Wortakzent
Der Wortakzent oder die Wortbetonung ist in der Phonologie die lautliche Hervorhebung einer Silbe einer mehrsilbigen Wortform. Der Wortakzent ist ein prosodisches Merkmal des Wortes und einer von verschiedenen linguistischen Akzenten. Er ist einbezogen in die Satzmelodie und von der Umgebung abhängig. In längeren oder zusammengesetzten Wörtern kann es einen Haupt- und einen oder mehrere Nebenakzente geben.
In einigen Sprachen wird der Wortakzent in der Schrift kenntlich gemacht, vgl. Akzent (Schrift).
Im Folgenden notieren wir den Wortakzent mit dem System des Internationalen Phonetischen Alphabets (IPA), das eine Unterscheidung verschiedener Arten von Akzenten zulässt und in dem kurze senkrechte Striche vor die betonte Silbe ($) gesetzt werden:
- ˈ$ Der hochgestellte Strich bezeichnet den Haupt- oder Primärakzent: ˈZeitung – Comˈputer – Hoˈtel.
- ˌ$ Der tiefgestellte Strich bezeichnet den Neben- oder Sekundärakzent: ˈBahnhofˌstraße – ˌDreißigˈjahrfeier.
- ˈˈ$ Zwei hochgestellte Striche bezeichnen zuweilen den Hervorhebungs- oder kontrastiven Akzent: ˈneunˈˈzig, nicht ˈneunˈˈzehn.
Wortakzent im Deutschen
Der Akzent im Hochdeutschen ist ein dynamischer bzw. Druck-Akzent, das heißt, er wird im Wesentlichen über eine erhöhte Lautstärke realisiert.
In der deutschen Sprache liegt der Wortakzent oft auf der Stammsilbe, welche häufig die erste Silbe eines Wortes (hinter den Präfixen) ist. Sprachtypologisch ist der Wortakzent im Deutschen aber frei, d. h., er kann auf jeder Silbe stehen; z. B. erˈlauben, ˈUrlaub, Schweineˈrei, ˈHühnerei. Der Wortakzent zur Betonung wird in der deutschen Schriftsprache bei der schriftlichen Aufzeichnung nicht gesondert gekennzeichnet, außer in seltenen Fällen bei Fremdwörtern und fremden Namen.
Es gibt Wortpaare, die sich nur durch ihren Akzent unterscheiden:
- umˈfahren („Ich umfahre das Hindernis“, ausweichen, umschiffen, drumherum) – ˈumfahren („Er hat das Schild umgefahren.“, zum Umfallen/Umknicken bringen)
- umˈstellen (belagerte Burg) – ˈumstellen (Möbel)
- überˈlaufen (voll mit vielen Leuten sein) – ˈüberlaufen (eines Agenten; Milch im Topf)
- Roˈman (Erzählung in Buchform) – ˈRoman (Name)
- Auˈgust (Monat) – ˈAugust (Name, insbes. der Dumme August)
- moˈdern (Adjektiv; neuartig) – ˈmodern (Verb; gammeln)
- überˈsetzen (einen Text) – ˈübersetzen (mit einer Fähre)
- es sich ˈgemütlich ˌmachen (in eine Decke einmummeln) – es sich ˌgemütlich ˈmachen (onanieren)
- ˌgut ˈfinden (Gesuchtes) – ˈgut ˌfinden (als gut bewerten)
Wortakzent im Lateinischen
Für den Wortakzent im Lateinischen gilt das sogenannte Paenultimagesetz. Der Wortakzent liegt also auf der vorletzten Silbe, sofern diese lang ist. Ist diese kurz, so liegt der Wortakzent auf der drittletzten Silbe, der Antepänultima, und zwar unabhängig von deren Quantität.
Wortakzent im Russischen
Im Russischen ist der Wortakzent frei, d. h., er kann im Prinzip auf jeder Silbe des Worts liegen, und beweglich, d. h., er kann in den verschiedenen Formen eines Worts an verschiedenen Position stehen. Die Betonung hat historischen Ursprung.
Bei einigen Wörtern springt der Akzent, besonders in der Konjugation zwischen der ersten Person Singular und der zweiten Person Singular (bspw.
= ich schreibe und
= du schreibst). Außerdem haben einige Substantive betonte Pluralendungen (bspw.
–
) oder Formen des indogermanischen Lokativs erhalten, der im modernen Russischen durch den Präpositiv ersetzt wurde.
Wortakzent im Rumänischen
Das Rumänische besitzt wie das Russische einen freien und mobilen Akzent. Dabei zeichnet es sich durch eine große Bandbreite von betonbaren Silben aus, da der Akzent auf die letzte bis auf die sechstletzte Silbe fallen kann:
- Viertletzte Silbe: paturile [ˈpa.tu.ri.le] ‚die Betten‘
- Fünftletzte Silbe: nouăsprezece [ˈno.u̯ə.spre.ze.t͡ʃe] ‚neunzehn‘
- Sechstletzte Silbe: (al) nouăsprezecelea [ˈno.u̯ə.spre.ze.t͡ʃe.le̯a] ‚(der) Neunzehnte‘
Zudem gibt es Wörter und grammatische Formen, die sich nur durch ihren jeweiligen Akzent voneinander unterscheiden:
- veselă [ˈve.se.lə] ‚glücklich‘ vs. veselă [ve.ˈse.lə] ‚Geschirr‘
- cântă [ˈkɨn.tə] ‚er/sie/es singt‘ vs. cântă [kɨn.ˈtə] ‚er/sie/es sang‘
Siehe auch
Weblinks
- Andreas Mengel: Deutscher Wortakzent. Symbole, Signale (Memento vom 11. Februar 2005 im Internet Archive) (PDF-Datei; 1,57 MB)
- Einführung in die Phonologie: Metrische Phonologie (Memento vom 14. März 2006 im Internet Archive) (PDF-Datei; 40 kB)