Diskussion:Venantius Fortunatus

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Venantius und Bayern

Der Beitrag des Venantius Fortunatus zum Werden "Bayerns" und der "Bayern" kann aus einsichtigen Gründen im Artikel leider nicht gewürdigt werden, doch die Erwähnung jener "baiovaria", welche vom Lech durchflossen werde, durch V. F., sowie seine Bemerkung über den "baiovarius", der südlich von St. Afra bei Augsburg dem Reisenden gegebenenfalls in den Weg treten könne, bilden zugleich die erste gesicherte Quelle zur schriftlichen Benennung Bayerns und der Bayern. --Lai 07:58, 4. Mär 2006 (CET)

Zeitlich wohl noch einige Jahre aelter, und nicht minder gesichert, ist der Beleg in der Geschichte der Goten von Jordanes, cap. 55, [1]. --Otfried Lieberknecht 09:51, 4. Mär 2006 (CET)
Hallo- schön sie hier zu treffen. Was hat sich an der Einschätzung des W. Martens zur Authentizität des überlieferten Jordanis-Textes inzwischen verändert?. Zum anderen - ist Ihnen noch nie der Widerspruch der geografischen Lokalisation der Swavis - als Nachbarn der Baioras - zu allen anderen Angaben, welche bei Jordanis sonst noch mehrmals über diese Schwaben gemacht werden, aufgefallen? Außer diesem einen Satz, welcher die Bayern beinhaltet, ist die Heimat der Jordanischen Schwaben stets deckungsgleich mit den Angaben, welche auch Procop (Gotenkrieg, I, 16) über diese macht! Nicht Jordanis selbst, sondern lediglich einige Passagen seines überlieferten Textes zweifle auch ich an. Grüsse, kh --Stolli 11:37, 4. Mär 2006 (CET)
sorry, mußte erst nachlesen: "Suavien ist nämlich Dalmatien benachbart und auch nicht weit von Pannonien entfernt, besonders von dem Teil, wo damals die Goten wohnten." (Kap. LIII der deutsch. Übersetz. d. Phaidon Verl.) Würde man diese präzise Wohnortsangabe des Jordanis, Suavien betreffend, auf die Baioras übertragen, so wären die ersten Bayern in der Großen Ungarischen Tiefebene zu suchen. --Stolli 12:45, 4. Mär 2006 (CET)
Sie haben recht, dass fuer die Getica des Jordanes keine gute Textgrundlage besteht -- insofern war meine Formulierung "nicht minder sicher" nicht adaequat --, und ich habe auch nicht besonders geprueft, wie die betreffende Stelle in cap. 55 im Hinblick auf moegliche spaetere Zusaetze zu beurteilen sein koennte, andererseits ist ja bei Jordanes generell nicht ausszuschliessen, dass er bereits Cassiodor ausschreibt und die Angabe insofern auch schon bei diesem gefunden haben koennte. Warum Sie cap. 53 heranziehen wollen, ist mir nicht recht klar. Ich bezog mich auf die Aussage in cap. 55, dass die Suaven im Osten die Bayern, im Westen die Franken, im Sueden die Burgunder und im Norden die Thueringer zu Nachbarn haben (ich verwende der Einfachheit halber mal die heutigen Bezeichnungen).
Was Venantius angeht, hatte ich Ihnen die beiden Belege bereits auf meine Diskussionsseite gestellt. Sie werden dort feststellen, dass Venantius zum "Werden" Bayerns nichts beigetragen und Bayern auch nicht, wie Sie anderweitig schreiben, "erfunden" hat, sondern lediglich beilaeufig die Lech in Bayern lokalisiert und die Bayern ausserdem als ein Volk erwaehnt, das den Reiseweg von Augsburg zum Inn unsicher macht.
--Otfried Lieberknecht 20:46, 6. Mär 2006 (CET)

Hallo Otfried Lieberknecht -zuerst danke für ihre ausführliche Antwort - ich fühle mich bestätigt. Weil sie mir a. die Anzweifelbarkeit der Authentizität des Textes bestätigen. Kap. 53 hat für mich deshalb so hohe Bedeutung, weil dort in völligem Widerspruch zu Kap. 55 die Lokalisierung jener "Schwaben" erfolgt, deren "östliche" Nachbarn die Baibaros/Baioras sein sollen. Auf diesem geografischen Widerspruch, welcher auch in Kap.L/50 spürbar ist, gründet meine These, dass die Baioras des Kap 55 so nicht im Originaltext des Jordanis vorhanden gewesen sein können. Bekräftigt wird diese meine Annahme durch Kap 12, in welchen jene Differenzierung zw. Schwaben einerseits und den Alamannen sichtbar wird, welche u.a. auch bei Gregor v. Tours, Procop und anderen stets vorgenommen wird. Auch Jordanis selber macht ja diese Unterscheidung. Also - entweder sind die Schwaben des Kap 55 nicht mit jenen späteren am Bodensee im "Alamannenland" identisch, oder aber die ersten Baioras/Baibaros sind in der Gr. Ungar. Tiefebene zu lokalisieren. Mir als Amateur fehlt jedoch jegliche Möglichkeit darüber einen Disput unter Experten initiieren zu können.

