Diskussion:St.-Marien-Kirche (Winsen)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Artikel „St.-Marien-Kirche (Winsen)“ wurde im März 2020 für die Präsentation auf der Wikipedia-Hauptseite in der Rubrik „Schon gewusst?vorgeschlagen. Die Diskussion ist hier archiviert. So lautete der Teaser auf der damaligen Hauptseite vom 6.04.2020; die Abrufstatistik zeigt die täglichen Abrufzahlen dieses Artikels.

Gliederung

Der Abschnitt Friedhof steht wie ein Fremdkörper zwischen der Beschreibung der Kirche. Ich würde ihn an den Schluss setzen. -- Lothar Spurzem 23:32, 20. Mär. 2020 (CET)

Stimmt! Ich habe es angepasst. --Alex (Diskussion) 23:42, 20. Mär. 2020 (CET)

Verbesserungsvorschläge

Als erster Autor des von Ihnen oft zitierten Werks zu den Quellentexten der Geschichte von St. Marien mache ich folgende Verbesserungsvorschläge: 1. Die Vikarie St. Georg ist vermutlich nicht als erste, sondern die letzte der 3 Vikarien eingerichtet worden: Quellenbuch S. 14 und 211/212. 2. „Das häufige Auftreten Wilhelms II. als Protonotarius“: richtiger: „Das häufige Auftreten als Protonotarius Wilhelms II.“ 3. Die Stadt Lüneburg stand Anfang des 15. Jhs. nicht deswegen als Residenz nicht zur Verfügung, da sie zum Besitz des Gesamthauses Braunschweig-Lüneburg gerechnet wurde, sondern weil die Lüneburger Bürgerschaft die Welfen 1371 aus der Stadt vertrieben und ihr Schloss abgebrochen hatten. Die Stadt dachte nicht daran, sie wieder aufzunehmen, erkannte die Welfen aber weiterhin formal als ihre Stadtherren an. 4. Die in älterer Literatur zu findende Behauptung, die Franziskaner hätten 1477 die St.-Marien-Kirche übernommen oder sie sogar (dann bevor sie überhaupt ein Kloster in Winsen hatten) vorher erbaut, findet in den gesamten Quellen zur Kirche und auch zum Kloster nicht die geringste Stütze, ist also reine Spekulation gewesen, die zudem aus allgemein-kirchenrechtlichen Gründen höchst unwahrscheinlich ist. Vgl. dazu die Quellentexte zum Winsener Franziskanerkloster. Hier sollte durchgehend die verbesserte 2. Auflage von 2018 zitiert werden. Außerdem: die seit 1348 bestehende Terminei gehörte den Franziskaner-Konventualen, das seit 1477 bestehende Kloster den mit ihnen verfeindeten Franziskaner-Observanten. Hier gibt es überhaupt keine Kontinuität. 5. Die Vikarien blieben als „geistliche Lehen“ noch bis ins 18. Jh. erhalten, wurden jedoch letztmalig bis zur Mitte des 17. Jhs. an Getreue des Herzogs als Lehen vergeben (ohne dass damit noch geistliche Aufgaben verbunden gewesen wären), später waren sie reine Vermögensmassen, die vom Amt Winsen verwaltet wurden. Die Einkünfte daraus wurden zuletzt zur Besoldung von Geistlichen und Lehrern der Lateinschule verwendet. Siehe auch Quellenbuch S. 205/206. 6. Der 1663/64 errichtete und 1822 abgebrannte Kirchturm war zwar aus Holz, aber auf einem gemauerten Sockel errichtet. Er dürfte wohl insgesamt etwa 50 m hoch gewesen sein (Zeichnung im Stadtarchiv). Die Nachricht von 1578 legt nahe, dass das schon damals so war: das Material zum Bau des Turms stammte aus einer abgebrochenen Bardowicker Kirche, war also wohl nicht nur Holz. 7. Zur Reformation: diese wird in der bisherigen Literatur völlig ohne Quellen und nur bruchstückhaft und recht fehlerhaft dargestellt. Die erste geschlossene Darstellung mit Auswertung aller verfügbaren Quellen findet sich bei J. Klahn, Die lutherische Reformation in Winsen an der Luhe 1526-1530. Winsener Geschichtsblätter Neue Folge Heft 2. Winsen 2016. Darin sind auch alle bisher falschen Datierungen korrigiert.

