Neroni adsumptus est, elegantiae arbiter, dum nihil amoenum et molle adfluentia putat, nisi quod ei Petronius adprobavisset. unde invidia Tigellini quasi adversus aemulum et scientia voluptatum potiorem."
"Dann in seine Schwächen zurückgesunken (vielleicht auch nur in die Nachahmung der Schwächen), wurde er von Nero unter seine wenigen Vertrauten als Richter des guten Geschmacks herangezogen, solange er im Überflusse nichts für reizvoll und für empfänglich hielt, außer das, was Petronius ihm abgesegnet hatte. Hieraus entstand der Neid des Tigellinus wie gegen einen Nebenbuhler und wie gegen einen, der in der Kenntnis um die Genüsse vorzüglicher bewandert war [als er selbst]." (meine Übersetzung)
Ich interpretiere das dum als "solange", was implizit auf ein Ende hinweist: Nero hielt irgendwann nicht mehr nur das von Petron empfohlene für empfänglich. Das genaue Datum ist nicht überliefert, es dürfte auch schleichend geschehen sein, mal hier ein Abweichen vom guten Geschmack, mal dort ein Auftrag an Tigellin... Spätestens ab 64 kümmert sich Tigellin jedenfalls um die Ausgestaltung von Festlichkeiten, (Tac 15,37), wozu gewiss Geschmack gehört und was daher, wie man es dreht und wendet, wohl eher dem Arbiter zugestanden hätte. Die bodenlose Geschmacklosigkeit von Neros öffentlichem Auftreten ab 64 beweist m. E. hinreichend, dass er in diesen Dingen nicht mehr auf den Rat des Petronius hörte.
Die Funkktion des arbiter ist eine sehr persönliche Entscheidung Neros. Da ist viel Raum für Spekulation. Sicher ist jedenfalls dass Tacitus die Tätigkeit des Petronius unmittelbar mit dem Neid des Tigellinus in Verbindung bringt. Und der dürfte wohl schon länger gegärt haben, bevor er zur Tat schritt. Warum aber sollte er neidisch sein, wenn er doch ganz andere Aufgaben hatte? Eine solche Konkurrenz pflegt m. E. erst dann tödlich zu werden, wenn zwei exakt dasselbe wollen. Für mich liest sich das zwischen den Zeilen so: Nero hörte in Fragen des guten Geschmacks immer mehr auf die Ratschläge des Tigellinus, der diesen gerade nicht besaß. Obwohl Petron nicht mehr Neros Maßstäbe setzte, war er für Tigellin wie ein Nebenbuhler, und das war das Ärgernis, Petron war in der Kenntnis um die Genüsse vorzüglicher bewandert als er.
Für die Chronologie des Titus Petronius folgt daraus:
  • 54-62 Seneca Hauptberater
  • ca. Mai 55-57 Petron Prokonsul von Bithynien
  • 57 (2. Halbj.) Petron Suffektkonsul (für Nero)
  • ca. 59 (ab März/April) Petron amicus neronis, im Literatenzirkel als Gegengewicht zu Seneca aufgebaut
  • ca. 60 Entstehung des Satyricon
  • 62 Entmachtung Senecas mithilfe von Petronius, Arbiter elegantiae, Tigellin Prätorianerpräfekt
  • von 64 an ist Tigellin faktisch der arbiter sine elegantiae Neros, dann
  • ab 64 zwei Jahre Neid die
  • 66 in der Mordintige kulminieren.
Wenn Publius (!) Petronius Niger der Arbiter Neros gewesen sein soll, dann müsste es so aussehen:
  • 54-62 Seneca Hauptberater
  • ca. 61/62 P. Petron. Niger Prokonsul von Bithynien
  • 62 Entmachtung Senecas, Tigellin Prätorianerpräfekt
  • 62 (2. Halbj.) P. Petron Niger Suffektkonsul
  • 63 Petron amicus neronis und nur ein knappes Jahr lang (Episode!?) arbiter elegantiae (aber kein Gegenspieler Senecas!?, nanu?)
  • 63-65? Entstehung des Satyricon mit Verspottung Senecas (warum nur??)
  • von 64 an Tigellin arbiter sine elegantiae
  • ab 64 zwei Jahre Neid
  • 66 Mordintige.
Das scheint mir, ist alles nur sehr mühsam zu motivieren. Ich könnte noch weiter auf die Datierung des Satyricon eingehen, aber das führt hier entschieden zu weit.--Thomas Völker 20:02, 8. Okt 2006 (CEST)

