FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur

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FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur
Rechtsform GmbH mit anerkannter Gemeinnützigkeit
Gründung 1977
Sitz Eggenstein-Leopoldshafen, Deutschland
Leitung Sabine Brünger-Weilandt
Mitarbeiterzahl 289[1]
Branche Infrastruktur- und Forschungseinrichtung, Information Retrieval, Dokumentationseinrichtung, Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft
Website www.fiz-karlsruhe.de
Stand: 8. Oktober 2021

FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur ist eine der großen Infrastruktureinrichtungen in Deutschland für wissenschaftliche Information und Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.[2] Seine Kernaufgaben sind die professionelle Versorgung von Wissenschaft und Wirtschaft mit Forschungs- und Patentinformation sowie die Entwicklung von innovativen Informationsinfrastrukturen, z. B. mit den Schwerpunkten Forschungsdatenmanagement, Wissensgraphen und digitale Plattformen. Dazu betreibt das Institut eigene Forschung, kooperiert mit renommierten Universitäten und Forschungsgesellschaften und ist international und interdisziplinär vernetzt.[3] FIZ Karlsruhe ist eine GmbH mit gemeinnützigem Charakter. Sitz der Gesellschaft ist Eggenstein-Leopoldshafen.

Geschichte

1977 wurde das Fachinformationszentrum Karlsruhe als GmbH des Bundes und der Länder mit den wissenschaftlichen Schwerpunkten Energie, Physik und Mathematik gegründet. Bei der Gründung wurden fünf wissenschaftliche Institutionen zusammengeschlossen:

  • Zentralstelle für Atomkernenergie-Dokumentation Karlsruhe (ZAED), gegründet 1957
  • Zentralstelle für Luft- und Raumfahrtdokumentation und -information München (ZLDI), gegründet 1954
  • Redaktion Physikalische Berichte Braunschweig (PB), gegründet 1845
  • Redaktion Zentralblatt für Mathematik Berlin (ZfM), gegründet 1931
  • Redaktion Zentralblatt für Didaktik der Mathematik Karlsruhe (ZDM), gegründet 1969.

1987 erfolgte die Namensänderung in Fachinformationszentrum Karlsruhe GmbH. Seit 2009 trägt die Einrichtung den Namen FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur. 2013 wurde FIZ Karlsruhe beauftragt, in diesem Kontext eigene Forschungsaktivitäten zu entwickeln.

Zahlen und Fakten

FIZ Karlsruhe hat ca. 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gesellschafter sind der Bund, das Land Baden-Württemberg sowie bedeutende wissenschaftliche Gesellschaften und Verbände:

Der Hauptsitz von FIZ Karlsruhe befindet sich auf dem Campus Nord des Karlsruher Instituts für Technologie - KIT (ehemals Forschungszentrum Karlsruhe) in Eggenstein-Leopoldshafen. Daneben unterhält das Institut einen weiteren Standort in Berlin sowie die Tochterfirma FIZ Karlsruhe, Inc. in Princeton, New Jersey, USA. Direktorin und Geschäftsführerin ist seit 2003 Sabine Brünger-Weilandt.

Forschung

Information Service Engineering

FIZ Karlsruhe forscht auf den Gebieten der semantischen Erschließung, Aggregation und Vernetzung sowie des Retrievals umfangreicher heterogener und verteilter Datenquellen. Zum Einsatz gelangen dabei sowohl Verfahren der statistischen als auch der linguistischen Analyse (Natural Language Processing) und Methoden des maschinellen Lernens in Kombination mit symbolischer Logik und Inferenzverfahren. Schwerpunkte sind dabei automatische Analysen von Text und Multimedia, semantische Analysen zur nachhaltigen Erschließung und automatisierten Weiternutzung von Dokumenteninhalten und darauf aufbauend die Entwicklung semantischer und explorativer Suchen. Die Forschungsergebnisse werden in verschiedenste Projekte eingebracht - beispielsweise das Archivportal-D, das einen spartenspezifischen Zugang zu den Daten der Deutschen Digitalen Bibliothek bietet, oder im Bereich der Nanosicherheitsforschung.

