Erdölleitung Freundschaft

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Existierende und geplante Erdölleitungen in Europa

Die Erdölleitung Freundschaft oder Druschba-Pipeline (nach dem russischen Wort

Дружба

, transliteriert Družba) ist eine Pipeline, welche die russischen Ölfelder mit Raffinerien in Ost- und Mitteleuropa verbindet. Sie hat eine Transportkapazität von 2,5 Mio. Barrel pro Tag.[1]

Die Pipeline wurde von 1959 bis 1964 von den damaligen RGW-Staaten errichtet. Sie beginnt in Almetjewsk in Tatarstan und gabelt sich bei Masyr in Belarus in einen Nordstrang, der über Polen bis nach Deutschland reicht, und einen Südstrang, der über die Ukraine die Slowakei, Tschechien und Ungarn versorgt.[2] Später wurde die Leitung weiter nach Osten bis zu den westsibirischen Erdölquellen in der Oblast Tjumen verlängert. Damit erreichte ihre Länge bis zur deutschen Grenzstadt Schwedt 5327 Kilometer. Die Gesamtlänge des Systems ist 8900 km.[3]

Sie wird vom Unternehmen Transneft bzw. in Belarus durch Gomel Transneft betrieben. Laut Greenpeace ist die Trasse in Sibirien inzwischen sanierungsbedürftig, dort kommt es immer wieder zu erheblichen Umweltverschmutzungen.[4]

Geschichte

Erdölförderung in der Sowjetunion 1962

Auf der X. Tagung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) im Dezember 1958 in Prag wurde der Bau einer Erdölleitung beschlossen. Am 17. Juli 1963 erreichte die Erdölleitung das EVW (Erdölverarbeitungswerk, die heutige PCK-Raffinerie) in Schwedt/Oder. Am 18. Dezember 1963 eröffnete Walter Ulbricht die Leitung offiziell.

Fünf Jahre später war die Leitung an ihrer Kapazitätsgrenze, daher wurde die größere Družba-2 mit bis zu 1220 Millimeter geplant und 1974 parallel zur Alten verlegt. Die letzte Strecke in der DDR wurde 1981 in Betrieb genommen.[3] Heutige deutsche Abnehmer sind Unternehmen in Schwedt, Böhlen und Leuna.

Das Erdöl aus der Sowjetunion wurde über Tauschhandel bezahlt, während die DDR auf dem Weltmarkt gegen Devisen daraus hergestellte Erdölprodukte verkaufte. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre erhöhte die Sowjetunion infolge der Ölkrise den Ölpreis für ihre osteuropäischen Abnehmer und Anfang der achtziger Jahre senkte sie sogar die Rohölmenge von 19 auf 17 Millionen Tonnen.

Im sogenannten Energiestreit Anfang 2007 zwischen Russland und Belarus sperrte der Betreiber Transneft am 8. Januar 2007 vorübergehend den Beginn der Pipeline, um die Belarussen zur Aufgabe der geplanten Transitsteuer in den Westen zu zwingen. Unter den Erdöl-Abnehmern waren davon vor allem Polen, Tschechien, Ungarn und Deutschland betroffen. Für die Bundesregierung war dies ein neuerlicher Anlass, die Abhängigkeit von Russland (Ein Fünftel des Bedarfs) zu verringern, das die Energiecharta von 1994 noch nicht ratifiziert hat. Nach zwei Tagen nahm Belarus die Transitsteuer für russisches Öl wieder zurück[5] und am nächsten Morgen erreichte Deutschland wieder Öl durch die Pipeline.[6] Utz Claassen, damals Vorstandschef von EnBW sagte: „Dieser Konflikt um Weltmarktpreise zwischen Russland und Belarus hat keine spürbaren Auswirkungen auf Deutschland. Anders als beim Gas haben wir beim Öl viele alternative Bezugsquellen und vielfältige Lager- und Transportmöglichkeiten.“[7] Wegen des Kalistreits 2013 zwischen Uralkali (Russland) und Belaruskali (Belarus) um die plötzliche Auflösung eines Kartells hat Russland die Lieferungen in die Pipeline um ein Viertel (400.000 t) gekürzt, was mit Wartungsarbeiten begründet wurde.[8][9]

