Dreiphasenbrand

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Blick in einen korinthischen Brennofen auf einem der Pinakes von Penteskouphia (um 575–550 v. Chr.).

Als Dreiphasenbrand, (auch: Dreistufenbrand), wird ein Brennverfahren in der Keramikproduktion des antiken Griechenland bezeichnet. Schon bronzezeitliche Gefäße weisen die für dieses Verfahren typische Dreifarbigkeit (Tongrund gelblich bis orange-rot o. ä., Dekor braun-rot und schwarz) auf. Etwa im 7. Jahrhundert v. Chr. wurde das Verfahren in Griechenland perfektioniert, so dass nun hochglänzende schwarze Oberflächen möglich wurden, und bis um 300 v. Chr. zur Herstellung schwarzfiguriger und rotfiguriger Vasen eingesetzt.

Oxidationsstufen des Eisens

Alle Farbtöne der griechischen Schwarz-rot-Malerei und der Terra Sigillata entstehen durch verschiedenen Eisengehalt des Tons und die verschiedenen Oxidationsstufen des Eisens im gebrannten Ton. Eisen hat die besondere Eigenschaft, dass es verschiedenfarbige Oxide bilden kann, sowohl schwarzes Eisen(II)-oxid (FeO) als auch rotes Eisen(III)-oxid (Fe2O3) sowie tiefschwarzes Magnetit (Eisen(II,III)-oxid Fe3O4). Welche dieser Oxidationsstufen vorliegt, hängt von Sauerstoffgehalt und Temperatur des Reaktionsgemisches ab: ein hoher Anteil an Sauerstoff fördert die Produktion von Fe2O3, bei Sauerstoffmangel entsteht tendenziell eher FeO. Bei extrem niedrigem Sauerstoffanteil entsteht Hammerschlag (Fe3O4).

Die Farbe eisenhaltiger Tone lässt sich im Dreiphasenbrand also über das Steuern der Atmosphäre im Ofen zwischen „reduzierend“ (d. h. sauerstoffarm, kohlenstoffreich) und „oxidierend“ (d. h. sauerstoffreich) beeinflussen.

Partikelgröße des Tons: Kontrolle des Sinterpunkts

Um jedoch mehr als nur eine Farbe pro Gefäß zu erzeugen, ist noch ein weiterer Trick notwendig: man muss verhindern, dass sich das schwarze FeO wieder in mattrotes Fe2O3 umwandelt, der Sauerstoffüberschuss muss also in den später schwarzen Bereichen unterbunden, die Fe-Oxidpartikel müssen „versiegelt“ werden. Eine weitere Eigenschaft der Tone ermöglicht diese Versiegelung: Der Sinterpunkt – also die Temperatur, bei der die einzelnen Tonpartikel beginnen, miteinander zu verschmelzen – hängt von der Zusammensetzung des Tons und seiner Partikelgröße ab.[1] Kleine Tonpartikel und ein hoher Kaliumgehalt senken den Sinterpunkt.[2] Die Herstellung feindisperser Malschlicker konnte durch Aufschlämmen und schichtweises Abschöpfen erfolgen.[3]

Durch Zugabe „peptisierender“ Substanzen (Chemikalien, die die Tonpartikel aufbrechen und deren erneutes Zusammenkleben verhindern, also Suspensionshilfsmittel) kann die Partikelgröße weiter vermindert werden. Dazu eignen sich zum Beispiel Ätznatron (NaOH), Ammoniak (NH3), Pottasche (K2CO3) und Polyphosphate wie Calgon (NaPO3)6: diese lagern sich mit starken Wasserstoffbrücken an die Tonpartikel an und verhindern ähnlich wie Tenside, dass diese sich gegenseitig miteinander verbinden und verkleben. Die Tonpartikel befinden sich damit in kolloidaler Suspension.[4]

Der Brand

Vor dem Brand wurden die Tongefäße dicht im Ofen gestapelt. Da attische Keramik keine komplett schmelzende Glasur erhielt, konnten sich Gefäße im Ofen durchaus berühren. Dabei war es jedoch wichtig, eine gute Luft-/Gas-Zirkulation zu ermöglichen, um Fehlbrände zu vermeiden.[5]

Phase 1: Anheizen (oxidierend)

Abbau des Tons auf einem der Pinakes von Penteskouphia (um 575–550 v. Chr.).

