Diskussion:Unterklasse (Soziologie)
Dieser Artikel handel von einem soziologischen Konzept.
Konzepte können in anderen Sprachen oder anders belegt sein.
"angelsächsischen Klassenbegriff" ist in diesen Sinne nicht besonders genau, da es sich nur indirekt auf eine die englische Sprache bezieht. Überdies ist auch keine Bezugsherstellung auf Soziologien in anderen Laendern gegeben mit diesen Begriff.
- Es wundert mich, dass hier steht die Entwicklung der Kultur der Armut sei an Lohnarbeit geknüpft. Lewis beschreibt doch auch Bauern und Selbstständige (wie zum Beispiel die Familie Gutiérrez) in der Kultur der Armut. Wo ist die Quelle dafür?-- Ypmits 20:58, 13. Mai 2009 (CEST)
Murray und die Begriffsgeschichte
Ich möchte das jetzt nicht einfügen, weil es sich dann um Original Research handeln würde.
Aber überprüft doch bitte die Aussage, Murray habe das mit dem under-class-Begriff einhergehende Modell "cultur of poverty" auf den Kopf gestellt. Tatsächlich geht die Literatur davon aus, dass nicht der Soziologe Gunnar Myrdal als erster den Begriff "under-class" in die Diskussion einbrachte, sondern dass der Begriff im 19. Jahrhundert von Kriminalanthropologen benutzt wurde. Soweit ist das keine Theoriefindung, sondern dokumentiert.
Irrtümlicherweise ging man bislang davon aus, dass Lombroso den Begriff underclass bzw. das italienische Äquivalent benutzte. Tatsächlich bezog sich allerdings die Soziologin Frances Kellor nicht auf Lombroso, sondern auf einen Arzt, der in der berüchtigten Elmira-Besserungsanstalt auf der Grundlage von Lombroso arbeitete. Ursprung des Begriffs underclass
-- S.F. talk discr 11:51, 7. Jun. 2013 (CEST)
Marx hat den Begriff "Unterklasse" nicht benutzt
Sorry, hab den falschen Knopf gedrückt. Ich wollte die Ergänzung (siehe Überschrift) zwar revertieren - aber nicht kommentarlos. Ich finde den Satz unvermittelt, er ist nicht notwendig. Wirkt rangeklatscht. --Jürgen Oetting (Diskussion) 21:21, 7. Jun. 2013 (CEST)
- Es war eine wichtige Information, da ja der Marxismus mit dem Begriff Unterklasse nicht viel zu tun, aber diese Passage unvermittelt auftaucht. Wie soll es in der Weise formuliert werden, dass nicht suggeriert wird, Unterklasse wäre ein marxistischer Begriff? -- S.F. talk discr 22:12, 7. Jun. 2013 (CEST)
- Ich habe bis zur Klärung erst einmal die ganze Passage rausgenommen. -- S.F. talk discr 22:13, 7. Jun. 2013 (CEST)
- Den Satz, den ich entfernte, hielt ich für überflüssig. Es hieß da doch: Im Gegensatz zum englischen Begriff class versteht man in der deutschen Soziologie unter "Klassen" soziale Gruppierungen, die in Beziehung zueinander stehen. Dieses Verständnis geht auf die Marxsche Klassentheorie zurück und nicht den Begriff der sozialen Schicht bzw. des sozialen Milieus. Marx hat den Begriff "Unterklasse" nicht benutzt. Das Klassen-Verständnis der deutschen Soziologie geht danach auf die marxsche Klassentheorie zurück. Aus, mehr steht da nicht. Von Unterschicht ist in dieser Passage überhaupt nicht die Rede. Da wird nichts suggeriert. Wenn du aber menst, die Sache sei nur suggestionsfern, wenn der Zusatz drin steht, dann wieder rein damit, weißt doch, Schwarze Feder, dass ich kein Edit-Krieger bin. --Jürgen Oetting (Diskussion) 19:18, 8. Jun. 2013 (CEST)