Wenn aber nun meine These bestätigt würde, so wäre die erste schriftliche und gesicherte Benennung der "Baiovaria" wie auch des "Baiovarius" Venantius Fortunatus zuzuschreiben. Sie sehen, ich jage nicht nur Karolingische UFOs. Gruß kh--Stolli 12:35, 7. Mär 2006 (CET)

Lieber Herr Stoll, fuer die Textgeschichte der Getica bin ich nicht kompetent, ich habe dazu nur wolkige Kenntnis vomn Hoerensagen, nehmen Sie meine Bemerkungen also bitte nicht als Bestaetigung oder Entkraeftung von Aussagen aus der Fachliteratur. Generell moechte ich aber davon abraten, textkritische Zweifel in Ihre historische Argumentation einzubeziehen, wenn Sie sich nicht zuvor entsprechend gruendlich in die Forschung zu diesem Thema einarbeiten konnten: nicht nur die direkte Ueberlieferung des Jordanes-Textes waere dafuer zu beruecksichtigen, sondern auch die Frage, wer wann daraus zitiert hat. Textkritik ist ein wenig wie Chirurgie, die lernt man auch nicht an einem Tag: ohne die noetige Vorbereitung sollten wir das Messer also lieber nicht in die Hand nehmen. --Otfried Lieberknecht 16:31, 7. Mär 2006 (CET)
Schade - ich hatte ein bisschen gehofft, sie provozieren zu können(was sie natürlich bemerkt haben). Nun, was sie mir sagen beschreibt ja genau mein Problem und die Lösung liegt ausserhalb meiner Möglichkeiten. Werd ich also weiterhin versuchen mit journalistischen Thesen einen Experten zu provozieren, denn ich denke, dass ich mit meiner Annahme nicht allzuweit daneben liege. (Die Jagd ist allerdings sehr mühsam). Ich danke Ihnen Herr Lieberknecht, für ihre Geduld und ihr Interesse. Herzlich kh--Stolli 17:06, 7. Mär 2006 (CET)

TATSACHE IST: Dass Venantius Fortunatus schon auch deshalb heute Interesse auslöst, weil er zu den ersten schriftlichen Belegen für die Bajuwaren zählt. Das ist nicht so trivial wie hier suggeriert wird und sollte schon erwähnt werden, von mir aus mit einem eigenen Abschnitt "Textkritik". Ausserdem ist seine Reiseroute nicht ganz unwichtig. Wie ist er denn genau von Treviso nach Gallien gereist? Über den Brenner, oder über Kärnten oder über den heutigen Vinschgau?

Ein weiteres Detail ist hochspannend, nämlich dass er schon im Jahr 567 seine Reise gemacht haben soll, noch bevor die Langobarden 568, genau ein Jahr später, über das Forum Julium (Friaul) nach Italien eindringen. Dabei wurde seine venezianische Heimatregion sicher schwer in Mitleidenschaft gezogen, dennoch bleibt dieses Ereignis so weit mir bewusst ist, vollkommen unerwähnt. Die Nachricht darüber müsste ihm doch auch im entfernten Gallien zugetragen worden sein. Das erklärt vielleicht auch das Lokalisationsproblem der Suebi, das dem User Stolli so viel Kopfzerbrechen macht. Es gab eben mehrere Langobardengruppen: Die jenigen die an die obere Donau gezogen sind und so schon einige Jahrzente davor zur Gründergeneration der Bajuwaren wurden, wie archäologische Funde in Straubing und Wagin am See beweisen, sowie denjenigen, die bis 568 in der Wiener Gegend und in Pannonien waren und danach über das heutige Slowenien in Italien einfallen. Wobei diese relativ schnell auch Trient und Südtirol erreichen und über den Brenner Kontakt zu ihren sich nun Bajuwaren nennenden Kollegen aufnehmen, die von der oberen Donau den Inn aufwärts expandieren. Die Familie der Agilolfinger stellt darauf hin sogar sowohl den bajuwarischen Herzog wie auch den langobardischen König, was ein weiteres Indiz (neben der Archäologie) für die enge Verwandtschaft der Bajuwaren mit den Langobarden ist. Also alles hochspannend und kein Blabla. --El bes 16:06, 11. Feb. 2008 (CET)


So, hab jetzt einmal gründlich recherchiert und bin nun um einiges gescheiter geworden und hab einen umfangreichen Artikel über den Venantius Fortunatus auf der bairischen Wikipedia geschrieben (umfangreicher als der hochdeutsche hier). Vielleicht will sich ja jemand von euch den einmal durchlesen und seine Meinung dazu abgeben. Konstruktive Kritik ist immer willkommen. Einfach hier klicken! --El bes 16:23, 12. Feb. 2008 (CET)

