Abgar-Bild

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Das „nicht von Menschenhand geschaffene Bild“ Christi, Ikone, Moskau, Anfang 16. Jahrhundert

Als Abgar-Bild, Mandylion[1] oder Christusbild von Edessa bezeichnet man eine mit König Abgar V. von Edessa verbundene Darstellung Jesu Christi; das Original war nach der Abgarlegende keine Ikone, sondern ein Tuch, von dem die Gesichtszüge mechanisch übertragen wurden.

Jesus Christus wird auf dem Tuch mit schulterlangen Haaren und göttlicher Herrlichkeit dargestellt. Die feine lange Nase akzentuiert das schmale Antlitz. Der spitze Bart fällt meist in zwei Teile.

Das „Acheiropoieton“ (d. h. nicht von Menschenhand gemachte Bild) wurde oft auf Ikonen und Kreuzen kopiert. Wir finden das Tuch auch noch in einer anderen Darstellung: Zwei auf Wolken stehende Engel halten das Tuch empor, auf dem das Antlitz des bärtigen Jesus Christus abgedrückt ist.

Der Briefwechsel zwischen Abgar und Jesus nach Eusebius

In Edessa (die heutige Stadt Urfa – Neo-Aramäisch: Urhoy – in der Türkei östlich des oberen Euphrat) im mesopotamischen Königreich Osrhoene wurde die Geschichte überliefert, dass der Aramäische König Abgar von Urhoy (Edessa) von dem berühmten Namen Jesus und von seinen allgemein beglaubigten Wundern hörte. Daraufhin sandte er einen Boten an Jesus, der einen Brief mit der Bitte, ihn von einer schweren Krankheit zu heilen, überbrachte. Jesus antwortet ihm, erst nach seiner Auferstehung würde er einen seiner siebzig Jünger schicken.

Eusebius von Caesarea schrieb, dass der heilige Thomas seinen Jünger Thaddäus zu König Abgar sendete, um ihn zu heilen. Er, Eusebius, habe diese zwei Briefe im Archiv von Edessa entdeckt und aus dem Neo-Aramäisch übersetzt:

„Für diese Tatsache gibt es ein schriftliches Zeugnis, das den Archiven der damals königlichen Stadt Edessa entnommen ist. In den dortigen amtlichen Urkunden, welche über die früheren Ereignisse und auch über die Geschichte des Abgar berichten, ist auch die erwähnte Begebenheit bis auf den heutigen Tag aufbewahrt. Am besten ist es, die Briefe selbst zu hören, die wir dem Archiv entnommen und wörtlich aus dem Aramäischen übersetzt haben. Sie lauten wie folgt:

Abschrift des Briefes, welchen der Fürst Abgar an Jesus geschrieben und durch den Schnellläufer Ananias an ihn nach Jerusalem gesandt hatte: Abgar Ukkama, der Fürst, entbietet Jesus, dem guten Heilande, der in Jerusalem erschienen ist, seinen Gruß. Ich habe von dir und deinen Heilungen Kunde erhalten und erfahren, daß diese ohne Arznei und Kräuter von dir gewirkt werden. Du machst nämlich, wie erzählt wird, Blinde sehend, Lahme gehend, Aussätzige rein, treibst unreine Geister und Dämonen aus, heilst die, welche schon lange von Krankheiten gequält werden, und erweckst Tote. Auf alle diese Nachrichten hin sagte ich mir: entweder bist du Gott und wirkst diese Wunder, weil du vom Himmel herabgestiegen bist, oder du bist, weil du dieses wirkst, der Sohn Gottes. Daher wende ich mich in diesem Briefe an dich mit der Bitte, dich zu mir zu bemühen und mich von meinem Leiden zu heilen. Ich habe nämlich auch gehört, daß die Juden wider dich murren und dir Böses tun wollen. Ich habe eine sehr kleine, würdige Stadt, welche für uns beide ausreicht.