- Okay. Der Text war meines Erachtens eh durcheinander. Ich habe ihn in die richtige Reihenfolge gebracht und Zwischenüberschriften eingefügt. Schau mal, ob er jetzt besser lesbar ist. -- S.F. talk discr 22:26, 8. Jun. 2013 (CEST)
- Besser so, einverstanden! --Jürgen Oetting (Diskussion) 09:52, 9. Jun. 2013 (CEST)
- Okay. Der Text war meines Erachtens eh durcheinander. Ich habe ihn in die richtige Reihenfolge gebracht und Zwischenüberschriften eingefügt. Schau mal, ob er jetzt besser lesbar ist. -- S.F. talk discr 22:26, 8. Jun. 2013 (CEST)
- Den Satz, den ich entfernte, hielt ich für überflüssig. Es hieß da doch: Im Gegensatz zum englischen Begriff class versteht man in der deutschen Soziologie unter "Klassen" soziale Gruppierungen, die in Beziehung zueinander stehen. Dieses Verständnis geht auf die Marxsche Klassentheorie zurück und nicht den Begriff der sozialen Schicht bzw. des sozialen Milieus. Marx hat den Begriff "Unterklasse" nicht benutzt. Das Klassen-Verständnis der deutschen Soziologie geht danach auf die marxsche Klassentheorie zurück. Aus, mehr steht da nicht. Von Unterschicht ist in dieser Passage überhaupt nicht die Rede. Da wird nichts suggeriert. Wenn du aber menst, die Sache sei nur suggestionsfern, wenn der Zusatz drin steht, dann wieder rein damit, weißt doch, Schwarze Feder, dass ich kein Edit-Krieger bin. --Jürgen Oetting (Diskussion) 19:18, 8. Jun. 2013 (CEST)
Unzulässige Ableitungen
Das Hauptkapitel Die Entwicklung des Begriffs mit seinen Unterabschnitten wirft Fragen auf. Völlig unvermittelt steht unter Kultur der Armut, Gunnar Myrdal habe den Begriff 1963 mit einer anderen Bedeutung in die soziologische Diskussion eingeführt. Das ist richtig, der Begriff taucht bei Myrdal in einer Fußnote des Buches Challenge to Affluence (Random House, 1963) auf. Im Artikel fehlen Quelle und Inhalt, was ist denn die andere Bedeutung? Und was hat das dann unter der Überschrift Kultur der Armut zu suchen? Zum theoretischen Konzept Kultur der Armut von Oscar Lewis gibt es dann im Artikel mehr. Es ist aber nicht belegt, dass darin der Begriff Unterklasse vorkommt. Kann wohl auch nicht belegt werden, denn der Lewis-Ansatz ist älter als die erste Begriffsverwendung durch Myrdal. Es wird auch nicht belegt, dass das Lemma bereits bei Cesare Lombroso (behauptet unter Unterklasse als "Defektive Klasse") vorkommt. Ich bezweifle es. Es gibt ähnliche Ettikettierungen aber keine begriffsgenauen. Das müsste benannt und belegt werden. Es müsste nachgewiesen werden, dass in der wissenschaftlichen Literatur ähnliche Etikettierungen als Vorformen des Begriffes Unterklasse bezeichnet werden. Derzeit enthält der Artikel mehrere unbelegte Ableitungen, das ist Theoriefindung. --Jürgen Oetting (Diskussion) 11:13, 18. Okt. 2014 (CEST)
- Ich finde das auch recht verwirrend. Auf Andreas Kempers Blog gibt es eine Art Genealogie der Urgeschichte des Wortes underclass (bzw. under class), mit Belegen. Mir scheint aber, es handelt sich hier eher um eine situative Wortbildung, die es sozusagen nicht zum Begriff geschafft hat.
