Eberhard VI. von Nellenburg

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Rekonstruktion der Grablege der Nellenburger im Kloster Allerheiligen: In der Mitte Graf Eberhard als Gründer und Stifter des Klosters mit dem Kirchenmodell im Arm, rechts seine Gemahlin, Gräfin Ita († nach 1105), links ihr Sohn Burkhard († 1101/02) mit Bäumchen oder Halm mit Wurzelballen (festuca) in den Händen, welches die Schenkung symbolisiert

Eberhard VI. von Nellenburg (* um 1015; † 26. März 1078/79 / 1. März 1080) war in Nachfolge seines Vaters Eppo († 1034) erstmals urkundlich erwähnt 1036/37 Graf im Zürichgau und 1046/47 Teilnehmer des ersten Italienzuges von König Heinrich III., der im Dezember 1047 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde.

Noch vor 1050 ließ er die Nellenburg als neuen Stammsitz der Familie erbauen und wurde als Eberhard I., Graf von Nellenburg namhaft. Mit der Stiftung des Klosters Klosters Allerheiligen in Schaffhausen ging er als Gründer mit dem Schaffhauser Stifterbuch in die Überlieferung ein.

Frühe Jahre und Erster Italienzug

Eberhard war einer der jüngeren Söhne des Grafen Eberhard V. (Eppo), der heute als Eberhardinger gilt und der Haduwig (Hedwig) (* um 990, † nach 1044), gebürtig aus dem Geschlecht der Grafen von Egisheim.

Nach dem Schaffhauser Stifterbuch „(kamen) schon in früher Jugend [..] all seine Tugenden zum Vorschein.“ Nach dem Tod des Vaters und dem Rückzug seiner Mutter in ein Kloster wählte er „für sich und alle seine Ritter einen Priester names Liutpaldus“ zum Erzieher und als er „in das Alter gekommen war, wo er zu anderen Herren reiten sollte, kamen seine Verwandten und verheirateten ihn mit Ita, die aus dem höchsten Grafengeschlecht in deutschen Landen stammte.“[Anm 1]

Eberhard heiratete um 1030/1035 Ita, vermutlich aus dem Geschlecht der Grafen von Kirchberg.[1] Das Kloster Reichenau förderte er mit Stiftungen für die auf der Reichenau beerdigten Angehörigen. Während der Amtszeit des Abtes Berno wurde um 1040 die als Grablege für Angehörige des Grafengeschlechtes gedachte Laurentiuskapelle erbaut.[2][3] Auf dem Feldberg unweit Sponheim gründete er 1044, unterstützt durch seine verwitwete Mutter, das Kloster Sponheim auf deren Eigengut. Für sie selbst gründeten sie 1040 das Kloster Schwabenheim im heutigen Pfaffen-Schwabenheim, wohin Haduwig sich zurückzog und wo sie ihr Leben beschloss.

Politische Wirkungsmacht

„Am 10. Juli 1045 verlieh Kaiser Heinrich III. dem Grafen Eberhard von Nellenburg das Münzrecht in dessen Villa Scâfhusun.“[4] 1046/47 folgte Eberhard Heinrich III. auf dessen erstem Italienzug. „Dem König gelang es dabei, die verworrenen Situation des Papsttums zu ordnen“, das vom römischen Adel dominiert worden war und auch die Käuflichkeit des Amtes zu beseitigen. Der dabei neu eingesetzte Papst Clemens II. krönte Heinrich noch im Dezember 1046 zum Kaiser. Eberhard war von diesen Erlebnissen „zur Zeit der Klostergründung […] zweifellos beeindruckt.“[5]

Heinrich förderte jedoch weiterhin die weltliche Aktivität seines Günstlings, der auch die Grafschaft Chiavenna bei Como überschrieben bekam.[Anm 2]

Hintergrund

„Die Konsolidierung der staatlichen Ordnung um die Jahrtausendwende bewirkte, daß die Handelswege an Bedeutung gewannen.“ Die Erneuerung bewirkte dann einen umfassenden und raschen gesellschaftlichen Fortschritt – insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht und Schaffhausen wurde zu einem Zentrum, da der damals immens wichtige Wasserweg durch den Rheinfall unterbrochen war und die Warentransporte umgeladen und auch gestapelt werden mussten. Dass sich in der Nähe ein Markt entwickelte […] war naheliegend. Eberhard hatte in Villa Scafhusin 1045 das Münzrecht erhalten und baute mittels des selbst prägbaren Kapitals die neue Stammburg „vor 1050“ als Zentrum seiner schon weit umliegenden Besitzungen und – nachdem das Kloster Reichenau sein Ansinnen auf „kulturelle Unterstützung“ abwies – gründete und finanzierte er sein eigenes Kloster Allerheiligen in Schaffhausen.