Guinsensis --2003:D1:6741:C57:F96B:D469:D6FE:E22A 10:21, 5. Sep. 2020 (CEST)

Neuzeit (nach der Reformation)

Leider werten Sie für die neuzeitliche Periode nicht die Standardveröffentlichungen aus. Dazu zählen:

1 Schoop, Kurt, Aus alter und neuer Zeit. Ein Beitrag zur Personalgeschichte der Pastoren zu Winsen (Luhe) und zur Kirchengeschichte dieser Gemeinde. Winsen (Luhe) 1926 2 Schoop, Kurt, Geschichte der Winsener Kirchtürme (Winsener Geschichtsblätter 11, 1930) 3 Schoop, Kurt, Geschichte der Winsener Kirchenglocken (Winsener Geschichtsblätter 13, 1931), eventuell weitere.

Ferner müsste man wohl die Generalreparatur der Kirche von 1753 erwähnen, der auch die mittelalterlichen Buntglasfenster zum Opfer fielen (Quellenbuch S. 16 unten). Ein Organist wird in Winsen schon 1617 erwähnt: Nieders. Landesarchiv Hannover NLA HA Celle Br. 42 Nr. 192. Bei der Ausstattung müsste man wohl auch die beiden großen Leuchter erwähnen, die 1727 von einem Winsener Reepschläger (= Seiler) gestiftet worden sind. Sie zählen nach der Renovierung der 1950er Jahre heute zu den ältesten Einrichtungsstücken der Kirche. Auch sollte man wohl das silberne Altargerät (Abendmahlskelche, Kannen, Oblatendose usw.) erwähnen. All diese Dinge sind im Kirchenführer (Ilona Johannsen, Jürgen Klahn) von 2008 abgebildet bzw. erwähnt.

Der 1822 abgebrannte Kirchturm soll nach Schoop (Kirchtürme, S. 13) einen Mauersockel von 76 Fuß (etwa 22 m) Höhe gehabt haben, der Turm bis zur Spitze war nach der Zeichnung (S. 11) etwa viermal so hoch. Ich weiß nicht, ob man diesen Zahlen trauen kann, allerdings ist die von manchen heimatgeschichtlichen Autoren suggerierte Vorstellung, es habe sich um ein kleines Holzgerüst gehandelt, wohl völlig abwegig. Man entnimmt den Ausführungen bei Schoop auch, dass dieser Mauersockel schon den 1627 abgebrannten Turm getragen hatte. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass schon der Turm von 1578 im Wesentlichen aus diesem Mauersockel und einer langen darauf stehenden Spitze aus Holz bestanden hat.

Guinsensis

--2003:D1:6741:C57:7DA8:2BD6:632F:9565 15:30, 5. Sep. 2020 (CEST)

Alte große Glocke

Nach Schoop, Kirchenglocken (1931) p. 13 wurde die große Läuteglocke 1687 neu gegossen. Damals brachte man folgende Inschrift auf ihr an:

Fata mea requiris lector - annus MDLXXXV primam originem mihi dedit, anterioribus campanis in universali oppiduli huius incendio ad interitum redactis - inde anno MDCXXVII a Danorum hostili exercitu gravem ruinam passa sum, restituta et de nove fusa eodem anno - per infelices deinceps scissuras binis vicibus tum anno MDCXLV - tum denique anno MDCLXXXVII iteratam eamque det Deus hanc ultimam artificis manum et operam subii regnante Serenissimo Georg Wilh. D. b. et lun. - gubernantibus hic loci C. V. de Wackerbarth et Joh. Heinr. Koch praefecto, Pastore M. Gottfried Schradero, Diacono Andrea Kulemanno, Cons. math. Meiero et antistit. eccl. bonorum W. Allerding. Joh. Schütten, J. Wedemann et P. Sievers.

Die deutsche Übersetzung gibt Schoop gleich bei: Du fragst, o Leser, nach meinen Schicksalen: Das Jahr 1585 gab mir den ersten Ursprung, nachdem die früheren Glocken bei einer allgemeinen Feuersbrunst dieses Städtchens vernichtet waren. Darauf erlitt ich im Jahre 1627 durch das feindliche Heer der Dänen schwere Beschädigung, wurde aber in demselben Jahre wiederhergestellt durch neuen Guß. Sodann wurde ich, nachdem ich zweimal geborsten war, einmal im Jahre 1645 und dann endlich, Gott gebe zum letzten Mal, im Jahre 1687, durch Künstlers Mühe erneuert zur Zeit der Herrschaft seiner Durchlaucht des Herzogs Georg Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg, während hier (unter ihm) regierten C. V. von Wackerbarth (Oberhauptmann zu Harburg)und Amtmann Johann Heinrich Koch (Amt Winsen), Pastor Magister Gottfried Schrader, Diakon (2. Geistlicher) Andreas Kulemann, Konsul (Bürgermeister) Matthias Meier und die Kirchenjuraten W. Allerding, Joh. Schütte, J. Wedemann und P. Sievers.

