Enzyklopädie des Märchens
Die Enzyklopädie des Märchens (Abkürzung: EM) ist ein von Kurt Ranke begründetes, deutschsprachiges Nachschlagewerk zur internationalen Erzählforschung, das 15 Bände umfasst.
Geschichte
Ein verwandtes, allerdings auf deutschsprachige Märchen beschränktes Projekt, das von Lutz Mackensen herausgegebene Handwörterbuch des deutschen Märchens,[1] war nach nur zwei Bänden 1940 kriegsbedingt eingestellt worden. Mit den Vorarbeiten für eine Enzyklopädie des Märchens begann Kurt Ranke im Jahre 1955. Auf dem Deutschen Volkskundekongress in Nürnberg 1958 stellte er das Vorhaben erstmals einem größeren Kreis vor.[2] An der Universität Göttingen wurde eine Arbeitsstelle eingerichtet, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Stiftung Volkswagenwerk finanziert wurde. Seit 1980 war die EM ein Projekt der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen,[1] es wurde im Akademienprogramm gemeinsam von Bund und Ländern gefördert.[3]
Die EM wurde (wie die Fachzeitschrift Fabula) im Verlag Walter de Gruyter verlegt. Die erste Lieferung, beginnend mit dem Artikel „Aarne, Antti Amatus“, erschien 1975, der erste Band (A – Ba) 1977. Im November 2014 erschien die letzte Lieferung des 14. Bandes, seit März 2015 ist Band 14 (Vergeltung – Zypern. Nachträge) als ganzer verfügbar. Im Dezember 2015 erschien der abschließende Registerband (Band 15: Verzeichnisse und Register). Die Auflage umfasst 3000 Exemplare.[4] 2016 wurde die Enzyklopädie des Märchens auch als Datenbank Enzyklopädie des Märchens Online beim De Gruyter Verlag veröffentlicht.[5][6]
An der EM wirkten rund 1000 Autoren aus 80 Ländern mit.[2] Herausgeber waren Rudolf Schenda (1973–1992), Lutz Röhrich (1973–2006), Max Lüthi (1973–1984), Regina Bendix (2005/2006) und Rolf Wilhelm Brednich (1983–2015).[7]
Inhalt
Die fast 4000 mit ausführlichen Anmerkungen in Form von Endnoten versehenen Artikel bieten einen Überblick über folgende Themen:
- Biographien von Forschern, Sammlern und Autoren bedeutender Quellenwerke
- Darstellungen von Theorien und Methoden, Gattungsfragen, Stil- und Strukturproblemen
- Fragen der Biologie des Erzählguts („wer erzählt wem warum?“)
- Überblicksdarstellungen monographischer Art für wichtige Erzähltypen und -motive
- Nationale und regionale Forschungsberichte
Ungeachtet ihres Titels behandelt die EM nicht nur Märchen im engeren Sinne, sondern auch andere Gattungen der Volkserzählung wie Sagen, Legenden, Fabeln, Ätiologien, Schwänke oder Novellenstoffe.[1] Sie folgt damit der Klassifikation des Aarne-Thompson-Index.
Bibliographische Angaben
Kurt Ranke [Begründer], Rolf Wilhelm Brednich, u. a.: Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. 15 Bände. De Gruyter, Berlin 1977–2015.
- Band 1: Aarne – Bayerischer Hiasl. De Gruyter, Berlin 1977, ISBN 3-11-006781-1.
- Band 2: Bearbeitung – Christus und der Schmied. De Gruyter, Berlin 1979, ISBN 3-11-008091-5.
- Band 3: Chronikliteratur – Engel und Eremit. De Gruyter, Berlin 1981, ISBN 3-11-008201-2.
- Band 4: Ente – Förster. De Gruyter, Berlin 1984, ISBN 3-11-009566-1.
- Band 5: Fortuna – Gott ist auferstanden. De Gruyter, Berlin 1987, ISBN 3-11-010588-8.
- Band 6: Gott und Teufel auf Wanderschaft – Hyltén-Cavallius. De Gruyter, Berlin 1990, ISBN 3-11-011763-0.
- Band 7: Ibn-al-Ğauzī – Kleines Volk. De Gruyter, Berlin 1993, ISBN 3-11-013478-0.
- Band 8: Klerus – Maggio. De Gruyter, Berlin 1996, ISBN 3-11-014339-9.
- Band 9: Magica-Literatur – Neẓāmi. De Gruyter, Berlin 1999, ISBN 3-11-015453-6.
- Band 10: Nibelungenlied – Prozeßmotive. De Gruyter, Berlin 2002, ISBN 3-11-016841-3.
- Band 11: Prüfung – Schimäremärchen. De Gruyter, Berlin 2004, ISBN 3-11-017565-7.
- Band 12: Schinden – Sublimierung. De Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-019936-9.
- Band 13: Suchen – Verführung. De Gruyter, Berlin 2010, ISBN 978-3-11-023767-2.
- Band 14: Vergeltung – Zypern, Nachträge Ābī – Zombie. De Gruyter, Berlin 2014, ISBN 978-3-11-040244-5.
- Band 15: Verzeichnisse, Register, Corrigenda. De Gruyter, Berlin 2015, ISBN 978-3-11-045095-8.
Broschierte Studienausgabe:
- Band 1–6. De Gruyter, Berlin 1999, ISBN 3-11-016402-7.
- Band 7–15. De Gruyter, Berlin 2017, ISBN 978-3-11-055191-4.
Siehe auch
Weblinks
- Zusammenstellung mediävistisch bedeutender Stichworte aus der Enzyklopädie des Märchens in den Regesta Imperii der AdW-Mainz
- Angela Wittmann: Was die Zwerge nicht wussten. In: Zeit.de, 26. Dezember 2005
- Nina May: Göttinger Forscher vollenden erste umfassende Märchen-Enzyklopädie. In: Goettinger-Tageblatt.de, 21. Dezember 2014
Einzelnachweise
- ↑ a b c Wissenswertes über die Enzyklopädie des Märchens Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
- ↑ a b Pressemitteilung der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen: Das größte volkskundliche Editionsprojekt ist abgeschlossen, 17. November 2015.
- ↑ Vgl. Verzeichnis des abgeschlossenen Projekte und Angaben zum Akademienprogramm Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
- ↑ Göttinger Tageblatt: Göttinger Forscher vollenden erste umfassende Märchen-Enzyklopädie (Memento des Originals vom 24. September 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , 21. Dezember 2014.
- ↑ De Gruyter veröffentlicht Enzyklopädie des Märchens als Paperback-Ausgabe und Online-Datenbank. In: Buchreport.de. 21. September 2017, abgerufen am 12. August 2019.
- ↑ Enzyklopädie des Märchens Online. In: DeGruyter.com. Abgerufen am 12. August 2019.
- ↑ Projektseite (Memento des Originals vom 4. Dezember 2004 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 14. Dezember 2015.