Der typische Brand erfolgte vermutlich bei einer Temperatur von 850 bis 975 Grad Celsius.[6] Bei ständiger Befeuerung des Ofens wurde diese Temperatur nach etwa 8 bis 9 Stunden erreicht. Die im Ofen untergebrachten Gefäße verloren hierbei zunächst die Restfeuchtigkeit des angetrockneten Tons. Bei einer Temperatur von 500 Grad setzte nach 6 bis 7 Stunden der eigentliche Brand der nun glühenden Gefäße ein. Unter ständiger Sauerstoffzufuhr und bei weiter steigender Temperatur oxidiert der stark eisenhaltige Glanzton und nimmt wie der Gefäßton eine rote Farbe an. Das Eisen wird hierbei in tiefrotes Eisen(III)-oxid (Fe2O3) umgewandelt. Diese erste Phase des Dreiphasenbrands dauerte etwa 9 Stunden.

Es ist nicht notwendig, aber sehr wahrscheinlich, dass diese Anheizphase in oxidierender Atmosphäre stattfand: man kann ein sauerstoffreiches Feuer schon allein deshalb annehmen, weil es viel effektiver Wärme erzeugt. Das reduzierende Feuer erlaubt in der Regel keine starke Temperatursteigerung mehr, allerdings wird die Keramik in dieser Atmosphäre schneller bzw. früher 'gar'. Daher hat sich die Reduktionsphase vermutlich auf die vergleichsweise kurze 2. Brennphase beschränkt.

Korinthischer Pinax: Ofen mit Luke und Schauloch (?), lässt sich als Darstellung der reduzierenden Brandphase interpretieren: der CO-Überschuss sorgt für Stichflammen aus Feuerloch und Abzug.

Phase 2: Reduzieren (Versintern des Glanzschlickers)

Ab etwa 900 °C wird die Sauerstoffzufuhr unterbunden, es werden reduzierende Bedingungen geschaffen. Die reduzierenden Bedingungen konnten in der Antike etwa durch Verengen der Abluftöffnungen und Zugabe von reichlich Brennstoff geschehen, der jetzt nur unvollständig zu Kohlenmonoxid (CO statt CO2) verbrannte.[7] Dabei wandelt sich rotes Fe2O3 in tiefschwarzes Fe3O4 um.

3 Fe2O3 ⇌ 2 Fe3O4 + ½ O2

Der Sauerstoff verschwindet hierbei zwischen 850 und 900 °C. Durch den Zerfall des Magnetits bildet sich wiederum reaktives Eisen-(II)-oxid FeO.

Fe3O4 ⇌ 3 FeO + ½ O2

Dieses reagiert mit Zerfallsprodukten des Illit, die ab 750-800 °C aus dem Ton freigesetzt werden, zu Hercynit (Fe⋅Al2O3). Die Menge des Hercynits nimmt dabei bei steigender Temperatur immer weiter zu.

FeO + Al2O3 ⇌ FeO⋅Al2O3

Diese Produkte sind schwarz, weshalb sich auch die Keramik schwarz färbt. Bei vermutlich etwa 945 °C wurde die Temperatur für einige Zeit gehalten, um ein vollständiges Aufschmelzen und Sintern des Malschlickers aus feinen Partikeln sicherzustellen.[8]

Anschließend sank die Temperatur wieder bis unterhalb des Sinterpunkts des Malschlickers, noch immer in reduzierender Atmosphäre.[9] Jetzt ist die Glanztonschicht „versiegelt“, und unterbindet den Sauerstofftransport, so dass die in diesen Schichten eingelagerten Fe3O4-Oxide von nun an ihre schwarze Farbe behalten werden. Im Gegensatz zur langen ersten Phase dauerte die zweite nur etwa 5-10 Minuten.

Phase 3: Re-Oxidation und Abkühlen

In der letzten Phase des Brandes werden die Zuluft-Öffnungen des Ofens wieder geöffnet und unverbranntes grünes Holz aus dem Feuer genommen: es werden erneut oxidierende Bedingungen geschaffen. Durch den erhöhten Sauerstoffanteil kann sich das schwarze Eisenoxid wieder mit genug Sauerstoff verbinden, um wieder zu rotem Eisenoxid zu reagieren. Da der feine Malschlicker in den bemalten Partien während der reduzierenden Phase sinterte, sich verdichtete und dadurch versiegelte, ist der Sauerstoff nicht in der Lage, sich mit dem darin eingeschlossenen schwarzen Eisenoxid zu verbinden und dieses zu rotem Eisenoxid zu reoxidieren, weshalb die bemalten Partien schwarz bleiben[10] Nach der vollständigen Oxidation der roten Bereiche konnten Ofen und Inhalt langsam abgekühlt und danach ausgeräumt werden.