Den dt. Text habe ich leicht korrigiert. Bei Schoop heißt es etwa: Rechenmeister Meier, was auf einer Fehlinterpretation beruht. Damals hießen die 2 Bürgermeister "Konsuln", die Ratsherren "Senatoren", und "math" hat nichts mit Mathematik zu tun, sondern steht für "Matthias". Einen "Schreib- und Rechenmeister" gab es an der damaligen Lateinschule noch nicht, sondern erst ab 1745. Er hätte unter dem Rektor der Schule gestanden, aber selbst dessen Name erscheint ja nicht auf der Glocke. Interessant ist auch, wie weit hinten der 1. Bürgermeister in der Hierarchie steht. Der 2. Bürgermeister wird gar nicht erwähnt, ebenso wenig die Senatoren.

Schoop weiter: Diese Inschrift bildet die einzige Quelle für das, was bisher über die Winsener Kirchenglocken erzählt wurde, und stand auf dem Bauche der Glocke. Auf ihrem Rande war zu lesen: Sonus meus ad seram usque posteritatem et aures et pectora feriat sitque omnibus penetrans et precum et mortis sonus (Mein Klang möge bis zu den spätesten Zeiten Ohren und Herzen treffen und mahne alle dringend an Gebet und Tod). - Es wird dann noch gesagt, dass Superintendent Parisius diese Inschriften 1802 abgeschrieben hat, bevor die Glocke 1822 zerschmolz. Hätte er das nicht getan, wüssten wir heute nichts von den Inschriften und infolgedessen auch nichts von der Geschichte der Glocke seit 1585.

Herr Pastor Kalmbach hat inzwischen auf meine Bitte die wichtigsten Publikationen zur Geschichte der Kirche auf die Homepage der St.-Marien-Gemeinde Winsen a. d. Luhe gestellt https://www.st-marien-winsen.de/geschichtliches, die älteren und teilweise auch die neueren allerdings nur mit dem Titel. Die neueren Schriften sind im Bücherladen des Heimat- und Museumvereins Winsen erhältlich: http://www.hum-winsen.de/123456948a08fae01/123456948a0949d1c/index.html. Wer zur Geschichte der Stadt arbeitet, sollte sie sich anschaffen. Bestellungen per E-Mail oder telefonisch.

Guinsensis --2003:D1:6741:C78:E5FC:82F1:11FA:A46F 21:09, 6. Sep. 2020 (CEST)--2003:D1:6741:C78:7494:93A6:546F:278D 09:46, 6. Sep. 2020 (CEST)

Kirche und Franziskanerkloster

Die Darstellungen in den von Ihnen zitierten Werken "750 Jahre St. Marien" und der 3. Aufl. der Stadtgeschichte von Günther Hagen zu diesem Thema sind leider größtenteils falsch. Die Irrtümer treten zwar auch schon in früherer Literatur auf, sie wurden aber von Hagen kritiklos übernommen, ohne sich die Primärquellen anzusehen. Er erwähnt ein einziges Mal die Stiftungsurkunde von 1477 in der Stadtgeschichte (3. Aufl. S. 41 Anm. 41) und behauptet dort, die Urkunde befinde "sich heute im Staatsarchiv in Hannover". Dort liegt sie aber nicht. Die komplizierte Überlieferungsgeschichte dieser Urkunde habe ich im Quellenbuch dargestellt. Der dort publizierte Text war bis dahin (Erstveröffentlichung 2013) allenfalls in ordensgeschichtlich interessierten Kreisen bekannt, in Winsen aber vollkommen unbekannt, und ist deshalb auch nie zu den einschlägigen Arbeiten herangezogen worden - mit dem bekannten Ergebnis, dass immer nur (recht unwahrscheinliche, teils auch vollkommen abwegige) Vermutungen als bewiesene Tatsachen publiziert wurden. Auch Hagen und seine Koautoren können die Urkunde nicht gekannt haben, sonst hätten sie ja nicht so etwas geschrieben. Wie er trotzdem sagen konnte, die Urkunde liege in Hannover, ist mir nicht einsichtig. Auch die Autoren des 18. und 19 Jhs. haben die Urkunde sicher nicht gekannt, das ist ganz offensichtlich. Das ist auch der Grund, weshalb man praktisch alle Literatur zu diesem Thema bis 2013 zur Seite legen und neu beginnen muss, wie ich es auch seitdem getan habe. Man könnte eine lange Liste von Arbeiten erstellen, die in diesem Punkt nur Spekulationen verbreitet haben und am wahren Sachverhalt aus Unkenntnis nicht nur dieser Quelle vorbeigehen. Das könnte man tun, besser ist, man erspart es sich, denn es bringt nichts ein.

Guinsensis --2003:D1:6741:C01:D02A:BA5D:4FF4:28F9 16:26, 8. Sep. 2020 (CEST)