- Myrdals Verwendung hingegen wird in der Literatur aufgegriffen (bei Kronauer etwa). Hier handelt es sich um etwas völlig anderes, was durchaus an die heutige Debatte um "Exklusion" und "Unterklasse" anschlussfähig ist, nämlich die empirische Beobachtung, dass Aufstiegswege für Migranten in den USA in den 60ern zunehmend ungangbar wurden, so dass eine "underclass" von Ausgeschlossenen entstand.
- Mir scheint, es gibt beim Begriff der "underclass" zwei Entwicklungslinien: Die eine beschreibt Ausgrenzungstendenzen, die zur Formierung einer gesellschaftlichen Gruppe 'unterhalb' der Arbeiterschaft führen. Diese Gruppe wird sozusagen nicht durch Lohnarbeit ausgebeutet, sondern dadurch, dass ihr reguläre Lohnarbeit gerade verweigert bleibt. Die andere hat gerade nicht Exklusion zum Thema, sondern sucht die Beschreibung und Erklärung einer "underclass" in gewisser Weise auf deren (anthropologische bzw. gelernte) Eigenschaften selbst bzw. auf Fehlentwicklungen des Wohlfahrtsstaats zurückzuführen.--Mautpreller (Diskussion) 10:47, 20. Okt. 2014 (CEST)
- Martin Kronauers m.E. sehr übersichtlich aufgebauter Aufsatz hilft hier vielleicht weiter. Ihm zufolge sind Oscar Lewis' Überlegungen nicht eigentlich Teil der Entwicklung des Unterklasse-Begriffs, sondern Bezugspunkt von neueren Diskussionen um den Begriff. Das heißt, man könnte ihn angemessener an der Stelle einführen, wo diese Diskussionen beschrieben werden.--Mautpreller (Diskussion) 11:13, 20. Okt. 2014 (CEST)
- Nach BK: Zur Nachvollziehbarkeit der Diskussion hier der Text von Andreas Kemper. Im Artikel finde ich (unter anderem) den unvermittelten Sprung zur Kultur der Armut diskussionswürdig. Weiter oben hier in der Diskussion schreibt Schwarze Feder (alias Andreas Kemper, das ist ja in diesem Zusammenhang kein Geheimnis und wird auch von ihm selbst offen gelegt), vom mit dem under-class-Begriff einhergehende Modell "cultur of poverty". Ich habe den Begriff bei Kultur der Armut nicht gesehen, lasse mich aber eines Besseren belehren. Bis dahin halte ich es für eine Ableitung, also eine Interpretation, die unbelegt im Artikel nichts zu suchen hat. --Jürgen Oetting (Diskussion) 11:18, 20. Okt. 2014 (CEST)
- Den Bezug der underclass-Diskussion auf Lewis kann man bei Kronauer nachlesen (S. 62), aber von einer Verwendung des Begriffs bei Lewis spricht Kronauer nicht. Es geht eher darum: Hat die "underclass" eine eigenständige Kultur, wie sie Lewis als "Kultur der Armut" beschrieben hat, oder orientiert sie sich eher an der Mainstream-Kultur, dies teilweise in defizienter Form? Und wenn man von eigenständiger Kultur spricht: Soll man die als Merkmal der Menschen betrachten, die sie praktizieren, oder als Resultat der Ausgrenzung?--Mautpreller (Diskussion) 11:26, 20. Okt. 2014 (CEST)
