Eulen nach Athen tragen

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Eule auf der Akropolis in Athen
Eule auf einem Tetradrachmon
Datei:1 euro coin Gr serie 1 (1).png
Eule der historischen Drachme auf der Rückseite der griechischen 1-Euro-Münze

Die Redensart Eulen nach Athen tragen (γλαῦκας εἰς Ἀθήνας κομίζειν oder γλαῦκ᾿ Ἀθήναζε ἄγειν bzw. ἡγεῖσθαι) steht für eine überflüssige Tätigkeit. Sie geht auf den antiken griechischen Dichter Aristophanes zurück, der den Ausspruch in seiner satirischen Komödie Die Vögel um 400 v. Chr. prägte. Dort wird in Vers 301 eine herbeifliegende Eule mit den folgenden Worten kommentiert:[1].

„(301) Τὶς γλαῦκ᾿ Ἀθήναζε [ἐκόμισε]; Wer [hat die] Eule nach Athen [gebracht]?“

Eulen gab es damals als Symbol der Göttin Athene, der Schutzgöttin der Stadt, sehr viele (vgl. Eule der Minerva), sodass sie nicht extra nach Athen gebracht werden mussten, da sie selbst viel besser und schneller dorthin fliegen können. Die Eule symbolisierte die Klugheit, vor allem deshalb, weil sie auch im Dunkeln sehen kann. Wie die athenischen Abbildungen zeigen, ist es eine bestimmte Eulenart, der Steinkauz (Athene noctua). Wolfgang Hildesheimer hat daraus die ironische Erzählung „Ich trage eine Eule nach Athen“ entwickelt, in der es tatsächlich um einen Steinkauz geht.[2][3]

Es ist also möglich, den Satz als Hinweis auf die unsinnige Tätigkeit zu deuten, Weisheit in die Stadt zu bringen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er sich auf die Münzen Athens bezog, auf denen das Tier prangte. Aristophanes bezeichnete es als überflüssig, Silbermünzen (mit der Eule) ins reiche Athen zu schicken. In Vers 1106 schreibt er dazu etwa: „An Eulen wird es nie mangeln.“[4]

Bis zur Umstellung auf den Euro zu Beginn des 21. Jahrhunderts war in die Griechische Drachme eine Eule geprägt. Die Abbildung einer zwischen 490 und 220 vor Christus von Hand geschlagenen attischen Vier-Drachmen-Münze aus Silber wurde für die Rückseite der griechischen 1-Euro-Münze gewählt.

Die römische Geschichtsschreibung übernahm das Sprichwort als ululas Athenas (ferre). Im Laufe der Zeit haben sich viele weitere Sprichwörter auf der Basis dieses Ausspruchs gebildet. So waren bereits im antiken Griechenland die Wendungen „Fische zum Hellespont bringen“ (pisces ad Hellespontum ferre) oder „Krokodile nach Ägypten bringen“ (crocodilia ad Aegyptum ferre) bekannt. Modernere Varianten lauten etwa „Bier nach München bringen“, „Kohlen nach Newcastle (alternativ Birmingham) tragen“ (englisch: bring/take/carry coals to Newcastle), „den Bäckerskindern Stullen geben“ oder „mit dem eigenen Samowar nach Tula fahren“ (russisches Sprichwort; in der Stadt Tula werden die als Samoware bezeichneten Teekocher gefertigt). Ähnlich ist das lateinische ligna in silvam (ferre) „Holz in den Wald tragen“ (Horaz, Satiren I,10,34).[5]

Des Weiteren existieren viele besonders regional und lokal bekannte Abwandlungen, so zum Beispiel in Norddeutschland „Torf ins Moor tragen“, in Franken „Wasser in die Pegnitz schütten“, im Moselfränkischen „Schnecken nach Metz treiben“ oder „Wasser in den Rhein tragen“.[6]

Literatur

  • Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Herder, Freiburg 1994, ISBN 3-451-04400-5.

Weblinks

Wiktionary: Eulen nach Athen tragen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Aristophanis Comoediae, Band 1 (ΕΙΣ ΤΟΥΣ ΟΡΝΙΘΑΣ)
  2. Wolfgang Hildesheimer: Lieblose Legenden. Diogenes, Zürich 1952; Suhrkamp, Frankfurt 1962, 1983.
  3. Ich trage eine Eule nach Athen. In: Die Zeit, 18. Februar 1954
  4. Michael Krumm: Woher stammt die Redewendung „Eulen nach Athen tragen“? (Nicht mehr online verfügbar.) In: Hamburger Abendblatt. 27. Januar 2015, archiviert vom Original am 26. Juli 2015; abgerufen am 26. Januar 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.abendblatt.de
  5. Des Quintus Horacius Flaccus Satiren. Erklärt von Ludwig Friedrich Heindorf. Korn, Breslau 1815, S. 215.
  6. Saarpfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde. Saarpfalz-Kreis, Homburg 1993, ISSN 0930-1011, Heft 36, S. 43.