Das Antwortschreiben Jesu, vermittelt durch Ananias, den Eilboten des Fürsten Abgar: "Selig bist du, weil du an mich glaubst, ohne mich gesehen zu haben. Es ist nämlich über mich geschrieben, daß die, welche mich gesehen haben, nicht an mich glauben, und daß die, welche mich nicht gesehen haben, glauben und leben sollen. Bezüglich deiner schriftlichen Einladung, zu dir zu kommen, mußt du wissen: es ist notwendig, daß ich zuerst all das, wozu ich auf Erden gesandt worden bin, erfülle und dann, wenn es erfüllt ist, wieder zu dem zurückkehre, der mich gesandt hat. Nach der Himmelfahrt werde ich dir einen meiner Jünger senden, damit er dich von deinem Leiden heile und dir und den Deinigen das Leben verleihe.“

Die Legende besagt, dass Thaddäus zum König kam. Der König wurde von seiner Krankheit geheilt und er erteilte dann nach Eusebius Aussagen „den Befehl, die Bürger sollten sich am kommenden Morgen versammeln und die Predigt des Thaddäus anhören.“[2]

In dieser ältesten Überlieferung der Abgarlegende, von Eusebius im Jahre 325 niedergeschrieben, ist von einem Bild nicht die Rede.

Ausweitung der Legende

Gegen Ende des 4. Jahrhunderts taucht erstmals in der „Lehre des Addai“, der Geschichte des Eilboten Ananias (Neo-Aramäisch: Hannan) auf, der den Brief an Jesus überbracht haben soll. Dieser Ananias soll gleichzeitig Maler gewesen sein und ein Porträt Jesu angefertigt haben, welches er König Abgar mitbrachte. Eine spätere Version berichtet von einem direkten Gesichtkontakt, bei der sich das Abbild Jesu in ein Tuch eingeprägt hätte.

Nach dem Historiker Niaphoris verschwand das Tuch im Jahre 359. Es wird behauptet, dass das Tuch in der Stadtmauer versteckt wurde, um es vor Hochwasser zu schützen. Danach geriet es in Vergessenheit und wurde erst im 6. Jahrhundert wiederentdeckt. Laut Prokopios von Caesarea (um 550) wurde das Bild im Jahre 525 bei Aufräumarbeiten in einem der Stadttore gefunden, nachdem der Daisan, ein Nebenfluss des Euphrats, die Stadt Edessa überschwemmt hatte. Der Historiker Euagrios Scholastikos (vor 594) schreibt, dass die Bewohner der Stadt Edessa, im Zuge der Belagerung durch die Perser unter Chosrau I. im Jahre 544, vermutlich durch Befestigungsarbeiten auf dem höchsten Tor, einen Hohlraum in der Mauer entdeckten. Er enthielt ein Tuch mit dem Abbild Jesu. Als Chosrau nach einem Feuer in seinem Feldlager mit seinem Heer abzog, gerieten die Einwohner Edessas in höchste Begeisterung. Euagrios bezeichnet das Bild in seiner Kirchengeschichte als von Gott, aber nicht von Menschenhand gemacht.[3] Eine Silbervase aus Emesa aus diesen Jahren (jetzt im Louvre, Paris) zeigt das wahrscheinliche Kopfbild auf dem Tuch.

Auffällig ist, dass die Bild-Darstellungen von Christus seit dem 6. Jahrhundert, also dem Beginn der Verehrung des Abgar-Bildes in Edessa, eine einschneidende Veränderung erfahren. Wiesen die Darstellungen bis dahin eine große Vielfalt auf – so wurde Jesus auch bartlos und jugendlich, im Typus des griechischen Gottes Apoll dargestellt –, ähneln seitdem die Bildnisse demjenigen auf dem Turiner Grabtuch.

Verbleib des Tuchs

Das wundertätige Bild blieb auch während der islamischen Eroberungen im christlichen Edessa. Erst durch die Expansionspolitik im wiedererstarkten Byzanz musste Edessa das sogenannte Abgar-Bild im Jahre 944 an Byzanz abtreten. In Konstantinopel wurde es in der Pharos-Palastkapelle im Kaiserpalast ausgestellt.