- Wenn man will - aber nur wenn man will (darum nenne ich es ja Ableitung), kann man einen Bezug zu Lewis herauslesen, bei Kronauer heißt es auf S. 62: In der internationalen Literatur wird über die Formen und Folgen kultureller Ausgrenzung durch Arbeitslosigkeit und Armut seit Jahrzehnten heftig und kontrovers diskutiert. Bezugspunkt ist häufig das anthropologische Konzept der "Kultur der Armut" von Lewis aus den späten 50er und frühen 60er Jahren. Lewis beschreibt den Lebensstil einer Gruppe, die andere, nicht er, als underclass bezeichnen. Da deutet sich schon ein weiteres Problem an: Eine Unterklassen-Diskussion gibt es in der deutschen Soziologie nicht, nur kritische Darstellungen des Konzepts underclass in den USA. Das Lemma täuscht. Berücksichtigen sollte man den Artikel zur Neuen Unterschicht, dort wird sich zum Teil auf dieselben amerikanischen Autoren bezogen. Kann man die Artikel eventuell zusammenführen und sich damit vom Klassismus-Konzept (kaum etabliert) lösen? --Jürgen Oetting (Diskussion) 17:54, 20. Okt. 2014 (CEST)
- Also was im Artikel Neue Unterschicht beschrieben wird, ist schlicht dasselbe Phänomen wie unter Unterklasse, nur unter anderem Namen. Das ist natürlich nicht besonders sinnvoll. Ich hänge ein wenig an dem Klassenbegriff, der eine andere Tradition hat als der stark statistsich geprägte Schichtbegriff, aber das soll kein Hinderungsgrund sein, es handelt sich halt um zwei Begriffe, die mit leicht unterschiedlicher Aktentuierung dasselbe Phänomen beschreiben (teilweise ist dies auch einfach nur den Zufällen der Übersetzung geschuldet). Mit Klassismus hat das freilich m.E. wenig zu tun, sondern mit Klasse im Sinn von Marx bzw. Weber.
- Du hats auch darin m.E. recht, dass Lewis nicht selbst eine "Unterklasse" beschreibt, sondern eben eine "Kultur der Armut" - aber dieses Konzept bildet eben einen Bezugspunkt in der underclass-Definition, sozusagen "nachträglich" (weswegen ich es im Artikel auch lieber nachträglich hätte).
- Gibt es eine Unterklassen-Diskussion in der deutschen Soziologie nicht? Ich weiß nicht recht. Die Diskussionen um das Prekariat gehören eigentlich hierhin, wobei man sich fragen muss, wie man das am besten lemmatisiert bzw. auf die Lemmata verteilt. Martin Kronauers Interesse am Begriff, das weiß ich zufällig, stammt aus seiner Arbeitslosenforschung. Mit Berthold Vogel zusammen hat er in einer Arbeit in den frühen Neunzigern empirisch eine Typologie von Arbeitslosen aufgestellt. Während fast alle Typen, auch die verzweifeltsten, im Wesentlichen die dominierenden kulturellen Normen teilten, waren diejenigen, die nicht mehr hofften, in die Arbeitsgesellschaft zurückzukehren, in mancher Hinsicht ein Sonderfall. Dazu ist sicher noch mehr geschrieben worden. Das ist ansatzweise das, was hier als "Unterklasse" gefasst wird, aber es wird nicht unter diesem Begriff diskutiert (wie beim Prekariat).
