Ekosem-Agrar

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Ekosem-Agrar

Rechtsform AG
Gründung 2000[1]
Sitz Walldorf, Deutschland Deutschland
Leitung Stefan Dürr
Mitarbeiterzahl 13.706
Umsatz 402,7 Mio. Euro (2019, bereinigt)[2]
Branche Landwirtschaft
Website www.ekosem-agrar.de
Stand: 31. Dezember 2019
Infotafel bei einem Betrieb in der Oblast Woronesch

Die Ekosem-Agrar AG, in Walldorf, ist die deutsche Holdinggesellschaft der Ekoniva Gruppe, eines der größten russischen Agrarunternehmen.[3]

Mit einem Bestand von rund 189.200 Rindern (davon rund 102.430 Milchkühe[4] in 40 Milchhöfen[5]) im Jahr 2020 und einer erzeugten Milchmenge von rund 759.000 Tonnen im Jahr 2019[6] ist die Gesellschaft größter Rohmilchproduzent des Landes und in Europa. Die Gruppe verfügt über eine landwirtschaftliche Nutzfläche von rund 631.000 Hektar.[7] Weitere Produktionsbereiche sind der Ackerbau, die Mutterkuhhaltung und die Ökologische Landwirtschaft, die Saatgutproduktion und -züchtung. Das Unternehmen zählt zu den führenden Saatgutherstellern Russlands. Gründer des Unternehmens ist der Deutsche Stefan Dürr. Die Unternehmensgruppe ist mit ca. 14.000 Mitarbeitern in sieben Regionen in Russland vertreten. Ekosem-Agrar hat im Geschäftsjahr 2019 eine Betriebsleistung von 586,1 Mio. Euro und ein bereinigtes EBITDA von 167 Mio. Euro erwirtschaftet.[8] im Jahr 2018 erhielt das Unternehmen im Zuge der Eröffnung von acht Milchhöfen, mehr als 42 Millionen Euro an Zuschüssen vom russischen Staat.[5]

Einmal versuchte eine Moskauer Polizeieinheit bei einer Visite der Moskauer Büroräume, 300.000 Euro zu erpressen. Nach einer Beschwerde beim Vizepremier erhielt Dürr das Geld wenig später zurück.[5]

Bis einschließlich 2021 hatte Ekoniva mindestens fünf eigene Molkereien und Käsereien aufgebaut.[5]

Das Unternehmen ist Stand 2021 mit mehr als 1,3 Milliarden Euro verschuldet. Mehr als 85 Prozent der Kredite liegen bei der russischen Landwirtschaftsbank „Rosselchozbank“. Ab Ende 2019 änderte die „Rosselchozbank“ ohne Angaben von Gründen Absprachen für Kredite. Im März 2020 forderte die Bank, Kredite der Ekoniva über mehr als 120 Millionen Euro bei der privaten russischen Alfa-Bank zu kündigen und zu überschreiben, anderenfalls würden ältere Darlehen nicht mehr verlängert. Die Bank schrieb sich eine Call-Option zu einem symbolischen Preis von umgerechnet 60.000 Euro in die Refinanzierungsverträge der Ekoniva.[5] Es wird vermutet, dass staatliche russische Banken das Agrarunternehmen Ekoniva somit unter ihre Kontrolle bringen wollen.[9] Die Ekosem-Agrar Anleihen sind infolgedessen seit Juli 2021 im Wert stark gefallen.[10]

Der Konflikt bzw. die Unstimmigkeiten mit der Hausbank „Rosselchozbank“[11] über die weitere Finanzierung und Ausübung von Call-Optionen wurden schließlich beigelegt, so dass sich der Kurs der Anleihen teilweise erholen konnte.[12]

Ekosem Agrar setzt die Prognose für 2022 aus und kann den Abschlussbericht 2020 zunächst nicht fertigstellen in Hinblick auf den Russland-Ukraine-Konflikt und die damit verbundenen Sanktionen zahlreicher Staaten.[13] Die Ekosem Anleihen sind infolge des Konfliktes stark eingebrochen.[14]

Im März 2022 ging das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf Distanz zu Ekosem-Agrar, dem es bis dahin bis zu 800.000 Euro jährlich für die Kontaktpflege zu russischen Fachpolitikern gezahlt hatte.[15][16]

Im April 2022 kämpfte die hochgradig fremdfinanzierte Agrarholding Ekosem-Agrar AG ums Überleben.[17] Gläubiger der beiden Anleihen des Unternehmens stimmten Ende Mai 2022 für eine Restrukturierung.[18]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. ekosem-agrar.de: [1]
  2. www.ekosem-agrar.de: [2]
  3. ekoniva-apk.ru: EkoNiva-APK Holding Management Company
  4. Konzern-Zwischenlagebericht. Abgerufen am 25. März 2021.
  5. a b c d e Christina Hebel: Russland: Wladimir Putins deutscher Melkmeister Stefan Dürr kämpft um sein Lebenswerk (S+). In: Der Spiegel. Abgerufen am 12. September 2021.
  6. Über Ekosem-Agrar. Abgerufen am 26. März 2019 (deutsch).
  7. Konzern-Zwischenlagebericht. Abgerufen am 25. März 2021 (deutsch).
  8. Finanzkennzahlen. Abgerufen am 22. Oktober 2018.
  9. Norbert Lehmann: Ekosem Agrar: Übernehmen russische Banken Stefan Dürrs Lebenswerk? In: agrarheute.de. 27. Juli 2021, abgerufen am 30. November 2021.
  10. EKOSEM-AGRAR AG 19/24. Abgerufen am 30. November 2021 (deutsch).
  11. Ekosem-Agrar AG: Schiedsgericht Woronesch lehnt den Antrag auf Nichtigerklärung der Optionsvereinbarungen mit RSHB-Finance ab. Abgerufen am 3. Dezember 2021.
  12. Norbert Lehmann: Ekosem-Agrar: Dürr entschärft Finanzierungsstreit mit Agrarbank. In: agrarheute.de. 10. Dezember 2021, abgerufen am 31. Dezember 2021.
  13. S. W. R. Aktuell: In Russland tätiges Agrarunternehmen Ekosem setzt Umsatzprognose aus. In: swr.de. Abgerufen am 29. März 2022.
  14. Eva Brendel: Der Russland-Fallout am Kapitalmarkt. In: FINANCE. 28. Februar 2022, abgerufen am 29. März 2022 (deutsch).
  15. Martina Hungerkamp: Ekosem-Agrar: Bundesagrarministerium distanziert sich von Stefan Dürr. In: agrarheute.de. 11. März 2022, abgerufen am 7. Mai 2022.
  16. Daniel Bräuer: Ekosem verliert den Auftrag für Moskau-Dialog. In: Rhein-Neckar-Zeitung (rnz.de). 14. März 2022, abgerufen am 7. Mai 2022.
  17. Norbert Lehmann: Ekosem-Agrar AG im Strudel der Russland-Sanktionen. In: agrarheute.de. 25. April 2022, abgerufen am 7. Mai 2022.
  18. agrarheute Norbert Lehmann: Ekosem-Agrar: Gläubiger stimmen für Restrukturierung der Anleihen. 31. Mai 2022, abgerufen am 19. Juni 2022.