Venantius und Holzbaukust im Frankenreich

Den folgenden Abschnitt hatte IP 80.171.159.210 am 30.6.2006 in den Artikel eingefuegt. Da er wenig enzyklopaedisch formuliert ist, ausserdem einen sehr partikularen Aspekt von Venantius' Werk ziemlich unverhaeltnismaessig heraushebt, habe ich ihn auf die Diskussionsseite verschoben. Ist nicht geringschaetzig gemeint, aber wir muessen beim Ausbau der WP-Artikel (und der vorliegende Artikel ist ja sicher ausbaufaehig und ausbaubeduerftig) auch ein wenig darauf achten, dass ein gewisser organischer Zusammenhang gewahrt bleibt. --Otfried Lieberknecht 07:57, 30. Jun 2006 (CEST)

Große Beachtung haben im Fach der Kunstgeschichte des Venantius Beschreibungen der Holzbaukunst in den germanisch besiedelten Teilen des seinerzeitigen Frankenreichs gefunden, insbesondere an Rhein und Mosel. Venantius war um das Jahr 560 an diesen beiden Flüssen entlang gereist und hat seine Eindrücke von der hochstehenden Holzbauweise der dortigen Einheimischen in verschiedene bewundernde Verse gegossen. Der hochgebildete, immerhin mit den Juwelen spätantiker Baukunst in Ravenna und manch anderem Ort, dessen Schätze heute verfallen sind, vertraute Oberitaliener schwingt sich in seiner überraschten, aber (da er das unabhängig von fürstlichem oder geistlichen Auftrag bzw. Interesse schrieb) wohl ernstzunehmenden Würdigung dieser aus dem Blickkreis der „klassischen“ Antike unerwarteten Leistungen an einer Stelle zu folgenden Worten auf:

Cêde parum paries lapidês strûctû metallô
Artificis meritô praeferô ligna tibi
Aethêra môle suâ tabulâta palâtia pulsant
Quô neque rîma patet cônsolidante manû
Quidquid saxa sab›u‹lô calcês argilla tuentur
Singula silva favêns aedificâvit opus
Altiôrî [sic! dat.] innîtitur quadrâtaque porticus ambit
Et sculptûrâtâ lûsit in arte faber

Weich’, du zu Geringes, Mauerwand! … ihr Steine, wie ein aufgehäuftes Bergwerk!
Nach des Künstlers Leistung zieh’ ich dir die Hölzer vor! —
Die Gestirn’, mit ihren Wetterwogen an die mehrstöckig’ Paläste klopfen sie:
Doch auch nicht éine Ritze steht dort offen, dank der dicht zusammenfügend’ Hand [des Zimmermanns]!
Je mehr auch Steinblöcke in grobem Sande, Kalk’ und weißer Ton uns [zukünftig] verteid’gen [mögen] —
Ein einz’ger Forst hat, hingebend, [dies] Werk erbaut:
Ins Höh’re schwingt es sich empor, dieweil [unten] ein vierseitiger Säulengang um es herumläuft,
Und mit dem Bildschnitzen, der Kunst, hat er gescherzt, der Werkmeister!

Übs. nach Ehlers 1996, S. 7 (m. frdl. Genehmigung)

Venantius ist hier also von der seinerzeitigen (heute aufgrund der Vergänglichkeit des Materials leider untergegangenen) Holzarchitektur an Rhein und Mosel derart begeistert, daß er sie (im dichterischen Sinne) rundweg über das Bauen mit Stein, Mörtel und Ziegeln (saxa, sablum, calx, argilla) überhaupt stellen will. Das ihm in den letzten beiden Versen offenkundig vor Augen stehende, namenlos bleibende Bauwerk preist er gleichwohl in Worten, die eine vollkommene Übereinstimmung mit den mindestens sechshundert Jahre jüngeren norwegischen Stabkirchen erlauben. Die These einer engen Ineinssetzung mit solch späteren nordischen Bauzeugnissen ist jedoch wegen der extensiven Diachronizität in der Forschung strittig.

Für die kunsthistorische Forschung sind Venantius Bemerkungen, insbesondere im Kreis seiner Moseldichtungen (vgl. Ausgaben 1894, 1901 u. ff.), neben wenigen anderen die wichtigste Quelle zur Holzbaukunst der Merowingerzeit.

  • Ehlers, Andreas: Die katholische Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Erkrath. Betrachtungen zum Translatio-Gedanken unter dem Aspekt der Materialikonographie in Erkrath. Sonderdruck der Pfarrgemeinde, Erkrath/Mettmann 1996
Sehr schön einen Originaltext vom Venantius Fortunatus hier lesen zu können. Besonders interessant ist auch die Form des Spätlateins in der er schreibt. Die Übersetzung finde ich im Gegenzug komplett schlecht und ein künstlichen Goethe-Deutsch immitierend. Die Zirkumflexe sind wohl auch der Phantasie entsprungen und nicht original. Und die Verbindung auf irgendwelche Norweger, was soll das? Venantius Fortunatus ist ein hochspannendes Fenster in die Zeit der römischen Spätantike und der ehemaligen römischen Provinzen die in seiner Zeit von einer Mischung aus Romanen und verschiedenen Germanen besiedelt wurden und in diesem Kontext muss man ihn lesen. Bitte nicht schon wieder die nicht ganz unverdächtige Skandinawienkarte ziehen! --El bes 21:48, 10. Feb. 2008 (CET)