Wenn es tatsaechlich irgendwo wasserdichte Hinweise gibt, dass Petronius vor 62/63 Arbiter wurde, waere das ein Killerargument gegen die Identifizierung von P. P. Niger und dem Arbiter. Bis jetzt kann ich das noch nicht ganz sehen. Wie gesagt, um weitere Aspekte waere ich sehr dankbar (und: die handschriftliche und inschriftl. Divergenz sollte auch aus meiner Sicht die Identifizierung problematisch machen, wenn sich dann auch noch halbwegs eindeutige prosopographische Widersprueche nennen lassen...) Rominator 00:00, 24. Sep 2006 (CEST)

Tac. 14,52-56 (vgl. 15,45) sagt, dass Seneca erst nach dem Tod des Burrus (62) aus seiner Beraterfunktion gedraengt wurde und sich ins Privatleben zurueckzog. Allerdings finden sich dort auch Hinweise auf weitere Berater, die Seneca in der Zwischenzeit weitgehend ersetzt hatten und ihn vor allem in Hinblick auf seine kuenstlerische Taetigkeit schmeichlerich berieten (also nicht auszuschliessen, dass Petronius u.a. unter diese zu zaehlen ist). Rominator 21:46, 25. Sep 2006 (CEST)

Wasserdichte Killer kann ich auch nicht bieten. Es legt sich nur einiges sehr nahe, z.B. dass Nero Petronius im Rahmen seines literarischen Salons, den er ab 59 betrieb (Tac. ann. 14, 13), in seinen Freundeskreis aufnahm, ideal als Gegengewicht gegen Seneca. Dass Petronius Seneca in seinem Satyricon gezielt verspottet ist oft bemerkt worden und ich kann das nur untermauern. Nach meinem dafürhalten zielt u.a. darauf die Stelle bei Tac. 14, 52 zum Jahr 62, was ich an anderer Stelle näher ausführen werde. Zu Petronius als Schmeichler sh. Plutarch de adulatore et amico.

E. Courtney, A Companion to Petronius, Oxford 2001, 6-7 mit Anm. 1 diskutiert ebenfalls die Identitaetsfrage. Er aeussert sich zumindest neutral: "This last fact (Tilgung/Ersetzung des C. bei Tacitus mit dem T. des Plinius und Plutarch) militates against the nowadays popular identification of this Petronius with a known T. Petronius Niger, consul in the early sixties AD. That, however, is of scant importance..." Anm.: See Rose,[K.F.C., The Date and Author of the Satyricon, Leiden 1971], 50 sqq. ... Rose argues that, since the fasti for 58-9 are complete, the Tacitean Petronius will have been consul at about the same time as Petronius Niger, but there is no reason why he should not have been consul before 58. Note that there is good evidence that the praenomen of Petronius Niger was in fact P. (Griffin [,M.T., Nero, the End of a Dynasty, London 1984] 272 n.3; for the publication of the document in question see Ann. Epigr. 1989. 681= Suppl. Epigr. Gr. 39 (1989), 1180). Rominator 01:45, 26. Sep 2006 (CEST)

Es sieht demnach so aus, dass Rose, dessen Buch hier im Augenblick verstellt ist, massgeblich die Identifizierung mit Petronius Niger ins Spiel gebracht hat , da ihm die Inschrift in AE 1989 allerdings wohl nicht bekannt gewesen sein wird, ging er von dem Praenomen T. Petronius Niger aus. Vermutlich bezog er sich damit auf die Inschriften aus Herculaneum mit der zweifelhaften Lesung.