- Anthony Giddens hat übrigens den Begriff der Unterklasse, ich glaube 1973, in einem sehr einflussreichen und auch im deutschen Sprachraum stark rezipierten Buch verwendet (wurde bei uns im Studium gelesen): The Class Structure of Advanced Societies. Da meint er aber nicht "Neue Unterschicht" und der Klassenbegriff bezieht sich sehr explizit auf Marx und Weber. Das kompliziert die Sache vielleicht noch einmal.--Mautpreller (Diskussion) 19:42, 20. Okt. 2014 (CEST)
- Puh, ja, das mit Giddens kompliziert die Sache, kommt aber bislang in den genannten Artikeln nicht vor. Mit Klassismus hat das Ganze insofern zu tun, als durch Übersetzungen Begriffe in die deutschsprachige Wikipedia schwappen, die so eigentlich nicht in der Diskussion vorkommen oder nur am Rande. Und mit Klassismus hat es auch deshalb zu tun, weil sich mit dem Konzept die Neigung zur Einordnung in gesellschaftliche Klassen zeigt. Ich hänge im Gegensatz zu dir, Mautpreller, hier überhaupt nicht am Klassenbegriff, weil der eher das Thema verfehlt. Unterklassen gibt es weder bei Marx noch Weber. Und ich bin mir auch gar nicht sicher, ob das amerikanische "class" einfach mit "Klasse" übersetzt werden kann. Kommt mir manchmal vor, wie Marxismus für Doofe. Das gesellschaftliche Phänomen wird in der deutschsprachigen Diskussion unter Unterschicht (gib das mal in die Suchmaske ein, dann wird es komisch) abgehandelt. Im Artikel Soziale Schicht fehlt jeder Hinweis. Und der Artikel Neue Unterschicht ist im Soziologie-Kapitel nahezu identisch mit dem hier. Eine Zusammenführung der Artikel wäre erhellend. Denn natürlich gibt es eine "Unterklassen-Diskussion" in der deutschen Soziologie, nur, darum schreibe ich das ja hier, sie wird nicht so genannt, weil der Begriff Unterklasse nicht etabliert und auch nicht systematisch aus den Klassentheorien ableitbar ist. Außer wohl von Giddens, müsste ich nachlesen. --Jürgen Oetting (Diskussion) 20:39, 20. Okt. 2014 (CEST)
- Ich muss den Giddens mal wieder rausbuddeln aus meinem Bücherberg. Grob gesagt erinnere ich mich etwa so daran: Giddens befasst sich ziemlich lange mit den klassischen "deutschen" Klassenbegriffen von Marx und Weber (wobei ihm die Weberianische "Soziale Klasse" erkennbar sympathischer ist) und mit den Begriffen der Klassengesellschaft und der klassenlosen Gesellschaft. Dann geht er zu einer eigenen Beschreibung der "class structure" fortgeschrittener Gesellschaften über, interessanterweise parallel auf "westliche" und "östliche" (planwirtschaftliche) Industriegesellschaften angewandt. Er kommt für den Westen grob zu einer Dreiteilung, neben der Oberklasse und der Arbeiterklasse eine Mittelklasse, die sich aus dem zusammensetzt, was man früher den "alten" und den "neuen Mittelstand" nannte. Und dann kommt er zu zusätzlichen Klassenstrukturierungen, sozusagen an den Rändern. Dazu zählt er Ansätze einer Unterklasse, die oft ethnisch "markiert" ist, gelegentlich auch durch andere askriptive Merkmale (Migranten etc., möglicherweise oder vielmehr wahrscheinlich hat er da auch Myrdal rezipiert). Er steht aber irgendwo hier rum.
