Ekrem İmamoğlu
Ekrem İmamoğlu (* 4. Juni 1970 in Akçaabat, Provinz Trabzon) ist ein türkischer Politiker der Republikanischen Volkspartei (CHP). Er wurde am 23. Juni 2019 zum Oberbürgermeister der Großstadtkommune Istanbul gewählt, nachdem das Ergebnis der Wahl vom März 2019, bei der er ebenfalls gewann, angefochten worden war.[1]
Leben
İmamoğlu besuchte das Gymnasium in Trabzon und studierte an der Universität Istanbul Betriebswirtschaftslehre (Bachelor) und Personalwesen (Master). Er stieg in die Baufirma seiner Familie ein und wurde 2008 Mitglied der CHP. Bei den Kommunalwahlen 2014 trat er für seine Partei im Istanbuler Stadtbezirk Beylikdüzü an und wurde mit knapp 50 % zum Bürgermeister des Stadtteils gewählt.
Bei den Kommunalwahlen 2019 wurde er zum CHP-Kandidaten für den Posten des Oberbürgermeisters von Istanbul nominiert und gewann mit 13.000 Stimmen Vorsprung.[2] Nachdem die in Istanbul unterlegene AKP eine Nachzählung der Stimmen beantragt hatte, wurde er am 17. April 2019 von der Yüksek Secim Kurulu, der türkischen Wahlkommission (YSK) zum Oberbürgermeister der Großstadtkommune Istanbul erklärt.[3] Die AKP legte Beschwerde ein; am 6. Mai 2019 annullierte die Wahlkommission das Wahlergebnis wegen angeblicher Regelwidrigkeiten.[4][5] Bei der Neuwahl am 23. Juni 2019 vergrößerte seine Vorsprung um knapp 800.000 Stimmen und gewann deutlich gegen Binali Yıldırım (AKP) und wurde erneut zum Oberbürgermeister gewählt.[2]
İmamoğlu ist verheiratet mit Dilek İmamoğlu, sie haben drei gemeinsame Kinder.[6][7]
Im Amt des Oberbürgermeisters
Im Wahlkampf zur Oberbürgermeisterwahl 2019 versuchte İmamoğlu das Thema der syrischen Flüchtlinge in der Türkei zu umgehen, zu dem die CHP die Auffassung vertritt, sie sollten schrittweise und sicher zurückgeführt werden. Nachdem es im Juli im Istanbuler Stadtteil Küçükçekmece als Folge falscher Behauptungen zu antisyrischen Ausschreitungen gekommen war, erklärte er, die Interessen des türkischen Volkes müssten geschützt werden. In anderem Zusammenhang warnte er davor, dass die Istanbuler Kultur durch die Zuwanderer verdrängt werde.[8]
Er entließ 1244 der 2500 Beschäftigten der Stadt, die zwischen dem 31. März 2019 und dem 23. Juni 2019 neu eingestellt worden waren. Die Einstellungen waren in dem Zeitraum der landesweiten Kommunalwahlen am 31. März bis zur Oberbürgermeister-Wahlwiederholung in Istanbul vorgenommen worden.[9]
In den ersten drei Monaten im Amt strich İmamoğlu mehreren AKP-nahen religiösen Stiftungen und Vereinen finanzielle Zuwendungen. Zu ihnen gehören die von Präsident Erdoğan gegründete Stiftung TÜRGEV, die Studenten mit Stipendien und Wohnheimplätzen unterstützt, die Bildungsstiftung TÜGVA, dessen Beirat der Sohn Bilal angehört, sowie die Aziz-Mahmud-Hüdayi-Stiftung unter Leitung des Bruders von Kadir Topbaş, dem langjährigen AKP-Oberbürgermeister der Stadt. Außerdem kündigte er Leasingverträge für Dienstwagen, die AKP-nahen Personen unrechtsmäßig sowie zur privaten Nutzung überlassen oder von AKP-nahen Unternehmen zu höheren Preisen als üblich vermietet worden sein sollen. Die Stadt spart dadurch rund acht Millionen Euro im Jahr.[10]
Unter Istanbul senin (etwa: Istanbul gehört dir) veröffentlichte die Kommune unter İmamoğlu eine Website, auf der die Bürger ihre Meinung beispielsweise zur Gestaltung der Stadt äußern können.[11][12] Am 12. Februar 2020 wurde zudem ein neues Planungsbüro gegründet. Die Gründungsveranstaltung hatte den Titel Ein neuer Anfang für die lokale Demokratie.[13] Im Zuge dessen rief er auch eine Webseite ins Leben, auf der Pläne von Architekten zur Neugestaltung des Gezi Parks gestellt wurden und die Bürger Istanbuls sich dazu äußern konnten, welchen Plan sie favorisierten. Recep Tayyip Erdoğan ließ daraufhin die Rechte am Park an eine bis dahin unbekannte Stiftung übertragen.[14]
Während der Bosporus-Universität-Proteste 2021 solidarisierte er sich mit den Demonstranten.[15] İmamoğlu wurden im Dezember 2021 vom türkischen Innenminister Süleyman Soylu (AKP) ohne Belege Verbindungen zur PKK vorgeworfen,[16] indem er angeblich seit der Amtsübernahme 2019 der Istanbuler Großstadtkommune als Oberbürgermeister über 400 Unterstützer bzw. Mitglieder der PKK und anderer linksextremistischen Gruppen in der Großstadtkommune eingestellt habe. İmamoğlu wies diesen Kriminalisierungsvorwurf zurück und stellte klar, dass alle Bewerber der Großstadtkommune „eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des [türkischen] Justizministeriums vorweisen“ müssten.[17] Dieses Ministerium steht unter der Ägide der AKP-Regierung, des Weiteren trat der türkische Justizminister im Januar 2022 von seinem Posten zurück.[18]
Weblinks
- Maximilian Popp: Istanbuler Wahlsieger Imamoglu: Der Mann, der Erdogan triezt, Spiegel online, 8. April 2019
- Oliver Mayer-Rüth: Shootingstar Imamoglu: Konkurrent für Erdogan? (YouTube-Video) In: Weltspiegel. Das Erste, 12. Mai 2019 .