Gründung des Klosters Allerheiligen

Die Stiftung wurde am 22. November 1049 in persönlicher Anwesenheit von Papst Leo IX. vollzogen. Dieser, „ein Verwandter mütterlicherseits“, weihte „einen Altar zur Auferstehung Christi, die sogenannte Urständs- oder Erhardskapelle und damit wohl auch den zukünftigen Bauplatz des Klosters.“

„Es ist anzunehmen, daß das Kloster, der Ideenwelt dieses Papstes entsprechend, ein eigenes Rechtssubjekt, dem Schutz des Papstes unterstellt, bildete, die Rechte der Stifterfamilie sich also auf die Vogtei und die Bestellung des Abtes beschränkten.“

H. Gallmann: Schaffhauser Stifterbuch, 1995, S. 85 f.

Bereits 1050 war das Kloster im Bau. Der Grundriss kann aufgrund von Ausgrabungen „einigermaßen rekonstruiert werden.“ Die Bauleitung hatte Liutpaldus, einstiger Erzieher des Grafen inne. Das Münster des Klosters wurde 1064 von Bischof Rumold von Konstanz geweiht und von Papst Alexander II. unter den Schutz des römischen Stuhls gestellt.[6]

„Gott zum Danke“, – so berichtet das Schaffhauser Stifterbuch [im Kap. 9] – für seinen einzigen Sohn Burkhardt, „gedachte er, […] ein Gotteshaus auf seinem Eigentum zu stiften und dennoch seinem Sohn so viel Ehre und Besitz zu hinterlassen, daß er wohl ein Herr in der Welt sein könne.“[7]

Diese Aussage des Stifterbuchs formuliert zeitgemäß das religiöse Motiv, doch bleibt auch der Hinweis auf den weltlichen Nutzen nicht aus.

Ausweitung und Sicherung des Machtbereichs

Als zentrale Absicht in den Folgejahren „muß aber die territoriale Konsolidierung des Herrschaftsbereiches gesehen werden. Graf Eberhard war begütert im Zürichgau, Aargau, Thurgau, Klettgau, Hegau, in der Bertholdsbaar, im Breisgau und im Neckargau dazu im Westen und Nordwesten im Elsaß, im Nahegau und im Linzgau, im Südosten in Rätien und in Chiavenna. Die Standortwahl des Stammsitzes – nicht im Schwerpunkt des Herrschaftsbereichs, sondern am östlichen Rand von dessen Kerngebiet liegend – ist erstaunlich und nur verständlich, wenn dahinter die strategische Absicht einer territorialen Erweiterung nördlich [und östlich] des Bodensees gesehen wird.“[8]

Zweite Romreise und Wallfahrt

Die originalen Grabplatten von Eberhard, Ita und Burchard aus dem Münster Allerheiligen, heute in der Eberhardskapelle

Nach seiner zweiten Romreise die er mit seinem Sohn Burchard III. unternommen hatte, begab er sich 1070 zusammen mit seiner Frau auf eine Wallfahrt auf dem Jakobsweg in das spanische Santiago de Compostela.[9]

Klosterzeiten und Ableben des Paares

Nach der glücklichen Rückkehr begab er sich als Laienbruder um 1072 in das Kloster Allerheiligen, Ita lebte während seiner Klosterzeit im Fronhaus, nahe dem Kloster Allerheiligen. Nach dem Tode Eberhards trat sie in das von Abt Siegfried gestiftete Kloster St. Agnes in Schaffhausen über und lebte bis etwa 1105. Sie wurde ebenfalls im großen Stiftergrab des neuen Münsters bestattet.[10]

