Admiralität (Vereinigtes Königreich)
Die Admiralität (englisch Admiralty) ist eine ehemalige britische Behörde, die bis 1964 für die Führung der Royal Navy verantwortlich war. Üblicherweise werden die verschiedenen an der Führung der Royal Navy beteiligten Behörden einfach The Admiralty genannt.
Aufgaben und Struktur
Ursprünglich wurde die Verantwortung für die Führung der Royal Navy einer einzelnen Person, dem Lord High Admiral, übertragen. Seit dem 18. Jahrhundert wurde diese Aufgabe aber meist durch einen Ausschuss erfüllt, dem Board of Admiralty. Die Mitglieder dieses Ausschusses wurden als Lords Commissioner of the Admiralty bezeichnet. Ihr offizieller Titel lautete Commissioners for Exercising the Office of Lord High Admiral of England, später Great Britain bzw. the United Kingdom of Great Britain and (Northern) Ireland. Der Ausschuss setzte sich aus Admiralen der Royal Navy sowie aus Zivilisten zusammen. Die Admirale im Board of Admiralty wurden als "Seelords" bezeichnet. Es gab davon zuletzt fünf, wobei dem Ersten Seelord die operative Leitung der Royal Navy unterstand. Die Zivilisten im Board of Admiralty waren meist namhafte Politiker und Beamte. Den Vorsitz über das gesamte Board of Admiralty führte der First Lord of the Admiralty ("Erster Lord der Admiralität"), der üblicherweise dem Kabinett angehörte und nach 1806 stets ein Zivilist war. Er hatte die politische Verantwortung für die Royal Navy zu tragen und wurde aus diesem Grund manchmal auch als "Marineminister" bezeichnet.
Die beschriebene Organisation bestand bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. 1964 wurden alle bisherigen Funktionen der Admiralität dem in diesem Jahr neu geschaffenen Verteidigungsministerium (Ministry of Defence) übertragen. Innerhalb des Verteidigungsministeriums wurden neue Dienststellen geschaffen, die zum Teil die Namen früherer Behörden erhielten. So wurde die Aufsicht über die Royal Navy einem neuen Board of Admiralty übertragen, das Teil des Tri-Service Defence Council ist. Dieses neue Board of Admiralty tagt nur zweimal im Jahr. Im täglichen Dienst wird die Royal Navy durch das Navy Board geführt (nicht mit dem historischen Navy Board zu verwechseln, welches weiter unten beschrieben wird). Gleichzeitig werden Gebäude, in denen die an der Führung der Royal Navy beteiligten Behörden untergebracht waren, umgangssprachlich ebenfalls als Admiralität bezeichnet.
Historische Entwicklung
Das Amt des Admiral of England (oder Lord Admiral, später Lord High Admiral) wurde um 1400 geschaffen, obwohl es bereits vorher Admirale in den nördlichen und westlichen Seegebieten gab. Der Lord High Admiral gehörte als Amt zu den neun Großen Staatsbeamten, den Great Officers of State.
Im Jahre 1546 schuf König Heinrich VIII den Council of the Marine, der später zum Navy Board wurde, um administrative Angelegenheiten der Marine zu überwachen. Die operative Kontrolle über die Marine blieb in der Verantwortung des Lord High Admiral.
1628 vergab Karl I. das Amt des Lord High Admiral erstmals in Kommission, d. h. die Amtsgeschäfte wurden von einem Ausschuss (dem Board of Admiralty) übernommen. Bis 1709 wurde das Amt wechselweise in Kommission als auch persönlich durch den Lord High Admiral geführt, danach bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts fast ständig in Kommission. Der spätere König Wilhelm IV. war der letzte Lord High Admiral, der aktiv an der Führung der Royal Navy beteiligt war.
Wenn das Amt des Lord High Admiral in Kommission ausgeübt wurde – und dies war die meiste Zeit im 18., 19. und 20. Jahrhundert der Fall –, wurden die Amtsgeschäfte vom Board of Admiralty geführt. Dieses Board wurde zuletzt offiziell als Commissioners for Exercising the Office of Lord High Admiral of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland (zuvor of England, Great Britain oder of the United Kingdom of Great Britain and Ireland in der jeweiligen Zeit) bezeichnet. Das Board of Admiralty bestand aus einer Reihe von Lord Commissioners of the Admiralty. Die Kommissare waren immer eine Mischung aus Admiralen, als Naval Lords oder Sea Lords bekannt, und Zivilisten, in der Regel Politiker. Der Präsident des Boards wurde als Erster Lord der Admiralität (First Lord of the Admiralty) bezeichnet. Er war gleichzeitig ein Mitglied des Kabinetts. Nach 1806 war der Erste Lord der Admiralität immer ein Zivilist, während der militärische Führer der Royal Navy als First Sea Lord bezeichnet wurde.