- Aber Du hast auf jeden Fall insofern recht: Das, was Murray, Wilson etc. beschreiben, ist die "neue Unterschicht", es ist Unsinn, dieses Phänomen und die zugehörigen Begriffe in zwei Artikeln parallel zu behandeln. Bloß noch eins: dass die Amerikaner mit "class" nicht unbedingt das meinen, was ein Marx- und Weber-geschulter deutscher Soziologe mit "Klasse" meint, glaube ich auch. Bei den Briten aber, mit ihrer langen Tradition von "class culture", dürfte das anders sein. Wenn Morris fragt: Is there a British underclass?, dann meint er keinen Schichtungsbegriff, und bei Giddens umfangreicher Marx- und Weberrezeption kann man auch davon ausgehen, dass er den Begriff mitsamt seinen Implikationen sehr bewusst verwendet.--Mautpreller (Diskussion) 21:32, 20. Okt. 2014 (CEST)
- Ich kann meinen deutschen Giddens grad nicht finden (mit meinen Anmerkungen vom Klassentheorie-Seminar von ca. 1986), aber hier findet man einen, der Giddens damalige Überlegungen Revue passieren lässt.--Mautpreller (Diskussion) 21:56, 20. Okt. 2014 (CEST)
- In der deutschsprachigen Literatur, die ich gestern gesichtet habe, nicht systematisch, nur das, was ich hier hatte, werden Unterklasse (underclass) und Unterschicht abwechselnd, manchmal in einem Absatz (zum Beispiel bei Wehler), mit gleicher Bedeutung belegt. Kritisch hingewiesen wird darauf, dass beide Begriffe nicht aus der ökonomischen Positionierung gewonnen werden sondern kulturalistisch, womit wir wieder bei der Kultur der Armut wären. Und nun noch etwas mehr Verwirrung: Wohin mit lower class? Das Lexikon zur Soziologie (Fuchs-Heinritz etc., 5. Auflage) behauptet eine Identität mit Unterschicht.--Jürgen Oetting (Diskussion) 07:07, 21. Okt. 2014 (CEST)
- Oh je, ich seh schon, man muss einiges lesen und Hirnschmalz investieren, wenn man dieses Artikelfeld angehen will. Giddens allerdings benutzt beides, die Stellung in der Arbeitsteilung und in der Hierarchie, die inter- und intragenerationale Mobilität sowie etwas, was er "distributiv" nennt, also etwa Konzentration in bestimmten Wohnvierteln (das ist am ehesten "kulturalistisch"). Allerdings scheint mir der Klassenbegriff ohnehin nur dann sinnvoll zu sein, wenn er auch auf "Kultur" hinauswill, denn eine bloße abstrakte Klassifizierung nach Stellung in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung müsste erst noch "beweisen", dass dadurch auch eine soziale Gliederung entsteht. Das Spezifikum des Klassenbegriffs ist es m.E. gerade, dass er mit einem Bein in der Analyse der ökonomischen Struktur der Gesellschaft und mit dem anderen in den kohäsionsbildenden Kräften von Erfahrung und damit "Kultur" steht. Es ist diese Spannung, die m.E. den Klassenbegriff rechtfertigen könnte, wobei bei "underclass" hinzukommt, dass diese "Klasse" ökonomisch gerade auf dem Ausschluss aus der regulierten "normalen" Mehrwertproduktion basiert (also, wie Kronauer sagt, eher auf der Entgegensetzung von Zentrum und Peripherie als auf der von Lohnarbeit und Kapital). Eine Möglichkeit wäre es vielleicht, das Lemma Unterklasse (Soziologie) solchen Versuchen vorzubehalten, tatsächlich bewusst den Klassenbegriff in Anschlag zu bringen, und Neue Unterschicht für die historisch und soziologisch konkrete Gruppierung der Ausgeschlossenen (in D: "Hartzer" etc.) zu benutzen. Aber dazu müsste ich mich auch erstmal schlau machen.--Mautpreller (Diskussion) 09:37, 21. Okt. 2014 (CEST)
- Das wäre dann aber eine Konstruktion von uns, die der herrschenden Begriffsverwirrung nicht gerecht wird. Die wird durch folgenden Titel illustriert: Klassengesellschaft reloaded. Zur Politik der "neuen Unterschicht" (Widersprüche, Heft 98, Dezember 2005). Ansätze, die bewusst den Klassenbegriff in Anschlag bringen, passen nach meiner Meinung als Kapitel in den Artikel Soziale Klasse, da kommt Unterklasse derzeit nicht vor. Das wäre der Platz für den Giddens-Ansatz. Das andere gehört zusammen. Ich würde es im Artikel Neue Unterschicht konzentrieren, natürlich unter Berücksichtigung der underclass-Konzepte, und von hier eine Weiterleitung dahin legen.--Jürgen Oetting (Diskussion) 12:35, 21. Okt. 2014 (CEST)