Brennöfen

Voraussetzung für den Dreiphasenbrand war ein regulierbarer Brennofen. Anscheinend wurde die hierfür notwendige Technik im 7. Jahrhundert v. Chr. in Korinth entwickelt. Die nun verwendeten Kuppelöfen mit Abzugsloch ermöglichten erst die Produktion schwarzfiguriger und in ihrer Folge rotfiguriger Keramik.[11]

Die Öfen konnten permanent oder kurzzeitig sein und bestanden aus Feldsteinen und Ziegeln, welche mit Lehm verschmiert wurden. So wurden die Öfen durch den ersten Brand zum dauerhaften Bau. Die Öfen waren rechteckig oder rund, hatten einen Durchmesser von bis zu zwei Metern und besaßen oft eine Kuppel mit Abzugsloch in der Mitte sowie einem Schürhals mit Schürloch auf der einen Seite und einer Einsatzöffnung, um die Keramik in die Kammer zu setzen auf der anderen Seite. Die Öffnung wurde nach dem Einsatz der Gefäße zugemauert. Zudem besaßen die Öfen Feuerungskanäle, Feuerkammern und über der Schürkammer einen zweiten mit Pfeilern abgestützten, durchlochten Boden (Lochtenne) auf dem die zu brennenden Gefäße standen. Geheizt wurde der Ofen mit Reisigbündeln, Holzscheiten und Holzkohle. Abbildung 9: Töpferwerkstatt mit zwei Öfen in Seliunt. Abbildung 10: Querschnitt eines Töpferofens. Die Öfen waren teilweise in die Erde eingelassen, um das Beladen zu erleichtern und die Wärme besser zu halten.

Die Kontrolle der Temperatur konnte entweder optisch durch ein Guckloch oder durch kleinere Probestücke im Ofen erfolgen.[12]

Literatur

  • Marie Farnsworth: Draw Pieces as Aids to Correct Firing. In: American Journal of Archaeology. Band 64, 1960, S. 72–75, Taf. 16.
  • Ulrich Hofmann: The Chemical Basis of Ancient Greek Vase Painting. In: Angewandte Chemie. Nr. 1, 1962, S. 341–350.
  • Joseph Veach Noble: The Technique of Attic Vase-Painting. In: American Journal of Archaeology. Band 64, 1960, S. 307–318.
  • Joseph Veach Noble: The Techniques of Painted Attic Pottery. Überarbeitete Auflage. Thames and Hudson, London 1988, ISBN 0-500-05047-3.
  • Ingeborg Scheibler: Griechische Töpferkunst. Herstellung, Handel und Gebrauch antiker Tongefäße. Zweite, neubearbeitete und erweiterte Auflage. C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39307-1.
  • Theodor Schumann: Oberflächenverzierung in der antiken Töpferkunst. Terra sigillata und griechische Schwarzrotmalerei. In: Berichte der deutschen keramischen Gesellschaft. Band 32, 1942, S. 408–426.
  • Adam Winter: Die Technik des griechischen Töpfers in ihren Grundlagen (= Technische Beiträge zur Archäologie. Band 1). Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz 1959.
  • Adam Winter: Die antike Glanztonkeramik. Praktische Versuche. von Zabern, Mainz 1978, ISBN 3-8053-0333-5.
  • Adam Winter, Roland Hampe: Bei Töpfern und Töpferinnen in Kreta, Messenien und Zypern. Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz 1962.
  • Frank Hildebrandt: Antike Bilderwelten. Was griechische Vasen erzählen. Philipp von Zabern, Darmstadt 2017.
  • Thomas Mannack: Griechische Vasenmalerei – Eine Einführung. Theiss, Darmstadt 2002, ISBN 3-534-15059-7.
  • Ingeborg Scheibler: Griechische Töpferkunst. Neubearbeitete und erweiterte Auflage, C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39307-1.
  • Toby Schreiber: Athenian Vase Construction. A Potter´s Analysis. 2. Druck. The J. Paul Getty Museum Malibu, California 1999.
  • Walter Noll: Alte Keramiken und ihre Pigmente – Studien zu Material und Technologie. E. Schweizerbart´sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermüller), Stuttgart 1991, ISBN 3-510-65145-6.