Im Jahre 1831 wurde das Navy Board als eigenständige Behörde abgeschafft und seine Pflichten und Aufgaben an die Admiralität übergeben.
Im Jahre 1964 wurde die Admiralität zusammen mit dem Kriegsministerium (War Office) und dem Luftfahrtministerium (Air Ministry) im Verteidigungsministerium zusammengefasst. Im Rahmen des erweiterten Verteidigungsministeriums existieren das Admiralty Board, Army Board und Air Force Board, die jeweils durch den Staatssekretär für Verteidigung geleitet werden. Wie bereits erwähnt, ist das neue Navy Board für Führung des täglichen Dienstbetriebs der Royal Navy verantwortlich.
Organisation der Admiralität
Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestand die Admiralität aus folgenden Abteilungen:
Erster Lord der Admiralität
Der First Lord of the Admiralty führte den Vorsitz über das gesamte Board of Admiralty. Meist handelte es sich dabei um einen Politiker der Regierungspartei, der üblicherweise dem Kabinett angehörte und der nach 1806 stets ein Zivilist war. Er hatte die politische Verantwortung für die Royal Navy zu tragen. Der First Lord of the Admiralty erfüllte als Mitglied des Kabinetts und Oberbefehlshaber der Marine eine Scharnierfunktion zwischen der zivilen Staatsführung und der militärischen Institution der Marine. Er repräsentierte als verantwortlicher Minister die Belange der Royal Navy vor dem Parlament und war insbesondere für die Aufstellung ihres Haushaltes zuständig.
Bekannte Erste Lords der Admiralität waren u. a.:
- George Anson, 1. Baron Anson (1751–1762)
- John Jervis, 1. Earl of St. Vincent (1801–1804)
- George Eden (1834/1835)
- Francis Baring, 1. Baron Northbrook (1849–1852)
- Edward Marjoribanks, 2. Baron Tweedmouth (1906–1908)
- Reginald McKenna (1908–1911)
- Sir Winston Churchill (1911–1915 und 1939–1940)
- Arthur Balfour (1915–1916)
- Sir Austen Chamberlain (1931)
- Alfred Cooper (1937–1938)
- Brendan Bracken (1945)
Direkt dem Ersten Lord der Admiralität unterstellt war das Account-General's Department (Naval Finance), das als Amt für Marinefinanzen für die Haushaltsplanung und Kassenführung der Royal Navy verantwortlich war.
Erster Seelord
Der First Sea Lord and Chief of Naval Staff war ein Admiral und für die militärische Führung der Royal Navy zuständig. Er war gleichzeitig Chef des Admiralstabes. Ihm unterstand der für Nachrichtenwesen, Operationsplanung und Navigation verantwortliche Vice Chief of Naval Staff direkt.
Zweiter Seelord
Der Second Sea Lord and Chief of Naval Personnel war ein Admiral und für die Personalfragen der Royal Navy zuständig.
Dritter Seelord
Die Beschaffungs- und Rüstungsabteilungen wurden im Department of the Controller zusammengefasst, das von einem Admiral mit dem Titel eines Third Sea Lord and Controller of the Navy geleitet wurde. Zwischen 1872 und 1892 war der Controller of the Navy kein Mitglied der Admiralität und folglich auch kein Sea Lord. Bis 1905 trug er zeitweilig den Titel des Third Naval Lord.
Das Royal Corps of Naval Constructors unterstand dem Director of Naval Construction. Seine Mitglieder waren sowohl für den Entwurf der Kriegsschiffe als auch die Beaufsichtigung der Arbeiten der Werften zuständig. Dabei überschnitten sich die Aufgaben des Directors of Naval Construction mit denen des Directors of Dockyards teilweise. Während die Arbeiten durch den Director of Naval Construction beauftragt wurden, erfolgte ihre Kontrolle und Abnahme durch den Director of Dockyards.
Der Engineer-in-Chief bestand als eigenständige Abteilung von 1847 bis 1889. Seine Aufgabe war die Überwachung von Konstruktion und Bau der Schiffsmaschinenanlagen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Engineer-in-Chief als Civil Engineer-in-Chief eigenständiges Mitglied des Boards.
Der Director of Naval Ordnance war für die Bewaffnung der Kriegsschiffe zuständig. Bis 1855 lag die Verantwortung für alle Waffen, also auch die Bewaffnung der Marine, beim Master-General of the Ordnance, der ein Bestandteil des War Office war. Die Marine war in diesem Ausschuss durch einen Offizier vertreten.
Der Director of Dockyards war sowohl für die Verwaltung der Marinewerften als auch für die Organisation des Schiffbaus auf diesen verantwortlich. Gleichzeitig trug er die Verantwortung für Wartung und Instandsetzung in allen Einrichtungen der Marine.