Im April 2019 wurden die Lieferungen gestoppt[10], da die Grenzwerte für organisches Chlorid zehnfach überschritten waren. Dieses wird bei der Ölförderung zugesetzt und muss vor dem Transport wieder herausgefiltert werden.[11]

Verlauf

Die Erdölleitung transportiert das Erdöl aus Russland über drei Stränge nach Westeuropa. In Masyr in Belarus teilt sich die Leitung in einen nördlichen und einen südlichen Abschnitt. Der Nordstrang verläuft durch Polen bis nach Deutschland in die Nähe von Schwedt/Oder zur heutigen PCK-Raffinerie und besteht aus zwei parallel verlaufenden Trassen. Der Südstrang teilt sich in der Ukraine, wobei der eine Abschnitt durch die Slowakei nach Tschechien führt und der andere Abschnitt über Ungarn Verbindung zur Adria-Pipeline hat. Der nördliche Strang verfügt über eine Kapazität von einer Million Barrel pro Tag und der südliche Strang von 1,2 Millionen Barrel pro Tag.

Nutzung

Das Kombinat „Otto Grotewohl“ in Böhlen nahm 1967 die Erdölverarbeitung auf.

Die deutschen Hauptnutzer der Pipeline sind die PCK-Raffinerie in Schwedt und die Total Raffinerie Mitteldeutschland in Leuna, die über eine Pipeline der Mineralölverbundleitung Schwedt an die Erdölleitung Freundschaft angeschlossen ist. Transportiert werden bis nach Schwedt pro Jahr insgesamt ca. 22 Millionen Tonnen westsibirisches Erdöl.

An der Pipeline sind in Belarus die Raffinerien Mozyr und Naftan angeschlossen, in Polen die Raffinerien in Płock und Gdańsk, in der Slowakei die Slovnaft-Raffinerie in Bratislava und in Tschechien die Raffinerien Litvínov & Kralupy, sowie die Duna Raffinerie in Ungarn.[2]

Siehe auch

Literatur

  • Roland Götz: Energietransit von Russland durch die Ukraine und Belarus. In: SWP-Studie. Dezember, 2006, ISSN 1611-6372 (PDF)

Filme

  • Jahrhundertbauwerk Trasse. Wie das russische Erdgas in den Westen kam. (Film von Matthias Schmidt, online auf mdr.de)

Weblinks

Commons: Erdölleitung Freundschaft – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Die wichtigsten Ölpipelines in Europa. In: mare. Nr. 67, April 2008, S. 30.
  2. a b Sam Meredith, Tom DiChristopher: Germany, Poland suspend oil imports via Russian pipeline amid contamination worries. In: CNBC. NBCUniversal Media, 25. April 2019, abgerufen am 12. Mai 2021: „Druzhba pipeline map“
  3. a b Druzhba. Hersteller der Rohre: Группа ЧТПЗ (ChelPipe Group), abgerufen am 30. April 2019 (englisch, russisch).
  4. Bonjour TOTAL – Adieu Sibirien: Der Ölkonzern TOTAL ist mitverantwortlich für die Ölpest in den russischen Ölfördergebieten. (PDF) Greenpeace, Oktober 2004, abgerufen am 6. Mai 2019.
  5. Pipeline-Streit: Verwirrung um Öllieferungen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 10. Januar 2007
  6. Pipeline-Streit: Russisches Erdöl erreicht Deutschland. In: Spiegel Online, 11. Januar 2007
  7. Oliver Santen: BILD-Interview: Was machen wir ohne Russen-Öl, Herr Claassen?. In: Zeitung. 9. Januar 2007
  8. Kali-Streit: Kreml fordert Freilassung von Uralkali-Manager. In: Spiegel Online, 30. August 2013.
  9. Kali-Streit zwischen Russland und Weißrussland eskaliert. In: FAZ.net, 28. August 2013.
  10. Andrey Gurkov: Kreml und Ölindustrie verharmlosen das Druschba-Desaster. In: Deutsche Welle. 4. Juni 2019, abgerufen am 4. Juni 2019.
  11. Dörte Neitzel: Verunreinigtes Rohöl: Lieferungen aus Russland gestoppt. In: Technik + Einkauf. 26. April 2019, abgerufen am 30. April 2019.