Immaterialgüterrechte in verteilten Informationsinfrastrukturen

FIZ Karlsruhe forscht in diesem Kontext zu Urheberrechten an immateriellen und virtuellen Gütern sowie in den Bereichen Datenschutz- und IT-Recht[4]. Gemeinsam mit Forschungspartnern wurden z. B. Grundlagen für eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) entwickelt, deren Durchführung seit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 vorgeschrieben ist. Daneben begleitet FIZ Karlsruhe aktuelle Reformvorhaben auf EU-Ebene, beispielsweise im EU-Projekt STARR. Dabei geht es um die Wahrung von (Grund-)Rechten bei der Ausgestaltung europäischer und internationaler Regeln sowie um spezielle Fragestellungen wie den datenschutz- und urheberrechtlichen Umgang mit Forschungsdaten oder die rechtskonforme zukünftige Organisation des Datenaustausches mit Drittstaaten.

Text- und Data-Mining

Wachsende Datenmengen und komplexe Informationsbedürfnisse erfordern neue Konzepte und effiziente Methoden, u. a. des Text-Mining und Data-Mining (TDM), zur Wissenserschließung im Rahmen spezieller Fragestellungen der Patentsuche und -analyse. FIZ Karlsruhe forscht deshalb zu speziellen Verfahren des maschinellen Lernens, der verteilten Datenprozessierung bei der Abfrage und Analyse großer Datenmengen (Big Data Analytics) sowie der semantischen Erschließung von Patentvolltexten (Patent Mining, Semantic Search und Semantic Enrichment) beispielsweise mit Hilfe von Wissen aus Ontologien und Linked Open Data (LOD).

Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI)

Die Nationale Forschungsdateninfrastruktur ist eine derzeit im Aufbau befindliche digitale, verteilte Infrastruktur, die der Wissenschaft in Deutschland Dienste und Beratungsangebote rund um das Management von Forschungsdaten anbieten wird. FIZ Karlsruhe hat den Gründungsprozess der NFDI von Anfang an maßgeblich unterstützt. Die Direktorin und Geschäftsführerin Sabine Brünger-Weilandt ist Mitglied im Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII). Dieser hat im Juni 2016 Bund und Ländern sein Positionspapier „Leistung aus Vielfalt“  vorgelegt, in dem richtungweisende Empfehlungen für das Forschungsdatenmanagement ausgesprochen wurden - unter anderem die Empfehlung zur Einrichtung einer NFDI.

Im Mai 2019 wurde auf Beschluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) das Direktorat der NFDI in Karlsruhe angesiedelt. Bis Februar 2021 war FIZ Karlsruhe gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) als Trägereinrichtung mit dem Aufbau des Direktorats betraut. Inzwischen ist die NFDI als eingetragener Verein in eine eigene Rechtspersönlichkeit übergegangen.

Den Kern der NFDI sollen bis zu 30 Forschungskonsortien bilden, die sich aus unterschiedlichen fachwissenschaftlichen Communities und Infrastruktureinrichtungen zusammensetzen. Nach zwei von drei vorgesehenen Förderrunden durch Bund und Länder in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) ist FIZ Karlsruhe als mitantragstellendes Institut an fünf Konsortien beteiligt: An NFDI4Culture, NFDI4Chem sowie NFDI4DataScience, NFDI-MatWerk und an der Mathematical Research Data Initiative MaRDI.

Produkte und Dienste

STN International

STN International ist ein weltweit genutzter wissenschaftlicher Informationsservice mit den Schwerpunkten Forschungs- und Patentliteratur, chemische Strukturen, Sequenzen und Materialeigenschaften.

Das Angebot umfasst mehr als 130 Datenbanken zu Naturwissenschaften, Medizin, Technik und Patenten. Diese sind unter einer einheitlichen Retrievalsprache recherchierbar. Dabei unterstützt STN die Text- und numerische Suche ebenso wie die Suche nach chemischen Strukturen und Biosequenzen. Ermöglicht werden auch die umfassende Analyse und Visualisierung der Ergebnisse. STN wird seit 1984 in Partnerschaft mit dem Chemical Abstracts Service (CAS), USA, betrieben und weiterentwickelt. Ergänzend führt der FIZ Search Service im Kundenauftrag professionelle Recherchen durch. Er ist auf die Gebiete Naturwissenschaft, Technik, Patentwesen und Patentüberwachung spezialisiert. Hinzu kommt ein Dokumentlieferservice.