Rose diskutiert zunächst die Frage des praenomens (S. 48f) und kommt aufgrund der zwei voneinander unabhängigen Quellen zu dem Schluß, dass es wohl Titus gelautet haben dürfte.
Dann macht er sich auf die Suche nach zeitgenössischen Titus-Petroniussen und wird bei unserem Niger fündig, dessen Consulat er auf ca. 61 n. Chr. schätzt. Rose ist in der Frage der Datierung immer noch Autorität, aber inzwischen hat sich doch manches leicht bewegt. Ich persönlich glaube zeigen zu können, dass das Satyricon im Sommer 62 beendet wurde. Aber dies schlüssig zu beweisen ist hier nicht der rechte Ort.--Thomas Völker 16:06, 7. Okt 2006 (CEST)
Das Buch von Rose habe ich mittlerweile zu Haenden. Rominator 00:50, 8. Okt 2006 (CEST)

Courtney (S. 7) haelt aussserdem m.E. zurecht spaetere Nennungen des Petronius Arbiter (oder auch nur Arbiter) fuer bereits in der Antike erfolgte Identifikationen des Verf. der Satyrica mit dem Arbiter des Nero. Rominator 01:45, 26. Sep 2006 (CEST)

Sei gegrüßt, mein Rominatore! Das mit der antiken Identifikation mit dem Arbiter sehe ich auch so. Aber zunächst mal Dank für Deine Nachfragen und Nachforschungen! (Und Glückwunsch nachträglich für’s Stiefelchen-Bapperl!). Ich bin grad anderweitig sehr eingespannt, aber du hast recht, die Fragen zu klären ist überaus wichtig. Ich antworte, damit es übersichtlich bleibt, bei den einzelnen Abschnitten. (Also oben weiterlesen)--Thomas Völker 16:06, 7. Okt 2006 (CEST)
Schoen, wieder von Dir zu hoeren, Thomas, und vielen Dank fuer Deine Antworten/Erlaeuterungen. Einige Einwaende/Bemerkungen habe ich mit Einrueckungen im Text angebracht. Um sich wissenschaftlich abzusichern, waeren noch einige Recherchen notwendig, besonders zu neueren Arbeiten zur Provinz Bithynia et Pontus (z.B. ist vor einigen Jahren eine numismatische Arbeit erschienen), da die RE natuerlich ueberholt ist und sich gerade auf dem Gebiet der Prosopographie so einiges tut. Auch ein Blick in den Index der letzten Jahrgaenge des SEG waere hilfreich.Rominator 00:50, 8. Okt 2006 (CEST)
Weiter kleine Anmerkungen oben im Text.

P.S.: "Satyrica" werde ich erst zulassen, wenn du mir eine wirklich alte Quelle nennst, wo das Werk so genannt wird. Gruß --Thomas Völker 20:02, 8. Okt 2006 (CEST)

Lemma

Könnte bitte jemand das Konsulat für 63 bestätigen (Juli-August 61 und 62 sind schon besetzt, sh. Referenz) und dann das Lemma entsprechend auf "Suffektkonsul 63" verändern? --Thomas Völker 13:00, 3. Nov. 2006 (CET)

Hallo Thomas, wenn dieser Petronius tatsächlich erst 63 Konsul gewesen wäre, würde dies auch die Datierung des Zollgesetzes von Asia verschieben. Da sich mit diesem aber seit seiner Auffindung Dutzende Wissenschaftler beschäftigt haben, wird es wohl der Forschungsstand von Gallivan, sein, der überholt ist. Vor einer Verschiebung sollte auf jeden Fall jemand in die Ausgabe des Zollgesetzes sehen.--StefanC 13:39, 3. Nov. 2006 (CET)

Es muss wohl tatsaechlich bei 62 bleiben. Die Inschrift ist an zwei Stellen auf den 9. Juli datiert. Zur Datierung des Jahres wird auf W. Eck, RE Suppl. nr 49; ZPE 42 (1981) 227ff. E.B. Thimasson RE Suppl. IX 397 nr. 47a und 67d verwiesen, saemtlich Daten, die neuer sind als Gallivan. Wenn dann muestte man hier nachsehen oder in spaeteren Kommentaren der Inschrift, die soweit ich sehe alle inhellig in der Datierung sind. Rominator 18:37, 3. Nov. 2006 (CET)