- Raphael Geiger: Erdogan-Konkurrent: Auf den Spuren von Bürgermeister Ekrem Imamoglu. In: Stern.de. stern.de GmbH, 6. Juli 2019 .
- Christine-Felice Röhrs: Erdogan-Gegner Imamoglu: Wie Istanbuls neuer Bürgermeister ausgebremst wird. In: t-online.de. Ströer SE & Co. KGaA, 24. Dezember 2019 .
Einzelnachweise
- ↑ Wahlsieger Imamoglu zum Bürgermeister erklärt, spiegel.de, erschienen am 23. Juni 2019.
- ↑ a b Blow for Erdogan in re-run Istanbul poll. 24. Juni 2019 (bbc.com [abgerufen am 24. Juni 2019]).
- ↑ Neuer Bürgermeister in Istanbul: Oppositionskandidat Imamoglu zum Sieger erklärt. In: Spiegel Online. 17. April 2019, abgerufen am 17. April 2019.
- ↑ Istanbuls Bürgermeister spricht von Verrat. In: Spiegel Online. 7. Mai 2016.
- ↑ Türkische Wahlbehörde ordnet Neuwahl für Istanbul an. In: Spiegel Online. 6. Mai 2019.
- ↑ Ekrem İmamoğlu’nun hayatı… Ekrem İmamoğlu kimdir, nereli ve kaç yaşında? In: sozcu.com.tr. 18. Dezember 2018, abgerufen am 1. April 2019 (türkisch).
- ↑ Ekrem İmamoğlu kimdir? (CHP'nin İstanbul belediye başkan adayı). In: ntv.com.tr. 18. Dezember 2018, abgerufen am 1. April 2019 (türkisch).
- ↑ Anna-Sophie Schneider: Hetze gegen „Gäste“, Spiegel Online, 13. Juli 2019, abgerufen am 1. Januar 2020.
- ↑ Philipp Mattheis: Millionen für Erdoğans Freunde und Verwandte, DerStandard.at, 2. September 2019, abgerufen am 1. Januar 2020.
- ↑ Anna-Sophie Schneider: Mit dem Rotstift gegen Erdogan, Spiegel Online, 12. September 2019, abgerufen am 1. Januar 2020.
- ↑ İmamoğlu: Allah, bu şehri ‘İstanbul benim’ diyenlerden korusun. Abgerufen am 13. Februar 2020 (türkisch).
- ↑ İstanbul Senin | Geleceğine Birlikte Karar Verelim. İstanbul Senin! Abgerufen am 13. Februar 2020 (türkisch).
- ↑ YEREL DEMOKRASİ İÇİN YENİ BİR BAŞLANGIÇ. Abgerufen am 13. Februar 2020.
- ↑ tagesschau.de: Ekrem Imamoglu: Nadelstiche gegen Istanbuls Bürgermeister. Abgerufen am 7. Mai 2021.
- ↑ NEX24: Erdogan zu den Uni-Demos: „Dahinter stecken Terroristen“ | nex24.news. 8. Januar 2021, abgerufen am 10. Januar 2021 (deutsch).
- ↑ Susanne Güsten: Erdogan droht Bürgermeistern von Ankara und Istanbul. In: Der Tagesspiegel Online. 13. Januar 2022, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 13. Januar 2022]).
- ↑ Jürgen Gottschlich: Präsident Erdoğan holt zum Schlag gegen Istanbuls Bürgermeister aus. Zwei Fliegen / Gegenschlag aus Istanbul. In: derStandard.at. 29. Dezember 2021, abgerufen am 19. März 2022.
- ↑ Rainer Hermann: Die Spannungen in der türkischen Regierung werden größer. Rücktritt des Justizministers. In: FAZ.net. 30. Januar 2022, abgerufen am 19. März 2022.
Personendaten | |
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NAME | İmamoğlu, Ekrem |
KURZBESCHREIBUNG | türkischer Politiker der Republikanischen Volkspartei (CHP) |
GEBURTSDATUM | 4. Juni 1970 |
GEBURTSORT | Akçaabat, Provinz Trabzon |