- Hm. Probiers halt mal aus. Ich bin nicht voll überzeugt, kann aber deine Argumente nicht von der Hand weisen. Es ist eben auch schwierig, die Begriffsverwendung für das konkret-historische Phänomen "Neue Unterschicht" und für ein "Klassensegment" im Kapitalismus allgemein sauber zu sortieren, auch und gerade deshalb, weil die Begriffe real durcheinandergehen. Es sollte aber doch deutlich werden, dass beides miteinander zu tun hat.--Mautpreller (Diskussion) 15:55, 23. Okt. 2014 (CEST)
- Das wäre dann aber eine Konstruktion von uns, die der herrschenden Begriffsverwirrung nicht gerecht wird. Die wird durch folgenden Titel illustriert: Klassengesellschaft reloaded. Zur Politik der "neuen Unterschicht" (Widersprüche, Heft 98, Dezember 2005). Ansätze, die bewusst den Klassenbegriff in Anschlag bringen, passen nach meiner Meinung als Kapitel in den Artikel Soziale Klasse, da kommt Unterklasse derzeit nicht vor. Das wäre der Platz für den Giddens-Ansatz. Das andere gehört zusammen. Ich würde es im Artikel Neue Unterschicht konzentrieren, natürlich unter Berücksichtigung der underclass-Konzepte, und von hier eine Weiterleitung dahin legen.--Jürgen Oetting (Diskussion) 12:35, 21. Okt. 2014 (CEST)
- Oh je, ich seh schon, man muss einiges lesen und Hirnschmalz investieren, wenn man dieses Artikelfeld angehen will. Giddens allerdings benutzt beides, die Stellung in der Arbeitsteilung und in der Hierarchie, die inter- und intragenerationale Mobilität sowie etwas, was er "distributiv" nennt, also etwa Konzentration in bestimmten Wohnvierteln (das ist am ehesten "kulturalistisch"). Allerdings scheint mir der Klassenbegriff ohnehin nur dann sinnvoll zu sein, wenn er auch auf "Kultur" hinauswill, denn eine bloße abstrakte Klassifizierung nach Stellung in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung müsste erst noch "beweisen", dass dadurch auch eine soziale Gliederung entsteht. Das Spezifikum des Klassenbegriffs ist es m.E. gerade, dass er mit einem Bein in der Analyse der ökonomischen Struktur der Gesellschaft und mit dem anderen in den kohäsionsbildenden Kräften von Erfahrung und damit "Kultur" steht. Es ist diese Spannung, die m.E. den Klassenbegriff rechtfertigen könnte, wobei bei "underclass" hinzukommt, dass diese "Klasse" ökonomisch gerade auf dem Ausschluss aus der regulierten "normalen" Mehrwertproduktion basiert (also, wie Kronauer sagt, eher auf der Entgegensetzung von Zentrum und Peripherie als auf der von Lohnarbeit und Kapital). Eine Möglichkeit wäre es vielleicht, das Lemma Unterklasse (Soziologie) solchen Versuchen vorzubehalten, tatsächlich bewusst den Klassenbegriff in Anschlag zu bringen, und Neue Unterschicht für die historisch und soziologisch konkrete Gruppierung der Ausgeschlossenen (in D: "Hartzer" etc.) zu benutzen. Aber dazu müsste ich mich auch erstmal schlau machen.--Mautpreller (Diskussion) 09:37, 21. Okt. 2014 (CEST)
