Ervěnice

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Ervěnice (deutsch Seestadtl, früher auch Ruenice, Erwenicz) war eine Stadt im Okres Most in Tschechien, die bis 1960 dem Okres Chomutov zugehörig war.

Geographische Lage

Lage der Stadt auf einer sächsischen Generalstabskarte (1882)

Die Stadt lag in Nordböhmen an einer sanft ansteigenden Anhöhe am rechten Ufer des Flusses Biela, gegenüber der Einmündung des Altbachs.

Geschichte

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Früher Tagebau auf Braunkohle bei Seestadtl, Grube Hedwig um 1910
Skulptur des hl. Florian aus Seestadtl, jetzt in Kleinpriesen

Die Gegend war bereits in der jüngeren Steinzeit (5500 bis 4200 v. Chr.) besiedelt. Die erste schriftliche Aufzeichnung stammt aus dem Jahr 1238. In dieser wird ein gewisser Albert, Sohn des Nečepluk von Ruenitz, erwähnt. Auf dem Areal des Ortes gab es zur damaligen Zeit auch zwei, jeweils auf den entgegengesetzten Seiten des Ufers erbaute Festen, die von unterschiedlichen Geschlechtern gehalten wurden. Die erstere gab es bereits um 1300 bis Ende des 15. Jahrhunderts, die zweite Feste wurde vermutlich Anfang des 14. Jahrhunderts erbaut und bestand bis Anfang des 16. Jahrhunderts. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde der Ort zum Städtchen erhoben und erhielt 1568 Wappen und Siegel.

1519 wurden beide Ortsteile durch Sebastian von Weitmühl vereinigt. 1571 erwarb Bohuslav der Ältere von Michelsberg (Bohuslav starší z Michalovce) die Ländereien, dem sie 1622 konfisziert und der Herrschaft des Wilhelm Popel von Lobkowitz zugeschlagen wurden. Die Familie hielt das Gut bis 1848.

Die Bevölkerung wuchs vom Beginn des 17. Jahrhunderts, als es im Ort 45 Häuser gab, auf 751 Einwohner im Jahr 1848 und um weitere über eintausend zur Zeit der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts. Der aufblühende Bergbau schuf schließlich vor dem Zweiten Weltkrieg Auskommen für 5000 Bewohner. Die Bewohner arbeiteten im Schacht Ella und im Untertagebau-Schacht Hedwig. Im Jahr 1900 hatte Seestadtl 2.962 Einwohner, davon waren 2.402 deutsch- und 546 tschechischsprachig.[1] Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Seestadtl der neu geschaffenen Tschechoslowakei zugeschlagen.

Anfang der 1920er Jahre entstand in Seestadtl das erste Großkraftwerk in der Tschechoslowakei. Nach dem Münchner Abkommen gehörte Seestadtl von 1938 bis 1945 zum Landkreis Komotau, Regierungsbezirk Aussig, im Reichsgau Sudetenland des Deutschen Reichs.

Zwischen dem 1. September und 7. Oktober 1944 wurde Seestadtl das kurzzeitige Außenlager Brüx des KZ Flossenbürg eingerichtet, in das 1000 Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen überführt wurden. Kommandoführer soll der SS-Hauptscharführer Gustav Göttlich gewesen sein. Etwa 490 der Häftlinge wurde von der Mineralölbaugesellschaft als Hilfsarbeiter angefordert. Ob diese in Maltheuern oder beim Verlagerungsprojekt Richard II zum Einsatz kamen, ist nicht bekannt.[2]

In den Jahren 1959 bis 1960 fiel die Ortschaft dem fortschreitenden Tagebau zum Opfer und wurde aufgelassen. Das Katastralgebiet wurde der Ortschaft Komořany u Mostu zugeschlagen, die ihrerseits 1988 nach Most eingemeindet wurde. Die Statuen des Hl. Johann von Nepomuk aus dem Jahr 1730 und des Hl. Florian (1717) wurden nach Malé Březno (Kleinpriesen) gebracht.

Im Jahre 1983 wurde ein bis 150 Meter hoher Damm geschüttet, welcher heute die Bahnstrecke Ústí nad Labem–Chomutov und die E422 quer durch die Bergbaulandschaft zwischen Chomutov und Most leitet. Dieser erhielt nach der einstigen Stadt den Namen Ervěnický koridor.

Demographie

Bis 1945 war Seestadtl überwiegend von Deutschböhmen besiedelt, die vertrieben wurden (→ Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei).

Bevölkerungsentwicklung bis 1945
Jahr Einwohner Anmerkungen
1830 0665 in 145 Häusern[3]
1845 0751 in 148 Häusern[4]
1900 2962 deutsche Einwohner[5]
1930 5121 [6]
1939 4224 [6]
Einwohnerzahlen seit Ende des Zweiten Weltkriegs
Jahr 1950 1961 1970
Einwohner 2272 178 116

Söhne und Töchter der Stadt

Weblinks

Commons: Ervěnice – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. K.K. Statistische Zentralkommission, Gemeindelexikon der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder. Bearbeitet auf Grund der Ergebnisse der Volkszählung vom 31. Dezember 1900. Band IX Böhmen (Wien 1904) S. 374.
  2. Wolfgang Benz: Das Konzentrationslager Flossenbürg und seine Außenlager. 2007, S. 72
  3. Jahrbücher des böhmischen Museums für Natur- und Länderkunde, Geschichte, Kunst und Literatur. Band 2, Prag 1831, S. 199, Ziffer 22).
  4. Johann Gottfried Sommer: Das Königreich Böhmen. Band 14: Saazer Kreis, Prag 1846, S. 127–128, Ziffer 11).
  5. Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 18, Leipzig und Wien 1909, S. 273.
  6. a b Michael Rademacher: Landkreis Komotau. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: treemagic.org.

Koordinaten: 50° 31′ N, 13° 32′ O