Anmerkungen

  1. Die Erkenntnis, dass sich Tongrund und Farbe in ihrer chemischen Zusammensetzung kaum oder nicht unterscheiden und sich nur in der Aufbereitung unterscheiden, wurde erstmals veröffentlicht von Schumann (1942). Später aufgegriffen und mit spektrographischen Analysen belegt durch Noble (1960).
  2. Dies und der Hinweis, dass mehr als nur eine Versiegelung nötig ist, also verschiedene Sinterpunkte der verschiedenen Farben zur gleichzeitigen Darstellung von glänzendem Schwarz, purpur-rot und rostrot (intentional red, auch coral red, korallenrot, z. B. zu sehen als flächige Hintergrundfarbe der berühmten Exekias-Schale mit dem segelnden Dionysos, München, Antikensammlungen 2044) stammt von Hofmann (1962).
  3. Ausführlich behandelt bei Winter (1959).
  4. Schumann (1942) verwendete für seine Experimente Ätznatron und Ammoniak, Hofmann (1962) Tannine, Noble (1960/1965) nennt Calgon ((NaPO3)6) und Pottasche. In der Antike ist der Gebrauch von Pottasche anzunehmen, da diese als natürlicher Bestandteil der Holzasche beim Verfeuern von Holz im Töpferofen anfällt.
  5. Gerade aus der Frühzeit sind uns viele unvollständig reduzierte Vasen erhalten, bei denen Teile des Gefäßes noch rot, andere Teile vollständig schwarz sind, obwohl beide mit demselben Malschlicker bemalt wurden. Jedoch erreichte die kohlenstoffreiche Atmosphäre diese Partien nicht oder die Temperatur war in diesen Bereichen des Ofens nicht ausreichend, um die Oberfläche zu versiegeln.
  6. Noble (1960) erhitzte probeweise antike Fragmente, oberhalb von 975 °C kam es zum Aufschmelzen und zur Re-Oxidation der schwarzglänzenden Oberflächen. Experimente mit modernen attischen Tonen zeigten, dass diese durch einen Brand oberhalb von 1005 °C eine sehr helle rötliche Farbe erhielten. Brenntemperaturen unterhalb von 1000 °C erzeugten dagegen Farbtöne sehr ähnlich dem Ton antiker attischer Gefäße.
  7. In modernen Elektroöfen kann feuchtes Sägemehl durch Guckloch oder Zu-/Abluftöffnungen des Ofens gegeben werden, was allerdings die Lebensdauer der Heizspiralen deutlich verringert. Vgl. Dazu Gustav Weiß: Reduktion im Elektroofen. In: Keramiklexikon. Auch Joseph Veach Noble verwendete Sägemehl: Noble (1960), p. 310-311.
  8. Noble (1960) gibt eine „soaking period“ von mindestens einer halben Stunde an.
  9. Der genaue Sinterpunkt variiert von Ton zu Ton, Noble beendete diese Phase in seinen Experimenten bei 875 °C (Noble 1960, p. 311).
  10. Die verschieden rauen und damit unterschiedlich durchlässigen Oberflächen der versinterten und nicht versinterten Gefäßteile sind sehr schön visualisiert in den elektronenmikroskopischen Aufnahmen im Aufsatz von Hofmann (1962).
  11. Selbstdarstellungen von Töpfern bei ihrer Arbeit vom Tonabbau bis zum Brand, mit Bildern von Öfen auf den korinthischen Votivtafeln von Penteskouphia (heute im Alten Museum in Berlin). Rekonstruktion von solchen Töpferöfen bei Winter (1959). Beschreibungen heutiger Töpferwerkstätten und Öfen: Winter/Hampe (1962).
  12. Noble (1960/65) und Hofmann (1962) argumentieren, dass die optische Kontrolle ausreichend sei. Farnsworth (1960) untersuchte uns erhaltene Probestücke aus der Umgebung ausgegrabener antiker Töpferöfen.