Datei:Surrender of the Mandylion to the Byzantines.jpg
Die Übergabe des Mandylion an die Byzantiner im Jahr 944. Miniatur aus der Madrider Bilderhandschrift des Skylitzes

Während der Belagerung im 4. Kreuzzug wurde das Bild in die Blachernen-Kirche in Konstantinopel gebracht, aus der es nach der Eroberung und Plünderung der Stadt 1204 verschwand. Danach verliert sich die Spur des Bildes. Möglicherweise existieren aber mehrere Kopien, nämlich im Vatikan sowie – seit dem 14. Jahrhundert dokumentarisch belegt – in Genua.[4]

Nach Meinung einiger Historiker und Kunsthistoriker wie Ian Wilson, Werner Bulst und Heinrich Pfeiffer ist das Bild mit dem Turiner Grabtuch identisch. Die älteste urkundliche Erwähnung des Grabtuchs stammt aus dem Jahr 1357, als es in Lirey bei Troyes in Frankreich in den Händen von Geoffroy de Charny auftaucht. Das Turiner Grabtuch zeigt nicht nur das Gesicht, sondern die komplette Vorder- und Rückansicht eines Mannes. Möglicherweise wurde das Tuch in Edessa jedoch gefaltet aufbewahrt, so dass damals nur das Gesicht sichtbar war. Falls das Abgar-Bild tatsächlich mit dem Turiner Grabtuch identisch ist, stellt sich somit die Frage nach dem Verbleib in den 150 "fehlenden Jahren". Möglicherweise war es im Besitz des Tempelordens. Diese Vermutung gründet sich vor allem auf die Annahme, dass der erste nachweisbare Besitzer Geoffroy de Charny der Neffe des Tempelritters Geoffroy de Charnay war, welcher seinerseits am 18. März 1314 zusammen mit dem letzten Templer-Großmeister Jacques de Molay auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.

Das Mandylion verlässt sehr selten den Vatikan. Eine Ausnahme war die Expo 2000 in Hannover. Ein Text neben dem Bild legte dar, warum der Vatikan es als älteste bekannte Darstellung Jesu betrachtet. Im Jahr 2011 wurde es in einer Ausstellung über Reliquien im British Museum in London gezeigt.

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard Wolf / Colette Dufour Bozzo / Anna Rosa Calderoni Masetti (Hrsg.): Mandylion: intorno al "Sacro Volto", da Bisanzio a Genova. Genua, Museo Diocesano, 18. April – 18. Juli 2004. Skira, Mailand 2004, ISBN 88-8491-824-3.
  • Andrea Nicolotti: From the Mandylion of Edessa to the Shroud of Turin. The Metamorphosis and Manipulation of a Legend. Leiden, Brill, ISBN 978-90-04-26919-4.
  • Daniel Spanke: Das Mandylion. Ikonographie, Legenden und Bildtheorie der "Nicht-von-Menschenhand-gemachten Christusbilder". Monographien des Ikonenmuseums Recklinghausen. Bd. 5. Recklinghausen 2000. ISBN 3-929040-48-4
  • Hans Belting: Bild und Kult, eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. Beck, München 1990, 2000. ISBN 3-406-37768-8
  • Heinrich W. Pfeiffer: Die römische Veronika. In: Grenzgebiete der Wissenschaft. (Resch, Innsbruck) 49/3 (2000), S. 225–240. ISSN 1021-8130
  • Joseph Sauer: Die ältesten Christusbilder. Wasmuth, Berlin 1920.
  • Die Abgarlegende / Das Christusbild von Edessa, Fontes Christiani, Brepols Publishers, 2003 ISBN 2-502-52114-9

Weblinks

Commons: Abgar-Bild – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Mandylion ist ein aus dem Persischen abgeleitetes griechisches Wort für wollenes Oberkleid (Mandylion, in: Hartmann: Das große Kunstlexikon)
  2. a b Eusebius von Caesarea: Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica) 1. Buch, Kapitel 13. online
  3. Geschichte (Memento vom 7. Februar 2012 im Internet Archive) des Turiner Grabtuchs im Mittelalter
  4. Dineke Rizzoli: Christusafbeeldingen langs de Frankenweg. Bulletin: Het archief. (Nicht mehr online verfügbar.) Stichting Eikonikon, 2002, archiviert vom Original am 27. Oktober 2004; abgerufen am 5. Oktober 2013 (niederländisch, Annalen der Stadt Genua, 14. Jahrhundert).