Auflösung des Besitzes der Familie

Nach dem Tod „des Nellenburgers“ konnte das ausgedehnte Besitztum der Familie vom Nachfolger nicht mehr vollständig zusammengehalten werden und fiel auch im Rahmen des Konfliktes um das Herzogtum in Schwaben an stärkere Adelsfamilien, so an die Zähringer unter Bertold II., mit dem Eberhard auch vielfach zusammengearbeitet hatte: Um 1100 fielen an Bertold „die von den Nellenburgern ererbten Positionen in Kirchheim unter Teck zusammen mit der Burg Teck.“[11] Weitere Angabe bei Zotz: „So nahm Bertold II. ca. 1102 kraft Erbrecht Güter des verstorbenen Grafen Burkhard von Nellenburg bei Kirchheim unter Teck und Nabern#Geschichte in Besitz.“ Zotz weiter: „Nachweislich um Mitte des 12. Jahrhunderts hatten die Zähringer die Burg Teck inne, unweit der Limburg auf einem Höhensporn des Albtraufs gelegen. Der Besitz stammte vermutlich aus dem erwähnten Erbe Burkhards von Nellenburg; dieser wird neuerdings als Erbauer der Burg angesehen.“[12]

Familie

Eberhard und Ita hatten zusammen sechs Söhne und zwei Töchter:

Anmerkungen

  1. Stifterbuch, Kap. 3 und 5, in: Heinz Gallmann: Schaffhauser Stifterbuch, Universitätsverlag Konstanz (UVK), Konstanz 1995, S. 39 ff. Die Ehe wird im Buch als glücklich beschrieben.
  2. Auch für das 1046 durch den Kaiser von Gottfried III. dem Bärtigen eingezogene Lehen über die Burg Böckelheim, das mit dem Reichsgut Kreuznach verbunden, ist als Lehensnehmer Eberhard von Nellenburg bezeugt ist. Eine 19 Jahre später ausgestellte Urkunde sei zwar gefälscht, aber im Hinblick auf das Vorliegen des genannten Kreuznacher Lehens offenbar korrekt. Urkunde samt Kommentar.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Heinz Gallmann: Das Stifterbuch des Klosters Allerheiligen zu Schaffhausen: Kritische Neuedition und sprachliche Einordnung (= Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker, Neue Folge, Band 104). Walter de Gruyter, Berlin 1994, ISBN 3-11-014185-X, S. 116* (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. C. B. A. Fickler: Die kirchlichen Bauten auf Reichenau. I. Abth. In: Alterthumsverein des Großherzogtums Baden durch dessen Director A. von Beyer (Hrsg.): Denkmäler der Kunst und Geschichte des Heimathlandes. Band V. Karlsruhe 1856, S. 3, doi:10.11588/diglit.12550 (uni-heidelberg.de).
  3. Friedrich Adler: Die Kloster- und Stiftskirchen auf der Insel Reichenau. In: Baugeschichtliche Forschungen in Deutschland. Band 1. Berlin 1870, S. 5 (uni-heidelberg.de).
  4. [RIplus] Heinrich III. (1039-1056) - Diplomata | Work-in-progress. 1045 Juli 10, Köln. In: Regesta imperii. Abgerufen am 2. Oktober 2021..
  5. Heinz Gallmann: Das Schaffhauser Stifterbuch. Konstanz, 1995, S. 97 f.
  6. Zitate im Kapitel: H. Gallmann: Schaffhauser Stifterbuch, 1995, S. 104 f. und 86 mit Anm. 91 und 93, S. 183.
  7. H. Gallmann: Schaffhauser Stifterbuch, 1995, S. 43.
  8. H. Gallmann: Schaffhauser Stifterbuch, 1995, S. 101.
  9. H. Gallmann: Schaffhauser Stifterbuch, 1995, S. 104.
  10. H. Gallmann: Schaffhauser Stifterbuch., 1995, S. 106.
  11. Thomas Zotz: Die Zähringer. Dynastie und Herrschaft, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2018, S. 47. ISBN 978-3-17-022066-9. Mit Quellenangabe: Hils, Kurt: Die Grafen von Nellenburg im 11. Jahrhundert. Ihre Stellung zum Adel, zum Reich und zur Kirche, (FOLG 19), Freiburg i. Br, 1967.
  12. Zotz, Zähringer, S. 31 f., mit Quellenangabe: Zettler, Alfons: Zähringerburgen in: Zähringer III, S. 95–176. Sowie: Parlow, Ulrich: Die Zähringer, (VKBW A 50), Stuttgart, 1999, Nr. 343. und Lorenz, Sönke: Weilheim, in: Geschichte Kloster Weilheim, Bizer/Götz, Weilheim an der Teck 2007, S. 72–78.
  13. Heinz Gallmann: Das Schaffhauser Stifterbuch. Legende um Stifter und Stiftung des Klosters Allerheiligen, Universitätsverlag Konstanz (UVK), 1995, Zitate S. 106 bis 108.