El Fillo

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

El Fillo oder Fillo (* um 1820, wahrscheinlich in Puerto Real;[1] † um 1878 in Sevilla[2]), bürgerlicher Name wahrscheinlich Francisco Ortega Vargas,[1] war ein spanischer Flamenco-Sänger. Er war stilprägend für die weitere Entwicklung des Flamencos und Vorbild für spätere Generationen von Sängern.

Leben

El Fillo entstammt einer Gitano-Familie.[3] Zwei seiner Brüder waren ebenfalls Flamenco-Sänger. Über beide ist sehr wenig bekannt. Einer seiner Brüder, Curro Paula, war womöglich ein stilprägender Sänger von Cañas.[4] Sein anderer Bruder, Juan Encueros, starb vermutlich bei einer Messerstecherei. In einer Seguiriya (auch Siguiriya) klagt El Fillo dessen Mörder an:[5]

Mataste a mi hermano
no t'he perdoná
tú l'has matao liao en su capa
sin jaserte[6] ná.

Meinen Bruder hast’ erstochen
ich hab dir nicht verziehn
hast’ ihn erstochen, in seinen Umhang gehüllt
er hat dir nichts getan.

El Fillo war ein Schüler von El Planeta.[1] In jugendlichem Alter zog er nach Triana um. Dort reifte er zum Sangeskünstler heran. Er bereiste fortwährend die Dörfer, Märkte, Wirtshäuser der Umgebung Sevillas, um dort bei Hochzeiten, Kindstaufen und anderen Festen mit seinem Gesang ein paar Reales oder eine Sachbelohnung zu verdienen. Er war wohl kein professioneller Künstler im heutigen Sinne. Zu seiner Zeit begannen die Sänger und Tänzer gerade, aus ihrer Kunst nennenswerte Einkünfte zu erzielen.[7] In der Hauptstadt Madrid trat er (wie El Planeta) erstmals 1853 auf.[8]

El Fillos Geliebte war La Andonda, eine hervorragende Sängerin. Sie ist die erste, von der bekannt ist, dass sie Soleares sang.

Künstlerisches Wirken

Wie sein Vorbild El Planeta war El Fillo als Sänger von Seguiriyas bekannt.[1] Der Überlieferung nach sang er für den berühmten Torero Paquiro eine Serie von Seguiriyas; dieser war begeistert und schenkte ihm eine Goldmünze. Una moneda cabal – eine redliche Münze, für redlichen Gesang, stimmten beide überein. So entstand, dieser Anekdote zufolge, der Name Cabales für diese Art von Seguiriyas: ernste, archaische Lieder in gebundenem Stil, eng verwandt mit den Tonás und eng verbunden mit ihrem Entstehungsort Triana. Autoren wie Pedro Camacho ziehen eine profanere Erklärung vor: Cabales sei ursprünglich die Sammelbezeichnung für die drei Gesänge gewesen, mit der eine Gesangsrunde üblicherweise schloss: eine Liviana, eine Serrana und eine Seguiriya. Später habe sich der Begriff auf die finale Seguiriya verengt.[9] Heutzutage singt man einen Cabal nach einer Reihe von Seguiriyas, um zum Abschluss mit seinem lebhafteren Rhythmus die schmerzhafte Stimmung der Seguiriyas aufzulockern.[9][10]

Darüber hinaus war El Fillo Generalist, ein Interpret aller damals geläufigen Stilarten des Flamencos.[7] Seine „heisere“ oder raue Stimme bzw. kraftvolle Art zu singen, die (nach ihm benannte)[11] voz afillá, wurde zum Vorbild für Interpreten bis in die heutige Zeit.[12]

El Fillo förderte den jungen Silverio Franconetti aus Morón de la Frontera.[13]

Weblinks

  • El Fillo. In: Horizonte Flamenco. Abgerufen am 27. November 2015 (spanisch, Biografie).

Anmerkungen

  1. a b c d Ángel Álvarez Caballero: El cante flamenco. Alianza Editorial, Madrid 2004, ISBN 978-84-206-4325-0, S. 60.
  2. Ana Isabel Hernández González: Ortega Vargas, Francisco, o «el Fillo» (ca. 1820-ca. 1878). In: http://www.mcnbiografias.com. Abgerufen am 26. November 2015 (spanisch).
  3. El Fillo. In: El Arte de Vivir el Flamenco. Abgerufen am 26. November 2015 (spanisch).
  4. Ángel Álvarez Caballero: El cante flamenco. S. 63.
  5. Ángel Álvarez Caballero: El cante flamenco. S. 64.
  6. vermutlich jaserte = hacerte; dementsprechend übersetzt
  7. a b Ángel Álvarez Caballero: El cante flamenco. S. 61.
  8. Kersten Knipp: Flamenco. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-45824-8, S. 80.
  9. a b Ángel Álvarez Caballero: El cante flamenco. S. 62.
  10. für ein Hörbeispiel vgl. Mariana Cornejo por Seguiriya y Cabal. (Video) In: YouTube. 4. September 2008, abgerufen am 26. November 2015 (spanisch).
  11. Kersten Knipp: Flamenco. 2006, S. 245.
  12. Bernard Leblon: Flamenco. Palmyra, Heidelberg 2001, ISBN 3-930378-36-1, S. 85–86 (Mit einem Vorwort von Paco de Lucía).
  13. Kersten Knipp: Flamenco. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-45824-8, S. 64.