Das Naval Department Store, geführt durch den Director of Store, war für Beschaffung und Bevorratung von Material, das für den Bau, die Montage und Reparatur von Kriegsschiffen benötigt wurde, verantwortlich, ebenso für Beschaffung und Bevorratung von Munition.
Vierter Seelord
Der Fourth Sea Lord and Chief of Naval Supplies war ein Admiral und für Verpflegung, Nachschub (einschließlich Transport) und medizinische Versorgung zuständig.
Fünfter Seelord
Der Posten des Fifth Sea Lord and Chief of Naval Air Services wurde während des Ersten Weltkriegs eingeführt, aber nach Kriegsende wieder abgeschafft. 1938 wurde er wieder eingerichtet. Er war für fliegendes Material und Personal der Royal Navy (Royal Naval Air Service bzw. Fleet Air Arm) zuständig.
Parliamentary Secretary
Der Parliamentary Secretary war ein parlamentarischer Staatssekretär, zuständig für Beschaffung und Vertragswesen.
Permanent Secretary
Der Permanent Secretary war ein Beamter, der für Verwaltungsaufgaben und das Führen des Kriegstagebuches verantwortlich war. Berühmtester Inhaber dieses Amtes war im 17. Jahrhundert Samuel Pepys.
Gebäude der Admiralität
Die Admiralitätskomplex liegt zwischen Whitehall, Horse Guards Parade und The Mall und umfasst fünf Gebäude. Seit Auflösung der Admiralität als eigenständiger Behörde werden diese Gebäude als Büros für verschiedene Regierungsdienststellen genutzt.
The Admiralty
Das älteste Gebäude war lange nur als The Admiralty bekannt, umgangssprachlich wird es inzwischen als Old Admiralty und offiziell als Ripley Building bezeichnet.
Es ist ein dreigeschossiger dreiflügeliger Ziegelbau, der im Jahre 1726 vollendet wurde. Das Bauwerk ist architektonisch zwischen Barock und Klassizismus angesiedelt und wurde von Alexander Pope als eher langweilig bezeichnet. Es ist das erste speziell als Bürogebäude errichtete Bauwerk in Großbritannien. Es enthielt einen Sitzungsraum, andere Tagungsräume und Büros sowie Wohnungen für die Lords der Admiralität. Robert Adam entwarf den straßenseitigen Vorbau, der im Jahr 1788 hinzugefügt wurde.
Admiralty House
Admiralty House ist ein Herrenhaus im Süden des Ripley Building, erbaut im späten 18. Jahrhundert als Residenz des Ersten Lord der Admiralität. Es diente diesem Zweck bis 1964. Winston Churchill war einer der Bewohner. Es hat keinen eigenen Eingang von Whitehall und wird durch das Ripley Building betreten. Es ist ein dreigeschossiges Gebäude in gelbem Backstein mit neoklassizistischer Architektur und Innenräumen. Die hintere Fassade geht direkt auf Horse Guards Parade. Der Architekt war Samuel Pepys Cockerell (nicht zu verwechseln mit dem Marinestaatssekretär und Autor Samuel Pepys). Derzeit befinden sich drei Ministerwohnungen im Gebäude.
Old Admiralty Building (Admiralty Extension)
Dies ist das größte Gebäude der Admiralität. Es wurde im späten 19. Jahrhundert begonnen. Der Entwurf wurde während des Baus abgeändert, um den Bedarf an zusätzlichen Büros aufgrund des Rüstungswettlaufs mit dem Deutschen Reich zu befriedigen. Es ist ein im Queen Anne Style errichtetes rotes Backsteingebäude und zeigt französische Einflüsse. Es wird derzeit vom Foreign and Commonwealth Office genutzt.
Admiralty Arch
Admiralty Arch ist mit dem Old Admiralty Building durch eine Brücke verbunden und ist Teil des zeremoniellen Wegs vom Trafalgar Square zum Buckingham Palace. Es wurde von Sir Aston Webb entworfen, von John Mowlem & Co erbaut und 1912 fertiggestellt. Admiralty Arch enthält weitere Büroflächen und wird derzeit durch das Cabinet Office verwendet.
Admiralty Citadel
Admiralty Citadel ist ein gedrungener fensterloser Bunkerbau aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs nordwestlich von Horse Guards Parade und jetzt mit Efeu bewachsen.
Siehe auch
Literatur
- Simon Bradley, Nikolaus Pevsner: London. Band 6: Westminster (= The Buildings of England). Yale University Press, New Haven CT u. a. 2003, ISBN 0-300-09595-3.
- Stephen W. Roskill: The War at Sea. 1939–1945. Band 1: The defensive. Her Majesty's Stationery Office, London 1954
- Encyclopædia Britannica. 11th Edition. 1910–1922.
Weblinks
- The Admiralty at the Survey of London online