FIZ PatMon

Das Patent-Monitoring-System FIZ PatMon dient dazu, Patentportfolios zu überwachen sowie Rechtsstandsereignisse und Publikationen in nationalen und internationalen Patentfamilien gezielt automatisiert zu verfolgen. Seine Zielgruppen sind vor allem Patentanwälte und IP-Manager.

e-Research

Für infrastrukturorientierte Forschungsvorhaben, wie z. B. Informationsservices und virtuelle Forschungsumgebungen, wird Kompetenz in Softwareentwicklung und -betrieb zunehmend zu einem Erfolgsfaktor. FIZ Karlsruhe fokussiert sich dabei im Rahmen von Forschungsprojekten und Kooperationen mit Wissenschaft und Wirtschaft auf drei Arbeitsschwerpunkte: Informationsservices für das Forschungsdatenmanagement, die digitale Langzeitarchivierung sowie virtuelle Forschungsumgebungen, die Daten und Werkzeuge integrieren. Die hierzu entwickelten „Software as a Service“-Lösungen dienen als Infrastruktur-Lösungen, beispielsweise für die Deutsche Digitale Bibliothek[5] oder im Bereich der Bibliometrie.

RADAR

Für eine disziplinübergreifende Archivierung und Publikation von Forschungsdaten wurde von FIZ Karlsruhe das Repositorium RADAR entwickelt. Es ermöglicht, Projektdaten über das Web zu organisieren, mit Metadaten zu erschließen und nach Wunsch zu veröffentlichen. RADAR legt seinen Schwerpunkt auf Fachdisziplinen, in denen noch keine eigenen Lösungen zum Forschungsdatenmanagement existieren.[6]

Fachspezifische Informationsdienste

Inorganic Crystal Structure Database – ICSD

ICSD ist ein Informationsservice für die Kristallographie mit vollständig bestimmten anorganischen Kristallstrukturen - derzeit mehr als 250.000. Zweimal jährlich erscheinen Updates mit aktuellen Daten, die aus einschlägigen Fachzeitschriften und anderen relevanten Quellen extrahiert werden. Der Datenbestand wächst um ca. 7.000 Strukturen pro Jahr. Mithilfe dieser Informationen können Fragestellungen in den Materialwissenschaften gelöst, Materialeigenschaften prognostiziert und optimiert sowie die Analytik verbessert werden.

zbMATH Open

zbMATH Open ist ein internationaler Informationsservice für die Mathematik (ehemals Zentralblatt für Mathematik). Er bietet bis zurück in das Jahr 1886 umfangreiche Informationen über mathematische Publikationen, Autorinnen und Autoren, Referenzen und Software. Ein besonderes Angebot ist die mathematische Formelsuche. Herausgegeben wird zbMATH gemeinsam von FIZ Karlsruhe, der European Mathematical Society und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Der Vertrieb obliegt dem Springer Nature-Verlag. Auf Grundlage erneuerter Verlagskooperationen und angepasster Nutzungsbedingungen ist zbMATH seit Januar 2021 als Open-Access-Plattform kostenfrei zugänglich, so dass sich nun viele der Daten für Forschungszwecke und zur Verknüpfung mit anderen nicht-kommerziellen Diensten frei nutzen lassen. Sie bietet auch die Verknüpfung mit mathematischen Forschungsdaten, die bisher noch weitgehend isoliert und wenig erschlossen sind.[7]

Politikberatung

FIZ Karlsruhe setzt sich in nationalen und internationalen Gremien und Räten für die Weiterentwicklung wissenschaftlicher Informationsinfrastrukturen ein[8]. Künftig soll die Beratung auch im Bereich der Rechtswissenschaft verstärkt werden. So obliegt dem Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII) die Aufgabe, die Transparenz der Entwicklungen und Prozesse auf dem Gebiet der Informationsinfrastrukturen zu erhöhen sowie die Entwicklung und Vermittlung deutscher Positionen in europäischen und internationalen Debatten zu unterstützen. Weitere Beratungsaktivitäten betreffen u. a. den Horizon 2020-Beirat für europäische Forschungsinfrastrukturen und e-Infrastrukturen, die Expertenkommission „Fundamental rights review of EU data collection instruments and programmes“ der EU-Kommission, den Deutschen IPv6-Rat, die Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ der Allianz der Wissenschaftsorganisationen sowie die Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen (DGI).

Öffentliche Interessenvertretung

Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vertritt FIZ Karlsruhe Deutschland in Kooperationen mit der International Atomic Energy Agency (IAEA) und der Internationalen Energie-Agentur (IEA) in Paris und beteiligt sich am weltweiten Austausch sowie der Sammlung von Informationen zu Energietechnologien.

Weblinks

Literatur

Einzelnachweise