- In der deutschsprachigen Literatur, die ich gestern gesichtet habe, nicht systematisch, nur das, was ich hier hatte, werden Unterklasse (underclass) und Unterschicht abwechselnd, manchmal in einem Absatz (zum Beispiel bei Wehler), mit gleicher Bedeutung belegt. Kritisch hingewiesen wird darauf, dass beide Begriffe nicht aus der ökonomischen Positionierung gewonnen werden sondern kulturalistisch, womit wir wieder bei der Kultur der Armut wären. Und nun noch etwas mehr Verwirrung: Wohin mit lower class? Das Lexikon zur Soziologie (Fuchs-Heinritz etc., 5. Auflage) behauptet eine Identität mit Unterschicht.--Jürgen Oetting (Diskussion) 07:07, 21. Okt. 2014 (CEST)
- Puh, ja, das mit Giddens kompliziert die Sache, kommt aber bislang in den genannten Artikeln nicht vor. Mit Klassismus hat das Ganze insofern zu tun, als durch Übersetzungen Begriffe in die deutschsprachige Wikipedia schwappen, die so eigentlich nicht in der Diskussion vorkommen oder nur am Rande. Und mit Klassismus hat es auch deshalb zu tun, weil sich mit dem Konzept die Neigung zur Einordnung in gesellschaftliche Klassen zeigt. Ich hänge im Gegensatz zu dir, Mautpreller, hier überhaupt nicht am Klassenbegriff, weil der eher das Thema verfehlt. Unterklassen gibt es weder bei Marx noch Weber. Und ich bin mir auch gar nicht sicher, ob das amerikanische "class" einfach mit "Klasse" übersetzt werden kann. Kommt mir manchmal vor, wie Marxismus für Doofe. Das gesellschaftliche Phänomen wird in der deutschsprachigen Diskussion unter Unterschicht (gib das mal in die Suchmaske ein, dann wird es komisch) abgehandelt. Im Artikel Soziale Schicht fehlt jeder Hinweis. Und der Artikel Neue Unterschicht ist im Soziologie-Kapitel nahezu identisch mit dem hier. Eine Zusammenführung der Artikel wäre erhellend. Denn natürlich gibt es eine "Unterklassen-Diskussion" in der deutschen Soziologie, nur, darum schreibe ich das ja hier, sie wird nicht so genannt, weil der Begriff Unterklasse nicht etabliert und auch nicht systematisch aus den Klassentheorien ableitbar ist. Außer wohl von Giddens, müsste ich nachlesen. --Jürgen Oetting (Diskussion) 20:39, 20. Okt. 2014 (CEST)
- Wenn man will - aber nur wenn man will (darum nenne ich es ja Ableitung), kann man einen Bezug zu Lewis herauslesen, bei Kronauer heißt es auf S. 62: In der internationalen Literatur wird über die Formen und Folgen kultureller Ausgrenzung durch Arbeitslosigkeit und Armut seit Jahrzehnten heftig und kontrovers diskutiert. Bezugspunkt ist häufig das anthropologische Konzept der "Kultur der Armut" von Lewis aus den späten 50er und frühen 60er Jahren. Lewis beschreibt den Lebensstil einer Gruppe, die andere, nicht er, als underclass bezeichnen. Da deutet sich schon ein weiteres Problem an: Eine Unterklassen-Diskussion gibt es in der deutschen Soziologie nicht, nur kritische Darstellungen des Konzepts underclass in den USA. Das Lemma täuscht. Berücksichtigen sollte man den Artikel zur Neuen Unterschicht, dort wird sich zum Teil auf dieselben amerikanischen Autoren bezogen. Kann man die Artikel eventuell zusammenführen und sich damit vom Klassismus-Konzept (kaum etabliert) lösen? --Jürgen Oetting (Diskussion) 17:54, 20. Okt. 2014 (CEST)
- Den Bezug der underclass-Diskussion auf Lewis kann man bei Kronauer nachlesen (S. 62), aber von einer Verwendung des Begriffs bei Lewis spricht Kronauer nicht. Es geht eher darum: Hat die "underclass" eine eigenständige Kultur, wie sie Lewis als "Kultur der Armut" beschrieben hat, oder orientiert sie sich eher an der Mainstream-Kultur, dies teilweise in defizienter Form? Und wenn man von eigenständiger Kultur spricht: Soll man die als Merkmal der Menschen betrachten, die sie praktizieren, oder als Resultat der Ausgrenzung?--Mautpreller (Diskussion) 11:26, 20. Okt. 2014 (CEST)